Der Regierung fällt zu den Streiks und Protesten, die das Land derzeit bewegen, wenig ein. Eine Rückkehr zur Kommunikation à la Kurz wird es nicht richten.
Es geht rund im Land. Zuerst der Bahnstreik, der allen aufgeregten Schlagzeilen zum Trotz ziemlich unaufgeregt über die Bühne ging - nur ein paar Journalisten und versprengte ausländische Reisende standen auf den Bahnhöfen herum und wunderten sich. Letztere darüber, dass die Züge nicht fuhren. Erstere darüber, dass das von ihnen vorhergesagte Chaos nicht eintrat. Ein Streik im Handel konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Hörsäle mehrerer österreichischer Universitäten sind von Studierenden besetzt, die gegen Mängel im Bildungssystem protestieren. Klimaaktivisten kleben sich alle paar Tage an einer Straße fest oder schütten Flüssigkeiten auf Gemälde.
Viele Menschen sind wütend. Aus guten Gründen. Die Inflation bedroht den Wohlstand, die Klimakrise die Zukunft des Planeten. Lange Zeit galt Österreich als Land, in dem sich die Mächtigen im Hinterzimmer alles ausmachen. Das funktioniert nicht mehr. Jetzt werden die Konflikte offen ausgetragen. So laut, so vielfältig und vehement war der Protest noch nie. Er zeigt, dass Dinge in Bewegung geraten sind. Die Abstiegsängste reichen bis weit in die Mittelschicht hinein. Die Rufe sind laut und deutlich, und es ist im Rahmen einer Demokratie völlig legitim, sie zu äußern: Wie soll es weitergehen? Wo führt das alles hin? Wer tut etwas dagegen und was genau? Es antwortet nur keiner.
Im selben Ausmaß, in dem die Proteste lauter werden, wird die Regierung leiser. Von Kanzler Nehammer, Vizekanzler Kogler oder den vierzehn anderen Personen, aus denen dieses Kabinett besteht, war in den letzten Wochen zu den großen, drängenden Fragen nicht viel zu hören. Wie sollen die Menschen in diesem Land die Teuerung stemmen? Warum geht im Klimaschutz viel zu wenig weiter? Wie gedenkt man, der Bildungsmisere zu begegnen? Keiner erwartet sich einfache Antworten auf schwierige Fragen. Aber Politik muss in schwierigen Zeiten zumindest ansprechbar sein. Sie sollte Führungskompetenz und Zuversicht vermitteln. Das tut diese Regierung nicht, auch wenn sie sachkundige Ministerinnen und Minister in ihren Reihen hat. Sie kann es gar nicht. Es ist zu viel passiert. Kein Schwung da, um alte Lasten abzuwerfen und neu anzusetzen.
Letzte Woche wurde bekannt, dass ausgerechnet ein enger Kurz-Vertrauter, gegen den die WKStA in Zusammenhang mit der Inseratenaffäre ermittelt, neuer Kommunikationsleiter der ÖVP wird. Die Grünen schreien pflichtbewusst auf und machen ansonsten weiter wie bisher. Mehr muss man nicht wissen über diese Regierung und im Übrigen auch nicht über dieses Land. Denn wer das gesunkene Vertrauen in die Politik ausschließlich den Regierungsparteien zuschreibt, macht es sich zu leicht. Nur mehr 38 Prozent der Österreicher vertrauen dem Parlament -in dem bekanntlich auch andere Parteien sitzen -"sehr" oder "ziemlich", hat der aktuelle Demokratie-Monitor des Sora-Instituts erhoben.
Was der schwarz-grünen Koalition jetzt sicher nicht hilft: eine Rückkehr zur Kommunikation à la Kurz, schnelle Schlagzeilen mit fragwürdigem Wahrheitsgehalt, populistische Phrasen, die gut klingen, aber wenig Substanz haben. Die Menschen wollen richtige Antworten. Je lauter die Proteste werden, desto lauter dröhnt das Schweigen der Regierung.
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