Der Wettergott meint es gut mit uns. Rechtzeitig vor jenen beiden Ereignissen, die in diesem Land immer noch vieles in den Schatten stellen -also das Hahnenkammrennen und die Semesterferien -ist er da, der Schnee. Endlich. Wenn also das Skifahren bis jetzt auf vielerorts weißen Kunstschneestreifen inmitten grün-brauner Berghänge "hervorragend gegangen ist"(Zitat Seilbahnchef Franz Hörl), dann ist das Skifahren mit Schnee ab sofort "super hervorragend". Super praktisch ist es daher auch, dass die anstehenden Semesterferien (nach vier Wochen Schule) gleich auf drei Termine aufgeteilt sind. Damit auch wirklich jede Familie zum Zug, pardon Skifahren, kommt. Kein weiteres Mal im heimischen Ferienkalender wird die Planung so ausgeklügelt vollzogen. Das sagt viel über die Prioritätensetzung in diesem Land aus. Mit dem Schnee kommen kühlere Luftmassen. Das ist gut. Denn Abkühlung tut uns allen in der aufgeheizten Stimmung der ersten Jännertage gut: Klebe-Chaos! Millionenstadt lahmgelegt! Gefährdung des öffentlichen Wohls! Klimaterroristen! Die Aktivisten, die für eine Woche und ein paar Minuten jeweils eine Straße in Wien für ihren Protest blockiert haben, haben nicht nur die Erregungskurve bei Autofahrern, Politikern und Medien in lichte Höhen getrieben, sondern auch den Blick verstellt. Zwecks Neuauslotung sei also erwähnt: Die Millionenstadt Wien hat 6.930 Straßen und 2.800 Kilometer Straßennetz. Für ein Chaos braucht es wohl eher mehr als eine blockierte Straße. Manchmal reicht (wie in dieser Woche) ein einzelner, zu hoch beladenener Lkw, der mit einer Brücke kollidiert und damit einen mehrstündigen Stau im morgendlichen Berufsverkehr auslöst. Und jetzt? Höhere Strafen für unvorsichtige Lastwagenfahrer? Fahrverbot für Lkw im Morgenverkehr? Mitnichten.
Viel Zeit für das Abkühlen der Gemüter bleibt nicht. Der nächste Klimaklebeprotest ist schon avisiert. Wir sollten versuchen, ihm diesmal mit einem Hauch von Realitätssinn, den Blick auf die Verhältnismäßigkeiten und mit einer Abrüstung der Worte zu begegnen. Auch dann, wenn man glaubt, dass diese Art des Protests dem Anliegen mehr schadet als nützt. Auch dann, wenn man weder Anliegen noch Vorgehen teilt und es überhaupt gerne hätte, dass der Protest der anderen mit Rücksicht auf die eigene Komfortzone (oder eben das schnelle Vorankommen im Straßenverkehr) passiert.
Auch der Blick nach vorn würde nicht schaden, statt mit Rufen etwa nach härteren Strafen als Pauschallösung die Debatte zu vergiften. Erst recht von jenen, die das Große und Ganze im Blick und Lösungen im Angebot haben sollten. Eben jene, die sich zu all dem bekannt haben, was jetzt u. a. von den Protestierenden eingefordert wird. Aber für Lösungen wird auch im Februar keine Zeit sein. Wohlwissend, dass es in Sachen Klimapolitik längst nicht mehr um ein bisschen Verzicht, sondern um einschneidende Reformen geht. Wohlwissend, dass die Antwort, nichts zu entscheiden, langfristig nicht zur Auswahl steht und für Bequemlichkeit im Denken und Handeln keine Zeit mehr ist. Und dann? Was rufen wir dann?
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