NEWS.AT: Menschen sind es, die die Reise unseres Lebens am meisten prägen. Welche Menschen spielten auf deiner Reise eine große Rolle?
Hubert von Goisern: Das waren sehr sehr viele Leute, die ich entlang des Weges getroffen habe. Ich habe sieben Jahre in Wien gewohnt und bin von der Großzügigkeit vieler Menschen abhängig gewesen, in der Zeit, wo ich kaum Geld verdient habe. Auch viele Menschen, denen ich persönlich nie begegnet bin, deren Gedanken ich über Bücher oder Medien kennengelernt habe, die mich beeinflusst haben.
NEWS.AT: Es war in deinen jüngeren Jahren nicht üblich, das Hobby Musik zum Beruf zu machen. Was hättest du gemacht, wenn es nicht geklappt hätte mit der Musik?
Hubert von Goisern: Ich habe alles Mögliche probiert. Ich habe einen Beruf gelernt, Chemielaborant, und habe da auch die Facharbeiter-Prüfung abgeschlossen, aber ich habe mich nirgendwo wohl gefühlt. Ich war sehr neugierig, aber es hat mich nichts so fasziniert, dass ich dem mein ganzes Feuer, meine Energie widmen hätte wollen oder können und ich kam mir, bevor ich Musik zu meinem Beruf gemacht habe, sehr überflüssig in der Welt vor. Ich muss ehrlich sagen, ich muss mich zu allem überwinden. Ich war ein unglaublich fauler Mensch, ich hab auch für die Schule nie gelernt. Ich habe mich so durchgetanzt, aber ich hatte lange Zeit Angst, dass wer draufkommt, dass ich eigentlich faul bin und nichts kann und nichts tue. Musik war das einzige, wo es mir ganz leicht gefallen ist, dass ich mich extrem damit beschäftige. Da kann ich mich vertiefen, da kann ich mich darin verlieren. Was sonst nicht so schnell der Fall ist. Vielleicht beim Skifahren…
NEWS.AT: Als Opener für Rainhard Fendrich bist du einmal richtig ausgepfiffen und ausgebuht geworfen. Wie geht es einem bei so etwas? Denkt man da darüber nach, nie wieder eine Bühne zu betreten?
Hubert von Goisern: Nein. In solchen Situationen habe ich vielleicht diesen lebenserhaltenden Reflex, dass ich mir denke: „Alle anderen sind Deppen“, also alle sind Geisterfahrer, nur ich nicht.
Also, ja, es gab schon Momente, wo ich dachte, das klappt nicht oder mich gefragte, habe wie ich das hinkriegen soll, dass es funktioniert, dass ich soviel Geld verdiene, dass ich mir mein Leben leisten kann. Währenddessen war ich angewiesen, Geschenke anzunehmen, wie zum Beispiel dass mich immer wieder Leute zum Essen eingeladen haben oder mir mein Bruder ein Paket geschickt hat, das voll war mit Nudeln und Reis. Solche Sachen konnte ich schon annehmen, aber ich hab nie an der Grundidee, Musiker zu werden, gezweifelt, weil ich wusste, dass ich sonst nichts anderes kann. Ich habe alles Mögliche probiert, aber es hat mir nichts Freude gemacht. Insofern hatte ich gar keine Wahl. Ich musste nur rausfinden, wie das geht.
Ich habe Jon Hiseman,den Schlagzeuger von Colosseum, den ich sehr bewundert habe, einmal gefragt, ob er mir einen Rat geben könnte, wie man als Musiker erfolgreich sein kann und er sagte: Es gibt nur zwei Regeln: „Whatever happens, never give up“ und „Never play at Parties“. Das habe ich mir beides zu Herzen genommen.
NEWS.AT: Plötzlich klappte es dann doch mit dem "Hiatamadl": Ist man da auch etwas zwiegespalten gegenüber den Fans weil man zuerst noch ausgebuht wurde und plötzlich ist man der "große Held"?
Hubert von Goisern: Es gibt solche und solche Fans. Man freut sich natürlich über jeden, der dem Gehör schenkt und das toll findet, was man macht. Und dann muss man unterscheiden lernen. Manche Menschen haben kein Gefühl für Distanz und für Respekt und überschreiten diese Linie ständig und das musste ich lernen, das war auch schmerzvoll. Ich habe Menschen an mich herangelassen, die mir nicht gut getan haben und denen ich auch nicht gut getan habe. Aber das ist ein normaler Lernprozess. Ich hatte ja das Glück, dass mein Erfolg sehr spät kam und da ist man dann schon ein bisschen gefestigt. Wenn einem so etwas mit 20 passiert, braucht man vielleicht länger, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
NEWS.AT: Wie gerne spielst du heute noch "Koa Hiatamadl"? Nerven einen manchmal die eigenen, großen Hits?
Hubert von Goisern: Nein. Es hat mich nie genervt. Ich spiele es noch immer gern, aber ich spiele es nicht jeden Tag. Es ist auch ein sehr anstrengendes Lied, weil es sehr hoch ist und manches Mal habe ich das Gefühl am Ende des Konzerts, ich sing es besser nicht, sonst kann ich morgen gar nicht mehr singen. Und wenn ich mich gut fühle und das Publikum auch, dann mach ich‘s. Aber ich finde es nach wie vor eine sehr gelungene Komposition. Es ist nicht umsonst so erfolgreich geworden, weil es einfach eine echt geile Nummer ist.
NEWS.AT: In jungen Jahren solltest du einmal im Tunnel in Wien auftreten, warst aber zu nervös. Bist du heute immer noch nervös vor Auftritten?
Hubert von Goisern: Ja, ganz fürchterlich. Ich habe mich aber versöhnt mit meiner Nervosität. Es würde mich inzwischen noch nervöser machen, wenn ich nicht nervös wäre.
NEWS.AT: Dein Publikum ist ja eher im älteren Bereich angesiedelt. Wie schwer ist es, auch die Jungen heutzutage zu erreichen?
Hubert von Goisern: Mit „Brenna tuats guat“ gab es noch mal eine sehr vehemente Verjüngung des Publikums. Es waren ja in den 90er-jahren zur Alpinkatzen-Zeit Fünfjährige bis 80-Jährige im Konzert, das hat mir gut gefallen. Diese Balance zu spüren zwischen Jung und Alt, das ist ein Geschenk. Ich bin sehr glücklich darüber, dass mein Publikum so durchmischt ist. Ich habe auch viele Fans mit Migrationshintergrund, die noch nicht lange in Österreich sind und die mir sagen, dass ihnen meine Musik gefällt und das macht mich glücklich, dass es nicht nur die mit der Lederhosen und mit dem Steirerhut sind.
NEWS.AT: Du bist jemand, der sich nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Was ist es, das dich im Moment ganz besonders stört an Österreich, der österreichischen Politik, den Dingen, wie sie hierzulande laufen?
Hubert von Goisern: Am meisten stört mich, dass das Land, die Gesellschaft immer so schlecht geredet wird. Wir leben hier in Mitteleuropa in der schönsten Lebenssituation, die es gibt. Ich habe die Welt viel bereist, tue es noch immer und Glück ist nicht vom Materiellen abhängig. Es gibt viel mehr über das man glücklich sein kann, als das etwas nicht stimmt. Aber es gibt kaum eine positive Nachricht, wo man sich darüber freuen kann, dass es so ist, wie es ist. Und hier Ängste zu schüren, dass alles den Bach hinuntergeht, und das alles vor 20 Jahren besser war, das finde ich, ist eine Krankheit.
Es gibt natürlich vieles, wo man den Finger in die Wunde legen muss, das wird teilweise eh getan. Es ist halt ein mühsamer Prozess, das aufzuarbeiten zum Beispiel Hypo Alpe Adria, aber es wird gemacht. Ich bin fassungslos, dass es überhaupt soweit kommen konnte, dass so etwas passiert. Ich bin fassungslos, dass soviele Kärntner der Figur Haider erlegen sind und dem nach wie vor etwas abgewinnen können, obwohl er so ein Gauner war, ein Halunke. Aber so ist es wahrscheinlich auf der ganzen Welt. Ich würde sagen 30 Prozent der Gesellschaft sind jederzeit verführbar, weil sie lieber das hören, was sie hören wollen, als die Wahrheit.
Was mich aktuell furchtbar nervt, ist diese Rauchergeschichte. Es ist zum Schämen. Da sieht man die Unfähigkeit unserer Politiker. Dass es da niemanden gibt, der sagt: Aus, Vorbei, Tschüss, in den Wirtshäusern gibt es kein Rauche mehr. Sowas regt mich auf. Es ist zwar kein so wahnsinnig wichtiges Thema auf der einen Seite, aber man sieht, wenn man an so etwas Kleinem scheitert, wie soll man dann von der Regierung erwarten, dass sie die großen Dinge löst?
NEWS.AT: Was macht für dich nach all den Jahren nach wie vor die Faszination des Musikmachens aus? Wie findet man immer wieder etwas Neues und wie vermeidet man es, sich selbst zu wiederholen?
Hubert von Goisern: Das ist eine Anlage. Es gibt Leute, die sich gerne wiederholen. Ich bin da anders veranlagt, ich brauche das Prickeln des Neuen, der Möglichkeit des Scheiterns. Musikmachen ist für mich zaubern. Es ist eine Form zu zaubern, sich wegzubeamen, in einen Rauschzustand zu kommen, ohne dass ich mir Drogen einwerfen muss. Es ist ein Gefühl des Miteinanders, es ist ein unglaublich kollektiver Rausch. In der Musik geht es nicht um Musik. Musik muss selbstlos sein. Musik ist nie Selbstbefriedigung, Musik ist Befriedigung.
NEWS.AT: Du bist viel auf Reisen, musst immer mal wieder raus, um eine neue Perspektive zu bekommen. Was war deine schönste Reise?
Hubert von Goisern: Immer die Letzte. Die letzte hat mich vor eine Woche aus Grönland zurück geführt. Das sind Menschen da oben, die berühren mich ganz tief und da ist so eine Bescheidenheit, so eine Wahrhaftigkeit. Da ist keine Show dabei, da will dir nicht jemand mehr vormachen, als er zu geben hat. Es ist diese großartige Natur, die einfach das große Orchester ist und die Menschen bilden sich nicht ein, dass sie die Natur zähmen können oder verändern können, sondern sie schauen, dass sie mit der Natur leben können. Das ist eh schon Aufgabe genug.
NEWS.AT: Wie fühlt sich das an, wenn ein Film über einen selbst ins Kino kommt?
Als ich gefragt worden bin, habe ich gleich gesagt, ich mache da nicht mit. Natürlich freut es einen, weil es eine Bestätigung ist, dass das was man macht, wichtig sei. Ich freue mich inzwischen aber darauf, weil soviele Leute gesagt haben, dass der Film gut ist.
Ich kenne ja den Regisseur und ich habe gesagt, ich verweigere mich zusätzlichen Filmaufnahmen nicht, wenn es notwendig ist, aber bei der Gestaltung und dem Aussuchen, was reinkommen soll, will ich nichts damit zu tun haben.
Aber es ist toll, dass man sich die Mühe gemacht hat, um diesen Bogen filmisch zu spannen und ich freue mich sehr, dass es ein Kinofilm geworden ist, weil Kino schon noch einmal was anderes ist, als Fernsehen.
NEWS.AT: Du sagst, du freust dich, aber ist auch ein kleines Angstgefühl dabei?
Hubert von Goisern: Ich wurde gegen meinen Willen gezwungen, mir den Rohschnitt, da war er noch doppelt so lang und ich war entsetzt. Seither habe ich nichts mehr gesehen und ich weiß, da werden Dinge drinnen sein, die sind mir unangenehm, aber ich hab ein gutes Gefühl weil der Marcus Rosenmüller ganz ein sensibler, toller Regisseur ist; unglaublich menschlich, der sich nie Lacher auf Kosten von irgendjemand anderen holen würde. Das kommt in keinem seiner Filme vor.
NEWS.AT: In Kürze folgt auch eine neue Platte von dir. Worauf dürfen sich die Fans dabei freuen?
Hubert von Goisern: Auf die neue Musik. Ich gehe ja bei der Produktion von einem neuen Album alle Höhen und Tiefen durch und vor einem Jahr dachte ich, die bringe ich nie raus, die stampfe ich ein - und drei oder vier Monate später habe ich mich gewundert, dass ich so gezweifelt habe. Man braucht manches Mal den Abstand. Es ist eine ganz andere Musik geworden, es ist was Neues. Ich habe mir das Thema Amerika genommen, weil mir diese Entfremdung zwischen USA und Europa zu schaffen macht. Für mich war Amerika nie das gelobte Land, wo ich immer hinwollte, aber ich fand das immer ein tolles Land und eine tolle Gesellschaft. Und plötzlich ist das gekippt und sie verstehen uns nicht mehr, wir verstehen sie nicht mehr und ich wollte einen persönlichen Beitrag dazu leisten, der dagegen steuert. Weil wir ja auch gemeinsame Wurzeln haben. Diese Platte bringt das zum Ausdruck, was es an Gemeinsamkeiten aber auch an Unterschieden gibt.
Kommentare
AnmeldenMit Facebook verbindenhasi1965Do., 23. Apr.. 2015 11:14meldenantwortenHubert Achleitner, das ewige Licht in der österreichischen Dunkelheit - DANKE dass es Dich gibt!
giuseppeverdiDo., 23. Apr.. 2015 07:46meldenantwortenNur eine Frage: Was meinen Sie wenn Sie sagen "Ich WAR ein fauler Mensch"?
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