Der Altkanzler kassierte vom Finanzjongleur deutlich mehr als bisher bekannt. Alleine für seine Beratung um die Insolvenzen der deutschen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof stellte Gusenbauer zwischen 2020 und 2023 zwölf Millionen Euro an Beraterhonoraren in Rechnung. Auch Sebastian Kurz sollte von Benko mit der Aussicht auf seine "ersten paar Hundert Millionen Euro" angelockt werden.
Mitte Jänner hatte René Benkos wichtigster Ex-Politiker einen seiner seltenen medialen Befreiungsschläge versucht. Der Altkanzler, der seine Beratungsdienste bereits seit seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt der Signa-Gruppe des Finanzjongleurs zur Verfügung stellt, versuchte in "Ö1", die von News bereits im November 2023 aufgedeckten Millionenhonorare im Zusammenhang mit den deutschen Hilfsgeldern für Galeria Karstadt Kaufhof zu rechtfertigen. Hat er dafür auf politischer Ebene Lobbying betrieben? Konnte er seine Tätigkeit versilbern, weil er als Ex-Kanzler über ein goldenes Telefonbuch samt besten internationalen Politiker-Kontakten verfügt?"Ich muss Sie leider unterbrechen", sprach Gusenbauer: "Ich habe in Deutschland keine Kontakte zur Politik gehabt bei der Unterstützung dieses Verfahrens. Ich habe die Signa beraten, und ich habe geholfen, Finanzmittel aufzustellen. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt mit irgendeinem deutschen Politiker oder einer deutschen Behörde in dieser Causa Kontakt. Darauf muss ich bestehen."
Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass bei diesem Interview erst rund sechs Millionen Euro an Gusenbauer-Honoraren bekannt waren, die der Altkanzler im Zusammenhang mit dem Nachrangdarlehen des deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Benko-Holding verrechnet hat. Im Zuge der ersten beiden Galeria Karstadt-Kaufhof-Pleiten hatten die deutschen Steuerzahler bekanntlich rund 680 Millionen Euro zur Rettung bereitgestellt, von Benkos Signa-Konglomerat mussten jedoch lediglich für 180 Millionen Euro davon Sicherheiten hinterlegt werden.
Hohe Honorarnoten
Doch Alfred Gusenbauer hat für die Beratung der Signa rund um das in Deutschland so emotionale Kaufhaus-Thema noch viel mehr Geld in Rechnung gestellt als bisher bekannt. Alleine in den Jahren 2020 bis 2023 stellte der 63-jährige Sozialdemokrat laut News vorliegenden Honorarnoten über seine Gusenbauer Projektentwicklung und Beteiligung GmbH stolze zwölf Millionen Euro in Rechnung. Die letzte Rechnung datiert vom 1. Juli 2023 in der Höhe von drei Millionen Euro inklusive Umsatzsteuer. Auch deshalb findet sich Gusenbauer über seine Firma auf der langen Gläubigerliste der Signa Holding wieder, die Ende November 2023 Insolvenz anmelden musste.
Interessant ist: Auf den ersten beiden Honorarnoten befinden sich teils skurrile Fehler im Schriftbild, die möglicherweise darauf hindeuten, dass sich der Berater Gusenbauer mit dem Objekt der Beratung nicht wirklich in die Tiefe gehend beschäftigt haben könnte. Statt Galeria Karstadt Kaufhof schrieb der ehemalige SPÖBoss Galeria Kaufhof Karstadt. Und: Bei Galeria schlich sich bei GusenbauersProjektentwicklungs-Gesellschaft ein nicht notwendiges, zweites L ein. Galleria statt Galeria. Und: WST statt WSF. Das WSF steht für den deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Vergleichbar mit der COFAG in Österreich, bei der sich Unternehmen in der Coronapandemie finanzielle Unterstützung holen konnten. In von News nun offenbarten weiteren Millionenrechnungen aus den Jahren 2022 und 2023 hat der Berater des Tiroler Immobilienspekulanten diese Irrtümer immerhin korrigiert.
Grund genug für eine konservative Hochrechnung: Zählt man zu diesen Honorarnoten in Höhe von zwölf Millionen Euro das "Kanzlergehalt" hinzu, das der ehemalige SPÖ-Spitzenfunktionär ab 2009 im Benko-Reich für rund eine Woche Arbeit pro Monat erhalten sollte, und addiert man dazu noch die Vergütungen für den langjährigen Aufsichtsratsvorsitz bei der Signa Prime Selection sowie der Signa Development Selection AG, dann nähert sich der talentierte Chefberater der 20-Millionen-Euro-Marke. Dabei war Benkos Signa nur eine von mehreren Spielwiesen des Altkanzlers. Was war dort konkret seine Leistung? Wenig verwunderlich also, dass Anfang Februar die streitbare Sektion 8 der SPÖ in Wien-Alsergrund erneut den Parteiausschluss des ehemaligen Regierungschefs forderten.
Mit Kurz im Nahen Osten
René Benko fischte offenbar nicht nur nach Investoren, sondern auch nach Politikern. Bekannt ist bisher, dass mit Sebastian Kurz ein weiterer Altkanzler für Signas Mastermind tätig wurde, unter anderem mit einer Finanzierung aus dem Nahen Osten, die der finanzmaroden Gruppe noch im Sommer 2023 rund 100 Millionen Dollar in die klammen Kassen spülen sollte. Sebastian Kurz erhielt für seine Tätigkeiten allerdings nur mehr die Hälfte des Honorars, das sich ursprünglich auf knapp drei Millionen Euro belaufen sollte.
René Benko in einer vertraulichen Nachricht an Sebastian Kurz (April 2022)
Bisher hatte es geheißen, Kurz habe über seine SK Management GmbH ab Herbst 2022 Aktivitäten für Benko entwickelt. Laut News vorliegenden geheimen Unterlagen sollte der türkise Ex-Kanzler schon im Frühjahr 2022 tatsächlich in intensive Investorengespräche eingebunden sein. Unter anderem mit dem CEO der staatlichen Ölgesellschaft von Abu Dhabi und heutigen Minister für Industrie und Forschung. Benko zeigte sich von den Türöffner-Talenten seines Beraters jedenfalls schon damals höchst angetan. In einer vertraulichen Nachricht an seinen Freund Kurz aus dem April 2022 scheint der Tiroler den jungen Altkanzler zusätzlich motivieren zu wollen: "Mit dem Deal schaffst du deine ersten paar Hundert Millionen Euro Vermögen in den nächsten fünf Jahren 😊 und noch viel mehr danach."
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 6/2024.
Die Causa Benko - News berichtete:
Über die Autoren
Rainer Fleckl
Rainer Fleckl ist ein österreichischer Investigativjournalist. Er schrieb unter anderem für News.
- 2017 bis 2020: Leiter des Investigativ-Teams bei Addendum
- bis April 2021 Bereichsleiter ServusTV
Seit November 2023 ist er Investigativjournalist bei Krone Multimedia. Für seine journalistischen Tätigkeiten wurde er unter anderem mit dem Alfred-Worm-Preis und dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis ausgezeichnet.
Sebastian Reinhart
Sebastian Reinhart ist Investigativ-Journalist. Er war unter anderem Referent für Untersuchungsausschüsse im österreichischen Nationalrat während der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Er war für die Recherche-Plattform Addendum tätig und schreibt für den Spiegel sowie derzeit für das Magazin News.