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Die Schweizer Sportmarke On schafft den Spagat zwischen Spitzensport und Lifestyle

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Die Schweizer Sportmarke On schafft den Spagat zwischen Spitzensport und Lifestyle. Jetzt hat man eine neue Technologie für die Laufschuhproduktion entwickelt.

Der Ort, an dem die Träume wohnen, liegt hinter einer unscheinbaren Tür mit Milchglasscheiben. "Dreamworld" werden die Räumlichkeiten in einer gesichtslosen Blockverbauung im Stadtteil Industriequartier in Zürich unternehmensintern genannt. Es ist die Entwicklungsabteilung der Schweizer Sportschuhmarke On. Hier hat ein in den vergangenen fünf Jahren stetig wachsendes und am Ende 30-köpfiges Team an einer völlig neuartigen Produktionsmethode für Laufschuhe getüftelt.

Dafür steht in der "Traumwelt" auch eine Laufbahn zu Verfügung, in deren Boden Drucksensoren und Kraftmessplatten verbaut sind. Sie messen Bodenkontaktzeiten und Schrittweite. 3-D-Kameras zeichnen jede Bewegung, jede Körperachsenverschiebung und alle Materialverformungen auf, um optimale Dämpfungs-, Abdruck- und Stabilitätsparameter zu generieren. Die Daten fließen direkt in die Produktion ein.

Produktion in Bestzeit

"Wir haben aufgehört, die Prototypen zu zählen", lacht Johannes Voelchert, ein aus München stammender Industrial Designer und Modellbautechniker, der Mastermind dieser neuen Technologie ist: "LightSpray" nennt sich diese, welche im Rahmen der Olympischen Spiele in Paris offiziell präsentiert wurde. Der Clou: Auf das Sohlenelement wird mittels automatisiertem Fertigungsprozess ein Obermaterial aufgesprüht (siehe Infobox). Diese Methode bringt neben einem neuen Look und einem ressourcenschonenden Materialeinsatz (sieben statt 34 Einzelteile, 75 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen) vor allem eine neue Bestzeit in der Produktion: Gerade einmal drei Minuten braucht es, bis ein Schuh einsatzbereit gefertigt ist. Und das nicht in Asien, sondern wo immer man die ca. zwei mal vier Meter große Box mit den Roboterarmen hinstellt. Klingt nach Revolution, doch Nils Altrogge, Head of Innovation, Technology and Research bei On, spricht lieber von einem "Diamanten", den man jetzt in Sachen Anwendungsoptionen schleifen müsse. Für Straßenlaufschuhe hat man den richtigen Schliff schon gefunden, hinter den Kulissen wird aber auch an der Tauglichkeit für andere Sportarten beziehungsweise Kleidungsstücke experimentiert.

Diese Innovation soll ein weiteres Kapitel in der vergleichsweise jungen, aber schon ansehnlichen Erfolgsgeschichte von On schreiben. 2010 gegründet, sorgt das Schweizer Start-up schnell für Aufsehen und wirbelt eine Branche auf, die seit Längerem nicht nur von wenigen Big Playern wie Nike, Adidas und Asics dominiert wird, sondern in der es längst auch ein Überangebot an Marken und Modellen gibt. On füllte also eine objektiv nicht vorhandene Lücke. Subjektiv sahen Caspar Coppetti, David Allemann und Olivier Bernhard allerdings Marktpotenzial. Was dem Gründer-Trio von On fehlte? "Schuhe, die den Aufprall weich abfedern, aber trotzdem einen explosiven Abdruck ermöglichen", beschreibt Bernhard, damals noch aktiver Profitriathlet, die Urvision. Bequemer oder schneller Schuh? Dieses vermeintliche Gegensatzpaar wollten der Extremsportler, der Unternehmensberater (Coppetti) und der Marketingspezialist (Allemann) auflösen: "Wir wollten beides haben."

Wie auf Wolken

Der Rest gehört zum gerne erzählten Gründungsmythos der wohl am stärksten wachsenden Laufschuhmarke der Welt: Für den Prototyp wurden nach der Idee eines ETH-Ingenieurs Teile eines halbierten Gartenschlauchs auf die Sohle geklebt. Mit diesen "Clouds" (Wolken) genannten segmentierten Dämpfungskammern in der Mittelsohle, die Komfort, Halt und Effizienz liefern, sollte das Laufgefühl revolutioniert werden. Klang verrückt. Und war es aus Sicht großer Marken, mit denen die Gründer Kontakt aufnahmen, auch. "Die haben alle abgewunken und gemeint, das könne ja nicht funktionieren, sonst hätten wir es ja selbst auch schon gemacht", so Bernhard. Umgekehrt gab es für die Hohlraumtechnologie gleich einmal einen Newcomer-Award auf der größten Sportartikelmesse der Welt. Das zog Interessenten an. On musste binnen eines halben Jahres eine Produktion auf die Beine stellen.

Parallel konservierte sich anfangs im Sporthandel aber eine gewisse Grundskepsis. So rückte das Gründertrio immer wieder aus, um persönlich Überzeugungsarbeit zu leisten. Flunkern inklusive. "Teils habe ich bei Händlern in New York oder Hamburg angerufen und so getan, als sei ich gerade vor Ort und wolle mit ihnen eine Runde joggen. Wenn dann einer angebissen hat, buchte ich den nächsten Flieger und das billigste Hotel und reiste dorthin", erinnerte sich Coppetti in einem Interview. Potenzielle Händler meldeten sich. Coppetti ging mit ihnen laufen und brachte so die Schuhe aus der Schweiz in die Regale der Sportgeschäfte. Die Nachfrage wuchs schnell. Die Saat für einen bis heute andauernden Erfolgsdauerlauf war gelegt.

Wachstumsmarkt Asien

Seit 2021 ist das Unternehmen an der New Yorker Technologiebörse NYSE gelistet. Die Wahl für die USA fiel bewusst – einerseits, um sich direkt mit den größten Konkurrenten zu matchen, andererseits als Marketingboost, um am wichtigsten Absatzmarkt weiter an Bekanntheit zu gewinnen. Die Strategie scheint aufzugehen. 2022 durchbrach On erstmals die Umsatzmilliarde, schaffte im Vorjahr 1,79 Milliarden Euro und peilt bis 2026 eine Steigerung auf 3,55 Milliarden Euro an. Stärkster Wachstumsmotor soll dabei Asien werden. Und das nicht allein als Sportartikel: Denn die Schuhe mit der optisch auffälligen Sohlendämpfung und dem ansonsten relativ neutral-puristischen Design brachen relativ schnell aus dem engen Gehege des performanceorientierten Sport aus und wurden zum hippen "It-Piece" auf den Bucketlists urbaner Lifestyle-Trendsetter. Menschen aller Berufsgruppen, Altersklassen und Gesellschaftsschichten entdeckten diese Modelle mit den "Wolkensohlen" schnell für sich.

Steile Laufbahn

Das Zweitleben in der sogenannten "Athleisure"-Mixzone als sportlich wirkendes Szene-, Alltags- und Freizeit-"Must Have" war gestartet und erwies sich als Schmiermittel für die unter Volldampf stehende Verkaufsmaschinerie. Laufschuhe mit den Clouds werden mittlerweile in 60 Ländern auf allen Kontinenten verkauft. Tatsächlich laufen gehen damit aber längst nicht mehr alle. Und auch ein von Co-Gründer Allemann noch vor sieben Jahren postuliertes Geschäftsmodell, wonach man nicht ständig neue Artikel auf den Markt bringen, sondern die Kollektion bewusst schlank halten werde, ist längst Makulatur. Die Palette an verschiedenen Modellen für Straßen-, Trail- und Bahnläufer ist bunt und sehr schnell sehr breit geworden. Dazu kommen Wanderschuhe und Freizeitsneaker sowie seit 2016 eine wachsende Auswahl an Laufkleidung.

Der Fokus liegt aber klar am eigentlichen Core-Segment – dem Spitzensport, beeilt man sich bei On anzumerken. Man versteht sich als Highperformance-Marke. So konnten bereits mehrere Europa- und Weltmeistertitel, unter anderem von kenianischen Trailläufern, geholt werden. Das stärkt das Standing der Marke in der Szene.

Nachdem wir uns ihn (Roger Federer, Anm.) nicht leisten konnten, haben wir uns gedacht, er soll sich uns leisten

Der bislang größte Marketingcoup gelang On 2018 aber abseits des Laufens mit dem Einstieg von Tennis-Legende Roger Federer. "Nachdem wir uns ihn nicht leisten konnten, haben wir uns gedacht, er soll sich uns leisten", scherzen die On-Gründer über die Beteiligung des Tennisidols als neuen Miteigentümer. Als "Einstandsgeschenk" wurden weiße Sneaker, die Federer mitentwickelt haben soll, unter seinem Namen aufgelegt.

Abgesehen von diesen zur Lifestyle-Uniform urbaner Jugend und Junggebliebener mutierten Schuhmodellen, hat es für On im konkreten Fall auch das Sortiment Richtung Tennis erweitert. Federer bringt Expertise und Kontakte in die Profiszene mit. So konnte im vergangenen Herbst mit der Polin Iga Swiatek eine absolute Topspielerin unter Vertrag genommen werden. Mit dem Amerikaner Ben Shelton hat man zudem eines der Gesichter der ATP-Zukunft im Team.

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Berühmte Fans: Tennis-Ass Roger Federer und Schauspielerin Zendaya sind begeisterte On-Testimonials

 © ON AG

Im Fadenkreuz

Bei derart viel Licht gibt es aber auch Schatten. So geriet On wegen der auf die Schuhe applizierten Schweizer Fahne ins Fadenkreuz von Swissness Enforcement, einem Verein, der vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum und der Schweizer Wirtschaft finanziert wird, und sich um den Markenschutz von in der Schweiz hergestellten Produkten kümmert.

Im Vorstand sitzen unter anderem Vertreter Schweizer Uhren- und Schokoladenindustrie sowie Victorinox (Schweizer Messer). Da On in Vietnam produzieren lässt, sei das Schweizer Kreuz am Schuh nicht erlaubt, moniert der Verein. Forschung, Entwicklung und das Produktdesign der Schuhe würden am Hauptsitz in Zürich stattfinden, argumentiert man bei On. Mit dem Hinweis "Swiss Engineering" weise man daher darauf hin, dass die Produkte Schweizer Innovation und Technologie enthalten. Aus dem Umstand, dass nicht hier produziert werde, habe man außerdem nie ein Geheimnis gemacht. "Die Tatsache, dass On die Schuhe hierzulande entwickelt, reicht nach Schweizer Recht aber nicht aus, um mit dem Schweizerkreuz werben zu dürfen", hält dem ein Swissness-Sprecher in der Tageszeitung "Blick" entgegen. Produkte mit Schweizer Kreuz oder Ähnlichem dürfen demnach nur verkauft werden, wenn 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Vorläufiges Fazit des lodernden Konflikts: Auf in der Schweiz verkauften Modellen fehlt das Symbol bereits, auf im Ausland vertriebenen Schuhen dagegen nicht.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 32/2024 erschienen.

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