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Salzburgs vergessener Mafiaskandal

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9 min
©Bild: GettyImages/1951/Daily News, L.P. (New York)
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Ein Salzburger als Skilehrer in den USA. Eine luxusverwöhnte Schönheit. Zwei mysteriöse Selbstmorde. Virginia Hill und Hans Hauser machten die Mozartstadt in den 60er-Jahren bei der Mafia bekannt

Dem Anruf auf der Zistelalm folgte hektisches Treiben. Koffer wurden gepackt, Habseligkeiten zusammengerafft. Ein Versteck musste her. Und zwar rasch. Der Kalender zeigte das Jahr 1964, und im Hotel Österreichischer Hof in der Stadt Salzburg war ein auffälliger Amerikaner abgestiegen. Er hatte sich nach der Alm am Gaisberg, dem Hausberg der Mozartstadt, erkundigt. Der Hotelportier warnte die Familie Hauser auf der Zistelalm sofort mit einem Anruf. Man wusste in ganz Salzburg über das Vorleben der glamourösen neuen Schwiegertochter auf der Zistelalm Bescheid. In ihrer amerikanischen Heimat war Virgina Hill Hauser für ausgezeichnete Kontakte zur Mafia berühmt-berüchtigt gewesen.

Kaum zwei Jahre später, im März 1966, wurde sie tot im Wald am Alterbach aufgefunden. Acht Jahre später wurde ihr Salzburger Gatte Hans Hauser, Skiweltmeister der 30er-Jahre, erhängt in Salzburg aufgefunden. In beiden Fällen wurde Selbstmord als Todesursache angeführt. Ob es nicht doch ein Rachemord der Mafia war, beherrschte damals wochenlang die Schlagzeilen der deutschsprachigen Medien. 1995 starb der Sohn von Virgina und Hans Hauser, Peter Jackson Hauser, bei einem Autounfall in der Nähe des französischen Toulouse unter bislang ungeklärten Umständen. Ein Unfall?

Gelassenheit auf der Zistelalm

"Hin und wieder erkundigen sich Besucher nach dieser Geschichte", erzählt Michael Hauser im News-Gespräch über den in Vergessenheit geratenen Skandal der 60er-Jahre. Der heutige Chef des renommierten Ausflugsziels hoch über Salzburg ist auf der Zistelalm aufgewachsen. Die Gastwirtschaft samt Bauernhof gehörte einst seinem Opa Max, Hans Hausers Bruder. . Obwohl der Opa hautnah am Geschehen war, hat Michael Hauser das familieninterne Gangsterepos nie als großes Thema erlebt. "Ich war gerade erst geboren, als Virgina gestorben ist, und neun Jahre alt, als Hans starb. Das habe ich alles nur am Rande mitbekommen. Es gibt auch Zweige der Familie, die mit der Geschichtenichts zu tun haben wollen. Aber natürlich ist es ein Mythos, und der ist mit der Zistelalm verbandelt", sagt Hauser. Der Großneffe von Hans Hauser geht heute gelassen mit dem einstigen Skandal um. "Die Geschichte lebt davon, dass jeder seine Meinung dazu hat. Vor allem die älteren Generation kennt alle Spekulationen. Gangster, Mafia und das im Salzburg der 60er Jahre! Was ist damals wirklich passiert? War es Mord? War es Selbstmord? Eine spannende Geschichte."

Versteck in den Bergen

Fünf Jahrzehnte, nachdem Virginia Hill Hauser die Mafia nach Salzburg gebracht hat, ergründet der Berlinale preisgekrönte Filmemacher Adrian Goiginger ("Die beste aller Welten") das Drama in seiner Dokumentation "Virginia - Das ungelöste Rätsel der Salzburger Mafiabraut" (Servus TV, 6.9., 20.15 Uhr). "Die vielen offenen Fragen sind für mich das Salz einer Dokumentation. Dazu kommt, dass beide Protagonisten fast überlebensgroße Figuren sind, die unfassbar viel erlebt haben. Und es ist eine spannende Liebesgeschichte", beschreibt Goiginger die Faszination des Stoffes.

Weggefährten und Zeitzeugen des außergewöhnlichen Ehepaares Hill Hauser wie Fernsehlegende Sepp Forcher, Zistelalm-Chef Michael Hauser oder Autor Peter Blaikner, der aus dem Mythos ein Theaterstück gemacht hat, erinnern sich. Auch zwei Frauen, die Virginia Hill im Alpengasthof Heutal nahe ihres Verstecks im Heutal bei Unken auf den Tischen tanzend erlebt haben. In einer kleinen Hütte der Familie Hauser am Fuß des Sonntagshorns fand Hill zwei Jahre lang Unterschlupf, nachdem die Mafia sich im Hotel Österreichischer Hof nach ihr erkundigt hatte.

Den beiden Frauen im Alpengasthof war sofort klar gewesen, dass es so eine wie Virginia Hill hier nie zuvor gegeben hatte. So erzählen sie über den Moment, als das amerikanischen Luxusgeschöpf zum Feiern in die nahegelegene Gastwirtschaft kam und deutlich machte, dass sie als Ex Geliebte von Mafia Schwergewicht Bugsy Siegel kaum Tabus kannte.

Bugys Siegels Geliebte

In der Zeit der Prohibition war Virginia Hill durch den Finanzchef der Mafia in Chicago, Nat Coiner, mit den höchsten Vertretern des Verbrechersyndikats bekannt gemacht worden. Sie war schön, klug und kannte keine Tabus, um sich ein Leben im Luxus leisten zu können. Grenzüberschreitender Rauschgifthandel soll ihr Hauptgeschäft gewesen sein. Namhafte Mafiabosse wie Al Capone, die Fischetti Brüder, Lucky Luciano und Frank Costello verehrten und verwöhnte sie, wie Peter Blaikner beschreibt. Ihr Spitzname war "Flamingo".

Als sie später die Geliebte von Benjamin "Bugsy" Siegel wurde, sollte dieser sein legendäres Casino nach ihrem benennen. Der Film "Bugsy" - darin ist Annette Bening als Virgina Hill zu sehen - erzählt davon.

Es war nach Bugys Siegels Ermordung, als Hill 1950 auf Erholungsurlaub ins Skiressort Sun Valley in Idaho fuhr. Der Salzburger Skistar Hans Hauser war bereits 1936 als Schilehrer dorthin ausgewandert. Hill nahm Skiunterricht, das Schicksal seinen Lauf. Noch im selben Jahr kam der Sohn der beiden, Peter Jackson Hauser zur Welt. Das alte Leben hinter sich zu lassen, war für Hill dennoch kaum möglich. 1951wurde sie als Zeugin in einer Untersuchung des organisierten Verbrechens geladen. Sie bestritt, irgend etwas zu wissen, und rechtfertigte die hohen Summen, die sie von den Mafiosi erhalten hatte, mit der legendären Aussage: "I am the goddam best lay in the country!" ("Ich bin die gottverdammt beste Matratze im Land!").

Als die Steuerfahndung so auf sie aufmerksam wurde und ein Ausweisungsbefehl gegen Hans Hauser erlassen wurde, verließ die Familie die USA Richtung Salzburg. Das Luxusgeschöpf Hill fand an der rauen Bergwelt kaum Gefallen. Als die Mafia ihre Zahlungen einstellte, wurde das Leben gar arg. Die Legende will es, dass Hill den ehemaligen Freunden kurz vor ihrem Tod deshalb mit der Veröffentlichung ihrer Tagebücher gedroht haben soll. Auch ihr Mann Hans Hauser hatte angeblich wegen aufgefundener Tagebücher Kontakt zu Virginias Mafia Kumpels, bevor er starb.

"Der Hans ist eine tragische Figur und hat bestimmt viel mitgemacht. Immer wieder ist er allein mit dem Bub gestanden, weil seine Frau ihn zurückgelassen hat", sagt Michael Hauser über den Großonkel. Auf der Zistelalm erinnern Fotos eher an seine Zeit als Skiheld. Sein Sohn Peter wurde nur 44 Jahre alt. Er machte als Soldat für die USA in Vietnam Karriere, wo er mit einem Hubschrauber abgeschossen wurde. Er desertierte in Heidelberg, wurde in Italien gefasst und verunglückte 1995 auf mysteriöse Art auf der französischen Autobahn. Aber das ist eine andere Geschichte.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News-Ausgabe Nr 35/20

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