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Künstliche Intelligenz: Kein Job ist sicher

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Wer künstliche Intelligenz jetzt nicht nutzt, verliert den Anschluss, warnt der renommierte KI-Forscher und Wirtschaftswissenschaftler Anton Korinek im Interview. Doch das sei nur der Anfang. Sobald KI menschliches Niveau erreicht, stehe eine noch viel radikalere Transformation des Arbeitsmarkts bevor. Österreich ist darauf nicht gut vorbereitet

Wird es Ihren und meinen Job in zehn Jahren noch geben?

Nein. Zumindest nicht in der derzeitigen Form. Weil künstliche Intelligenz alles, was unsere Jobs schwierig macht – in meinem Fall die Forschung, in Ihrem Fall die Recherche und die sorgfältige Aufbereitung dieser Recherche – wahrscheinlich schon in fünf Jahren um einiges besser können wird als wir.

Bedeutet das, es gibt unsere Jobs dann gar nicht mehr? Oder gibt es sie nach vor, aber sie bestehen aus anderen Tätigkeiten?

Das ist die Millionen-Dollar-Frage. In gewisser Weise haben wir als Gesellschaft die Aufgabe, zu entscheiden, wie wir Arbeit in Zukunft gestalten wollen. Aber wir sprechen jetzt schon über die langfristigen Folgen.

Sollten wir uns Gespräch lieber bei den kurzfristigen beginnen?

Sagen wir, es ist weniger spekulativ und leichter, darüber zu sprechen. Im Moment sehe ich das größte Risiko darin, dass Menschen die Vorteile in der Produktivitätsentwicklung, die KI ihnen bietet, nicht genügend in Anspruch nehmen. Und ich erlebe einen Unterschied zwischen Österreich und den USA. In Österreich sind die Menschen viel skeptischer. Die Entwicklung der KI geschieht aber sehr schnell. Wenn wir diese Mittel nicht für unsere Zwecke einsetzen, riskieren wir, abgehängt zu werden. Wir verpassen die Chance, die Wirtschaft mit Hilfe von KI-Tools produktiver zu machen.

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 © beigestellt

In Österreich sind die Menschen viel skeptischer. Die Entwicklung der KI geschieht aber sehr schnell. Wenn wir diese Mittel nicht für unsere Zwecke einsetzen, riskieren wir, abgehängt zu werden. Wir verpassen die Chance, die Wirtschaft mit Hilfe von KI-Tools produktiver zu machen.

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

Warum ist das ein Problem?

Die Schere zwischen Menschen, Organisationen und Ländern, die KI nutzen, und jenen, die es nicht tun, wird sehr schnell immer größer. Wer nicht mitmacht, fällt zurück. Was bedeutet das praktisch? Unsere Wirtschaft stagniert, während andere Volkswirtschaften sich weiterentwickeln und dabei die Energie- und Rohstoffpreise nach oben treiben. Sie werden sich das gut leisten können, unsere stagnierende Wirtschaft nicht. Das heißt, wir werden vermutlich verlieren und schlechter dastehen.

Wenn Sie sagen, dass diese Entwicklungen schnell geschehen, was meinen Sie damit? Wie schnell ist schnell?

Ich beschäftige mich viel mit diesen Dingen, und sogar ich bin verblüfft, wie schnell sich die Werkzeuge verbessert haben. Die KI kann inzwischen per Knopfdruck ein Problem lösen, mit dem sich meine Doktorandinnen und Doktoranden normalerweise einen Tag lang beschäftigen. Von Freunden im Silicon Valley höre ich, dass künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre auf allen Ebenen übertreffen könnte.

Das wäre dann die gefürchtete AGI, also "Artificial General Intelligence“?

Genau. AGI oder KI auf menschlichem Niveau. Manche sagen auch einfach „transformative KI“. Der Begriff ist nicht klar definiert. Bedeutet er, KI ist in allem besser als ein durchschnittlicher Mensch? Oder bedeutet er, sie ist in allem besser als jeder einzelne Mensch? Wahrscheinlich ist das auch gar nicht so wichtig. Für jeden von uns kommt es darauf an, wann KI unseren jeweiligen Job sehr gut machen kann. Und für die Gesamtwirtschaft kommt der große Durchbruch, wenn künstliche Intelligenz alle wirtschaftlich bedeutsamen Aufgaben ausführen kann, die derzeit noch menschliche Arbeitskraft erfordern.

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 © Getty Images

Von Freunden im Silicon Valley höre ich, dass künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre auf allen Ebenen übertreffen könnte.

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?

Zunächst ist es extrem ungewiss, wann es passieren wird, und es ist auch ungewiss, was es genau bedeutet. Ich wage zu behaupten, dass Veränderungen nicht über Nacht eintreten, nachdem Sam Altman oder Elon Musk via Twitter bekanntgegeben haben, dass AGI erreicht wurde. Es wird eine Weile dauern, bis das ankommt.

Aber nicht sehr lange vermutlich?

In wettbewerbsorientierten Bereichen kann es sehr schnell gehen, zum Beispiel im Banking oder im Consulting. Bei allen Jobs wird es zunächst um die Frage des Vertrauens gehen. Können wir KI vertrauen? Ist sie wirklich so gut, wie alle sagen? In bestimmten Bereichen wird es länger dauern, bis die Gesellschaft dieses Vertrauen aufgebaut hat. Dann gibt es Bereiche, die durch Regulierung oder Kollektivverträge geschützt sind. Und es gibt Arbeiten, bei denen Menschen nur andere Menschen wollen. Einen Roboter einen Marathon laufen zu sehen, ist wahrscheinlich nicht sehr beeindruckend. Unsicher bin ich bei Jobs, in denen die menschliche Verbindung ein wichtiger Faktor ist.

Im Bildungsbereich zum Beispiel?

Ja, oder im Gesundheitsbereich. Wenn wir beide hier sitzen und dieses Interview führen, ist die Verbindung zwischen uns ein wichtiger Teil davon. Wir tauschen Erfahrungen aus, sprechen darüber, was KI für unsere jeweiligen Jobs bedeutet, etc. Eine KI würde das nicht auf dieselbe Art fühlen, ist aber sehr gut darin, emotionales Verhalten zu simulieren.

Bei allen Jobs wird es zunächst um die Frage des Vertrauens gehen. Können wir KI vertrauen?

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

KI könnte als zum Beispiel auch ein guter Lehrer sein?

Ich denke, schon. Eltern werden sich früher oder später damit auseinandersetzen müssen. Wenn KI das angemessene Einfühlungsvermögen wirklich gut simulieren und gesunde, resiliente Kinder heranziehen kann, warum nicht?

Würde die Gesellschaft akzeptieren, dass Roboter mit menschlichen Gesichtern unsere Kinder ausbilden?

Das ist die Frage. Ich bin mir sicher, dass einige Menschen neugierig genug sind, um es auszuprobieren. Irgendwann werden die Systeme dann wahrscheinlich in der Lage sein, eine bessere Bildungserfahrung zu vermitteln als wir Menschen. Wenn das einmal öffentlich bekannt wird, stellt sich die Frage, wo wir unsere Kinder hinschicken. Und auch, wie viel Geld wir auszugeben bereit sind. Geben wir mehr Geld aus, nur damit dort ein Mensch steht?

Der große Elefant im Raum ist doch die Frage, was dann aus uns Menschen wird.

Das ist an diesem Punkt noch ein Gedankenexperiment, aber eines, das sehr demütig macht. Ich bin Optimist. Wenn es uns gelingt, die Dinge in die richtige Richtung zu steuern, könnten wir in einer Welt der menschenähnlichen oder übermenschlichen KI viel glücklicher sein, als wird es heute sind. Aber es gibt natürlich auch enorme Risiken.

Wenn es uns gelingt, die Dinge in die richtige Richtung zu steuern, könnten wir in einer Welt der menschenähnlichen oder übermenschlichen KI viel glücklicher sein, als wird es heute sind. Aber es gibt natürlich auch enorme Risiken.

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

Welche?

Die Risiken, die KI-Systeme derzeit darstellen, verstehen wir ganz gut. System­immanente Verzerrungen, also „Bias“, die sogenannten Halluzinationen, damit können wir verantwortungsvoll umgehen. Aber je fähiger die Systeme werden, desto größer werden auch die Gefahren. Ein hochkompetentes System – und hohe Intelligenz macht hochkompetent – kann jedes Ziel, das ihm gesetzt wird, in unvorstellbar effektiver Weise erreichen. Wenn wir Menschen versuchen werden, diese Systeme zu kontrollieren, ist das so, als würde ein Kindergartenkind versuchen, einen Erwachsenen zu kontrollieren, obwohl es eigentlich überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie die Welt der Erwachsenen funktioniert. Die Gefahr besteht, dass wir auf diese Art die Kontrolle verlieren.

Innerhalb der nächsten drei Jahre?

Im Worst-Case-Szenario. Wenn die Entwicklung sehr schnell geht und die Erfinder dieser Systeme nicht die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen einbauen. Aber selbst wenn wir annehmen, es geht nicht ganz so schnell und es wird eine „gute“ KI entwickelt, die nur tut, was im Interesse der Menschen ist, bleiben die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt enorm. Sobald wir AGI haben, kann per Definition jeder Job, der virtuell erledigt werden kann, von KI gemacht werden. Bei Jobs, die auch auf physischer Interaktion – also manueller Arbeit – beruhen, werden noch ein, zwei Jahre länger Menschen benötigen werden. Dann ist die Robotik aber wahrscheinlich auch soweit.

Dann ist kein Job mehr sicher?

Ja, ich würde sagen, kein Job ist zu hundert Prozent sicher. Aber ich würde die Frage umdrehen: Wenn Maschinen alle Jobs machen können, was sollten wir Menschen dann sinnvollerweise tun? Möchte ich wirklich, dass sich meine Kinder mit Jobs abrackern, wie wir es heute machen, wenn ich weiß, dass der ökonomische Wert dessen, was sie produzieren, vernachlässigbar ist? Das fühlt sich irgendwie falsch an. Der Arbeitsmarkt erfüllt drei verschiedene Zwecke für unsere Gesellschaft. Wir brauchen menschliche Arbeit, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten. Das fällt weg, wenn die KI soweit ist. Punkt zwei: Wir brauchen Jobs, um uns finanziell zu erhalten. Das wird immer schwieriger werden. Und drittens: Unsere Kultur sagt uns, dass unsere Jobs uns Sinn vermitteln. Vielleicht müssen wir diesen letzten Punkt überdenken. Wenn menschliche Arbeit nicht mehr notwendig ist, damit die Wirtschaft läuft, und immer weniger wertvoll wird, dann sollten wir einen Weg finden, die Gewinne der durch KI rasant wachsenden Wirtschaft an alle zu verteilen. Damit weiterhin alle ein Einkommen haben.

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Kein Job ist zu hundert Prozent sicher. Aber ich würde die Frage umdrehen: Wenn Maschinen alle Jobs machen können, was sollten wir Menschen dann sinnvollerweise tun?

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

Kann das auch in Europa funktionieren, wenn alle großen Techkonzerne in den USA sitzen?

Das Schöne ist ja, dass der Ort, wo die KI entwickelt wird, nicht notwendigerweise der ist, an dem dann der größte ökonomische Nutzen entsteht. Im Moment funktioniert unsere Wirtschaft so, dass zwei Drittel der Wertschöpfung auf Arbeit entfallen, ein Drittel auf das Kapital. Mit AGI würde sich das wahrscheinlich ändern und mehr Richtung Kapital gehen, aber wir haben in Europa einen existierenden Kapitalstock, und wir haben viele Unternehmen. Solange sie im globalen Wettbewerb nicht zu weit zurückfallen, wie wir es gerade in der Autoindustrie sehen, müssen sie nicht an der vordersten Front technologischer Entwicklung stehen, um davon profitieren zu können.

Wird genug Geld vorhanden sein, um allen Menschen ein Grundeinkommen zur Verfügung zu stellen?

Ökonomisch wäre es möglich. Die große Frage ist, ob wir es politisch hinbekommen. Wenn wir jetzt zum Beispiel sagen, wir stoppen jeglichen Einsatz von KI in Europa, dann wird es nicht funktionieren. Europa würde global zurückfallen, während wir weiterhin unsere Jobs ­haben, und in den USA schon längst ­Maschinen die Arbeit machen.

Eine Grundüberzeugung in unserer Gesellschaft lautet: Streng dich an, schau, dass du einen guten Job bekommst, dann kannst du dir etwas aufbauen. Dieses Versprechen gilt nicht mehr?

Vor 250 Jahren hat man sich für seine Kinder gewünscht, dass sie möglichst stark sind, damit sie besser arbeiten und kämpfen können. In den letzten 50 Jahren haben wir gesagt, stark ist nicht so wichtig, aber wenn ihr schlau seid, wird es euch gut gehen. Das wird sicher ein Ende haben. Das Ziel, dass man sich wünscht, dass seine Kinder ein glückliches Leben führen, bleibt gleich. Aber die Wege dorthin ändern sich.

Im Moment funktioniert unsere Wirtschaft so, dass zwei Drittel der Wertschöpfung auf Arbeit entfallen, ein Drittel auf das Kapital. Mit AGI würde sich das wahrscheinlich ändern

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

Wie könnten diese Wege in Zukunft ausschauen?

Meine Frau und ich haben entschlossen, dass es nicht sinnvoll ist, unsere Kinder akademisch zu drillen. Wir wünschen uns eher, dass sie ihr Potenzial entwickeln. Dass sie gute Bürger sind, dass sie die Welt verstehen und ihren Interessen nachgehen. Aber wir glauben nicht, dass ihre Arbeitskraft in Zukunft besonders wertvoll sein wird, egal, welche Richtung sie einschlagen.

Sie müssen einen anderen Weg finden, um sich selbst zu definieren?

Ich glaube, um glückliche Menschen zu werden, sollten sie ganzheitliche und angesichts all dieser Veränderungen auch resiliente Persönlichkeiten entwickeln. Das ist das Beste, was wir ihnen momentan mit auf den Weg geben können.

Das sind große Veränderungen.

Oh ja. Und ich finde es verblüffend, dass die meisten Menschen inzwischen zwar verstanden haben, wie schnell sich KI entwickelt, ihnen aber nicht klar ist, ­wohin die Reise eigentlich geht.

Meine optimistische Vision für die Welt in 20 Jahren ist, dass Maschinen die ganze Arbeit machen, und zwar so gut, wie wir es uns heute gar nicht vorstellen können.

Anton KorinekForscher und Universitätsprofessor

Im politischen Diskurs in Österreich spielen die Umbrüche, die wir gerade diskutiert haben, keine Rolle. Was könnten Politiker in einem kleinen Land wie Österreich tun?

Sinnvoll wäre es, Bewusstsein zu schaffen und die gesamte Bevölkerung, vor allem aber junge Leute dazu zu ermutigen, sich mit KI auseinanderzusetzen. Obwohl mir klar ist, dass das nicht einfach ist. Was konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen betrifft, hat Österreich gegenüber stärker kapitalistisch geprägten Gesellschaften wie den USA den Vorteil, dass es besser funktionierende Sozialsysteme gibt. Wir sollten anfangen, darüber nachzudenken, wie dieses ­Systeme funktionieren könnten, wenn Arbeit an Wert verliert, während die Wirtschaft gleichzeitig schnell zu wachsen beginnt.

Sie haben gesagt, Sie sind Optimist. Trotzdem hängt über unserem Gespräch eine ziemlich dystopische Stimmung. Können Sie noch einen wirklich positiven Ausblick geben?

Meine optimistische Vision für die Welt in 20 Jahren ist, dass Maschinen die ganze Arbeit machen, und zwar so gut, wie wir es uns heute gar nicht vorstellen können. Sie haben alle Krankheiten geheilt, sie haben das Altern gestoppt und teilen gerade genug mit uns, damit wir ein glücklicheres und erfüllteres Leben führen können als heute, ohne Notwendigkeit, zu arbeiten. Als ich jünger war, habe immer davon geträumt, mich im Alter irgendwann glücklich und einigermaßen gesund zur Ruhe setzen zu können. Das ist immer noch meine Hoffnung. Es wird nur viel früher passieren, als ich dachte.

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