Der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler muss sich neu positionieren. Nicht nur die Regierungsverhandlungen zwingen ihn dazu. Es ist auch Druck aus den eigenen Reihen
ANALYSE DER WOCHE
Anton Lang, steirischer Landeshauptmannstellvertreter und sozialdemokratischer Spitzenkandidat bei der Landtagswahl, kann zufrieden sein: In den vergangenen Monaten stellte er immer wieder fest, dass ihm Andreas Babler, der Bundesparteivorsitzende, zu weit links stehe. Es sei nötig, „ein bissel“ mehr in die Mitte zu rücken, meinte er. Jetzt ist Babler dabei, das zu tun. Forderungen wie jene nach einer Absage an ein Sparpaket oder die Einführung einer Millionärssteuer sind vergessen. Babler weiß, dass nur so eine Koalition mit ÖVP und Neos möglich ist, ja er beginnt sich anzupassen, spricht davon, dass es sich um ein Bündnis der Vernunft aus der Mitte der Gesellschaft handeln würde.
Der Mann steht unter Druck: Er muss die SPÖ auf Bundesebene zurück in die Regierung bringen. Das erwarten sich die Gewerkschafter sowie Genossinnen und Genossen, für die die 3. Nationalrats-präsidentin Doris Bures seine Vorstellungen schon vor der Nationalratswahl zerpflückt hat: Dass er auf Steuererhöhungen setze und gleichzeitig kostenlose staatliche Leistungen verspreche, lasse angesichts der schwierigen budgetären Lage „den Verdacht der Unernsthaftigkeit“ entstehen, meinte sie. Das saß.
Auch Anton Lang aus der Steiermark hat wie erwähnt auf eine Kurskorrektur gedrängt. Schafft er in dem großen Industrieland, das als solches besonders relevant ist für die Sozialdemokratie, an diesem Sonntag ein passables Wahlergebnis, kann er sich bestätigt fühlen. Setzt es eine Niederlage, wird es für ihn und diejenigen kritisch, die bei einer widrigen Großwetterlage als Nächste Wahlen zu schlagen haben: Hans Peter Doskozil im Jänner im Burgenland und Michael Ludwig im Herbst 2025 in Wien. Auch sie mögen bei allen Unterschieden eines gar nicht: Eine SPÖ, die klar links ist. Sprich: Dort ist für Babler dann erst recht kein Platz mehr.
FAKTUM DER WOCHE
Was Freiheitliche in der Steiermark stärker macht
Die Partei hat gute Chancen, bei der Landtagswahl Nummer eins zu werden. Das hat mit der Stimmungslage in ländlichen Regionen zu tun.
Die Affäre um mutmaßlich veruntreute Gelder bei der Grazer Stadtpartei scheint den Freiheitlichen in der Steiermark genauso wenig zu schaden wie die Tatsache, dass Landesparteiobmann Mario Kunasek zu den Funktionären zählt, die hier als Beschuldigte geführt werden. Bei der Landtagswahl an diesem Sonntag könnte die FPÖ auf Platz eins landen. Und wenn der Landeshauptmann direkt gewählt werden würde, dürfte sich Kunasek Hoffnungen machen, sich gegen Amtsinhaber Christopher Drexler (ÖVP) durchzusetzen. Bei einer Umfrage hat er vor wenigen Tagen 23 Prozent erreicht und damit um einen Prozentpunkt mehr als dieser.
Wie ist das möglich? Die FPÖ und Kunasek profitieren nicht nur von Schwächen ihrer Mitbewerber. Es geht um mehr: Wie schon bei der Europawahl im Juni haben die Blauen in der Steiermark auch bei der Nationalratswahl im September die ÖVP und die SPÖ hinter sich gelassen. Wobei ein Vergleich mit 1999, als sie ebenfalls recht stark waren, zeigt, dass sie nun in Graz, wo gut ein Fünftel der Wahlberechtigten zu Hause sind, viel schlechter, in den insgesamt bevölkerungsreicheren ländlichen Bezirken jedoch wesentlich besser abschnitten. In Voitsberg, Deutschlandsberg und Leibnitz kamen sie auf fast 40 Prozent. In Graz auf knapp 20.
Das entspricht einem bundesweiten Trend. Die FPÖ räumt vor allem auf dem Land ab. Erhebungen zeigen, dass all die Krisen der Zeit die Stimmungslage dort ganz besonders trüben: Die Leute dort sehen eher Entwicklungen in die falsche Richtung und befürchten, dass es mit dem Wohlstand bergab geht. Vor allem auf Arbeiter trifft das zu, bei denen Freiheitliche grundsätzlich und derzeit mehr denn je ankommen – allein schon aufgrund des Verständnisses für sie und ihre Sorgen, das ihnen Leute wie der gelernte Kfz-Mechaniker Mario Kunasek vermitteln und Affären vergessen lässt.