Ausgerechnet Donald Trump verweist durch Ablehnung eines weiteren TV-Duells mit Kamala Harris auf eine Schwachstelle des Medien-Wahlkampfs – auch in Österreich: Wenn bei den Fernsehshows etwas passiert, haben viele schon gewählt
Nach dem Kickl ist vor dem Trump. So ließe sich ein abgenutzter Spruch für die Schreckgespenster dieser Herbstwahlen abwandeln. Bloß 37 Tage liegen zwischen den Entscheidungen in Österreich und den USA. Die Informationen dazu sind gar nur einen Mausklick voneinander entfernt. Kaum hatte Herbert Kickl seinen Auftritt in der Elefantenrunde von Puls 4/ATV und Krone TV abgesagt (siehe ZAHL auf der gegenüberliegenden Seite), gab Donald Trump Kamala Harris, die zu einer zweiten Fernseh-Konfrontation bereit war, einen Korb. Der Ex- und Will-Wieder-Präsident verzichtet auf riesiges Publikum. Seine Debatten mit Joe Biden und Harris hatten 51 und 67 Millionen Zuschauer. Das unterscheidet ihn vom FPÖ-Chef, der sich dann im quotenstarken ORF dem Kanzler zum Duell stellte.
Kickl hat offenbar hinreichend Selbstbewusstsein, sich gegen Nehammer Punkte zu erwarten, doch es fehlt ihm die Souveränität, auf Rekordsehermassen zu verzichten. Paradox wirkt daran, dass absolute Top-Quoten für Politik noch jenem ORF vorbehalten sind, den die FPÖ zu einem „Grundfunk“ stutzen will. Dabei ist sie sich ausgerechnet mit der von der Absage betroffenen „Krone“ einig und wohl auch mit ServusTV, wo eine Elefantenrunde komplett ins (Hoch-)Wasser fiel. Auf blaue Medienpolitik hoffen sollte kein Nachrichtenmedium. Ihr gilt alles, was zu kritischem Journalismus fähig wirkt, als Gegner.
42 Prozent US-Frühwähler
Das eint Kickl mit Trump, dessen Absage ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass er sich keinen Vorteil von einem weiteren TV-Duell verspricht. Obwohl im Feindprogramm CNN geplant, verzichtet der Republikaner diesmal auf Senderkritik. Er begründet die Selbstverweigerung damit, dass in einigen Bundesstaaten das „early voting“ bereits begonnen habe. Das Argument ist neu, beleuchtet aber einen unterschlagenen Aspekt der Wahlen hier und dort. 2016 wurden in den USA 57 der 137 Millionen Stimmen schon vor dem Wahltag abgegeben – also fast 42 Prozent. Trump deutet an, dass für alle, die vor dem geplanten TV-Termin am 23. Oktober gewählt haben, ein solches Duell zu spät komme.
20 Prozent Austro-Briefwahl
Dies gilt ähnlich für Österreich, wo die Briefwahlstimmen ebenfalls rasant ansteigen – auf bereits 20 Prozent 2019. Viele, die vom Fernsehwettstreit beeinflusst werden sollen, haben längst gewählt. Wozu also das TV-Theater? Die Austro-Intensität gilt als global führend und bringt Sender, Politiker und Publikum an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Doch sie bietet eine einzigartige Möglichkeit, Kandidaten zu vergleichen. Dass sie mitspielen, liegt an der wachsenden Zahl Kürzest-Entschlossener.
Wenn Medien glauben, sie hätten Kontrolle über dieses Spiel, irren sie. Auch wenn es aufgrund der Gesamtzahl unglaublich wirkt, war das letzte TV-Duell im ORF das einzige zwischen Nehammer und Kickl. Der aufschlussreichste Infight ist so singulär wie in den USA. Die SPÖ beklagt also zu Recht diese High-Noon-Reihenfolge, die nicht der Sitzverteilung im Nationalrat aber den Umfragen entspricht. Deren Verbot vor der Wahl ist so unrealistisch wie eine Sendungsuntersagung. Weniger wäre vielleicht mehr, aber besser zu viel als nichts.
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