Die entsetzliche Tat an Gabriele K. schockierte einst ganz Österreich; gilt bis dato als eines der grauenhaftesten Verbrechen der heimischen Kriminalgeschichte. Der Fall: ungeklärt, ungesühnt, niemals konnte der Peiniger des kleinen Mädchens gefasst werden.
Der Bleistiftmord
Rückblick auf den 3. März 1973: Die Elfjährige wird am helllichten Tag, am Heimweg von der Schule, im Wiener Neustädter Akademiepark von einem Unbekannten überfallen, in ein Gebüsch gezerrt, sexuell missbraucht, erdrosselt. Danach nimmt der Täter einen Bleistift aus der Tasche des Kindes, rammt ihn mehrmals in den Körper des Opfers, durchsticht die Lungen, das Herz.
Mehrere Männer, die sich laut Auskunft von Zeugen zum Zeitpunkt des schrecklichen Delikts in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben sollen, werden in der Folge festgenommen. Darunter auch Herbert P., 30. Ein Hilfsarbeiter aus der Gegend, als Sonderling bekannt. Ein Mensch mit einer auffälligen Vita. Aufgewachsen in komplizierten, desolaten Familienverhältnissen; mit zahlreichen Geschwistern.
Ein perfekter Schuldiger
Abgebrochene Ausbildungen; ein unsteter Lebenswandel; vorbestraft. Der perfekte Schuldige also für die Kripo.
Ein 48 Stunden langes Dauerverhör, in dem Herbert P. zunächst jede Beteiligung an dem Mord bestreitet. Schläge; die Präsentation von Beweismitteln, die es in Wahrheit nicht gibt. Und dann bricht der vermeintliche Killer zusammen: Er unterzeichnet ein Geständnis. Das er kurz darauf bei Gericht widerruft. Trotzdem: Der Mann bleibt fast zwei Jahre im Gefängnis.
Bis Februar 1975, bis zu seinem Prozess. In dem ein Polizei- und Justizskandal offenkundig wird: Es wird deutlich, dass der Angeklagte mit unsauberen Vernehmungsmethoden zu einer falschen Beichte gezwungen wurde; dass kein einziges Indiz gegen ihn existiert; dass er mit absoluter Sicherheit nicht Gabriele K.s Peiniger ist. Fazit: Nach fünf Verhandlungstagen sprechen ihn die Geschworenen der Tat an der Schülerin frei.
Und danach? War ich dennoch niemals wieder wirklich frei, so Herbert P. heute.Weil dieser fürchterliche Ver-dacht, vielleicht doch ein Kindermörder zu sein, auf mir ,picken blieb, irgendwie.
Abgestempelt für immer
Der Schritt zurück in das, was Normalität genannt wird unmöglich, für ihn. Weil ich, wie der mittlerweile 68-Jährige sagt, einfach abgestempelt worden bin. Für immer.
Und jetzt sitzt der Mann da, in seinem Haus in einem Dorf nahe Wiener Neustadt, und kauert weinend am Küchentisch. Spricht über sein verpfuschtes Leben; über Leute, die mich schief anschauen, wenn ich nach draußen gehe; über Eltern, die mit ihren Kindern einen weiten Bogen um mein Grundstück machen; über sein schweres Nierenleiden; über seine Angst, zu sterben, ohne erfahren zu haben, was damals tatsächlich geschah. Ohne die Person, die Gabriele K. vor 38 Jahren tötete, ausgeforscht zu wissen.
Wie verlief P.s Dasein nach der Haftentlassung? Freunde von früher distanzierten sich von mir, genauso wie ein Teil meiner Familie.
Eine unmögliche Flucht
Ein Wegziehen aus Niederösterreich; aus der Region, in der ich zu einer negativen ,Berühmtheit geworden war; die Flucht in die Anonymität einer Großstadt ging aus finanziellen Gründen nicht. Ich hatte hier ja bald nach meinem Freispruch eine fixe Stelle in einer Firma bekommen; und traute mich nicht, den Job aufzugeben. Die Suche nach einer Partnerin: schwierig. Denn wer will sich schon an einen Mann binden, der einmal eines Mordes bezichtigt wurde? Aber dann fand ich zum Glück ja doch meine Poldi.
Eine Frau, selbst vom Schicksal nicht verwöhnt; vielleicht hatte sie deshalb keine Vorurteile gegen mich. Heirat. Der Versuch, sich etwas aufzubauen, in der Heimat.
Harte Arbeit, auf Bauernhöfen und Baustellen, in Fabriken. Niemals ein Urlaub; selten Einladungen zu Festen; immer ausgeschlossen aus der Gesellschaft.
Leopoldine und Herbert P. sind beide längst in Pension, schwer krank, einsam. Bloß eine Schwester des Mannes besucht das betagte Ehepaar regelmäßig; und eine Heimhilfe der Caritas.
Wird der Fall aufgerollt?
Sämtliche Anträge des Mannes auf eine Haftentschädigung wurden bislang von der Justiz abgelehnt. Aber das Geld ist mir mittlerweile eh egal, ich will doch nur noch, dass der ,Bleistiftmord endlich aufgeklärt wird.
Anfrage im Bundeskriminalamt: Steht eine Aufrollung der Causa am Plan? Wie alle ungeklärten Kapitalverbrechen soll auch die Tat an Gabriele K. von der Cold-Case-Abteilung nochmals untersucht werden. Eine Lösung des Kriminalrätsels, so die Ermittler, scheine jedoch aufgrund der vorliegenden Aktenlage zu dem immerhin 38 Jahre zurückliegenden Fall leider eher unwahrscheinlich.
Kommentare
Do., 08. Dez.. 2011 09:20meldenantwortenBleistiftmord Womöglich will man gar nicht das der wahre Täter bekannt wird?
Ignaz-KutschnbergerDo., 08. Dez.. 2011 09:00meldenAber Hallo... Versteh ich nicht...wenn er 2 Jahre unschuldig saß, warum will man ihm keine Entschädigung zahlen?? Das stinkt schon irgendwie zum Himmel...ich mein, was soll die Schei*e wenn das wirklich so war, wie da in dem Artikel behauptet wird! Ander rauben Leute aus und sitzen nicht mal 8 Tage...und ein scheinbar Unschuldiger brummt 2 Jahre ab und wird dafür nicht entschädigt!!??
Ignaz-KutschnbergerDo., 08. Dez.. 2011 09:08melden... Und da ich über diesen Bleistift-Mord in einer Fernsehsendung vor einigen Wochen erfahren habe, würde ich mal sagen...vielleicht ist doch das Haar, welches sich bei den Beweismittel gefunden hat vor einigen Jahren auch DNA-mäßig überprüft und zu einem damals Verdächtigen führte, nicht nachträglich im Zuge der Ermittlungen dazukommen, sondern wurde am Tatort gefunden... Und falls nicht, dann würde ich den möglichen Verdächtigen mal in der Bundesheerkaserne suchen, die sich ja gleich nebenan befand. Weil zu so einer Tat wäre auch jemand fähig sein, der auch davor nicht abschrecken würde, beruflich einen Menschen zu töten -also quasi in Ausübung seines Dienstes, oder jemand aus einem Kinderheim (ein Pfleger) der sich irgendwie zu Kindern hingezogen fühlte!
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