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Jens liebt Schuhe

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Dr. Monika Wogrolly

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Jens geht zu einer Domina, die keinen Geschlechtsverkehr mit ihm habe, stattdessen spezielle Wünsche befriedige. Er sieht das als Ausgleich und findet seine sexuelle Erfüllung darin. Auf der anderen Seite halte es ihn von einer „echten Beziehung“ ab.

Ob das krankhaft sei, fragt Jens. Sei das noch normal, fragt er in der Sexualtherapie, wenn er beim Anblick einer Frau in Pumps sofort bildhaft vor sich sehe, ihr zu Füßen zu liegen. An sich ist das weder krank noch sündig. Sollte eine zu lange Pause entstehen, stellt sich bei Jens allerdings Folgendes ein: eine schmerzhafte innere Leere.

Was suchen Menschen, die einem Fetisch – im ursprünglichen Wortsinn: einem Zauberding – verfallen? Und so wie Jens zunehmend Sorge haben, dass es ihnen auf normale Art und Weise gar nicht mehr möglich sei, zu lieben. Ab wann ist ein Fetisch nicht mehr gesund?

Innere Gefangenschaft

Dann, wenn das Zauberding, sprich: der Fetisch, Sie verhext und Sie sich nicht mehr frei und selbstbestimmt fühlen. Wenn geschieht, was Jens beklagt: Dass eine zwischenmenschliche Beziehung in weite Ferne rückt und Sex in einer Partnerschaft gar nicht mehr möglich erscheint. Wenn große Ängste bestehen. Dann dies Dilemma am besten in einer Psychotherapie oder Sexualtherapie bearbeiten, um aus der inneren Gefangenschaft herauszukommen. Seine Fixierung auf „Dominas in Pumps“ erleichtert Jens auch um die Notwendigkeit einer Partnerschaft, um die er sich erst bemühen und womöglich auf den Fetisch verzichten müsste.

Paraphile Störungen entstehen oft als Spätfolge von Traumatisierungen. Sie greifen in aller Regel elementare Symbole der seelischen Erschütterung thematisch auf. So trug eine Lehrerin, die ihn ungerecht behandelt und vor der Klasse verbal gedemütigt hatte, in seiner Erinnerung Pumps. Er habe schon damals das Gefühl gehabt, von ihr zertreten zu werden. Im Nachklang ergab sich aus diesen und ähnlichen Erfahrungen des Heranwachsenden die spätere Fixierung auf einen Schuh-Fetisch, lässt sich vermuten.

Es kann sich dabei um einen unbewussten Lösungsversuch handeln: Einerseits vermeidet Jens mit dem Aufsuchen der Dame jegliche Verbindlichkeit einer normalen Paarbeziehung. Andererseits bewältigt er scheinbar durch eine Reinszenierung des Machtverhältnisses seine Kindheitsängste vor seelisch grausamen Personen wie der Lehrerin. Der Lösungsversuch greift in Wahrheit zu kurz. Anstatt sich von seinen Ängsten zu heilen, engt er mit seinem stereotypen Verhalten nur den Handlungsspielraum ein. Und stumpft zugleich ab für erotische Reize und Signale, die für den abgewehrten Wunsch nach Partnerschaft und Familie stehen.

Fazit:

In seiner Sexualtherapie gilt es, Jens die Sorge zu nehmen, es ohne Fetisch „nicht mehr hinzukriegen“. Dies geht nur, wenn er bereit ist, sich davon zu entwöhnen und den damit verbundenen Entzugs- oder Entbehrungsschmerz auf sich zu nehmen, wobei Pumps gelegentlich eine Neben-, nicht aber die Hauptrolle beim Sex spielen dürfen.

Jens muss daher alte Enttäuschungen nach dem unerwarteten Abbruch seiner bisher einzigen Partnerschaft verarbeiten. Und Mut, Antrieb und Frustrationstoleranz entwickeln, um sich wieder an die Liebe, die man nicht konsumiert, sondern lebt, heranzuwagen.

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