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Gerade in der Pause ist Wahlkampf

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Johannes Huber

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Alles, was Karl Nehammer und andere Spitzenkandidaten in der Katastrophe tun, kann sich auf das Wahlergebnis auswirken. Der Kanzler hat einen Vorteil. Aber einen begrenzten

„Der Wahlkampf hat jetzt Pause!“, stellt ÖVP-Chef Karl Nehammer als Kanzler fest. Es ist der zweite Tag der Hochwasserkatastrophe 2024. Im Sinne einer Feststellung des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick, wonach man nicht nicht kommunizieren kann, ist in Wirklichkeit natürlich keine Pause.

Wahlkampf ist nicht nur, wenn gestritten wird. In einer Krise ist Wahlkampf viel mehr als sonst, sich in den Augen der Wähler angemessen zu verhalten. Das kann dann sogar wirklich entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang haben, wie man aus der Geschichte weiß.

Insofern hat Nehammer einen Vorteil: Er kann punkten, wenn er als Kanzler sichtbar an der Spitze des staatlichen Krisenmanagements steht und es ihm gelingt, Besonnen- und Betroffenheit zu vermitteln.

Das gilt umso mehr als es im Katastrophenfall zunächst auf die Exekutive ankommt, zu deren Führung Nehammer gehört. Oppositionsvertreter wie Herbert Kickl (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) tun das nicht. Auch für sie ist relevant, wie sie auftreten, profilieren können sie sich jedoch schwer. Andreas Babler (SPÖ) wiederum hat als Bürgermeister von Traiskirchen im Hochwassereinsatz eine Funktion, in der er sich auch öffentlich präsentiert, sie aber ist von ihrer Bedeutung her nicht vergleichbar mit der des Kanzlers. Bei Grünen-Sprecher Werner Kogler (Vizekanzler) ist es ähnlich.

Auf der anderen Seite ist das Potenzial für Nehammer begrenzt: Diese Katastrophe fällt in eine Zeit voller Krisen, in der sich Stimmungslagen massiv verändert haben, in der sich nach Corona, Teuerung und türkisen Korruptionsaffären etwa eine Mehrheit nichts mehr erwartet von einem Kanzler und ÖVP-Chef, ja ihm misstraut und längst den Entschluss gefasst hat, am 29. September zu Hause zu bleiben oder etwa Kickl zu wählen – und sich das in ein, zwei Wochen kaum anders überlegen wird.

Eine Entlastung ist jetzt erst recht illusorisch geworden

Budgetär steht Österreich heute schlechter da als bei der Hochwasserkatastrophe 2002. Das hat Konsequenzen: höhere Schulden, die letzten Endes durch ein größeres Sparpaket abgebaut werden müssen.

Bei Hochwasserkatastrophen gilt nach wie vor, dass Bund, Länder und Gemeinden nach dem „Koste es, was es wolle“-Ansatz vorgehen und helfen. Das ist politisch unbestritten und gut so. Die Rahmenbedingungen ändern sich jedoch.

Bei der Hochwasserkatastrophe 2002 budgetierte die damalige Regierung unter Führung von Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Vize Susanne Riess (FPÖ) umgehend 500 Millionen Euro für den Wiederaufbau. Zugleich aber verschob sie eine größere Steuerreform, die ebenfalls ins Geld gegangen wäre. Das führte zu schweren Zerwürfnissen in der FPÖ, dem sogenannten Aufstand von Knittelfeld und letzten Endes zum Ende der Koalition. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der Punkt ist: Heute sind die budgetären Rahmenbedingungen ungleich schlechter als damals. Die staatliche Verschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung ist mit rund 7 Prozent um gut zehn Prozentpunkte höher, das Defizit mit über drei Prozent rund zwei Mal größer. Schlimmer: Der Fiskalrat hat erst im Frühjahr eine Vorsorge zur Bewältigung neuer Krisen vermisst. Insofern sind etwa türkise und freiheitliche Versprechen im Hinblick auf die Nationalratswahl am 29. September, die Steuer- und Abgabenbelastung spürbar zu senken, ohne zugleich ebensolche Sparmaßnahmen vorzunehmen, von vornherein zweifelhaft gewesen.

Jetzt ist eine solche Entlastung auf absehbare Zeit erst recht illusorisch geworden: Zunächst muss ein höheres Defizit abgebaut und ein Spielraum für Katastrophenfälle geschaffen werden. Wobei man nicht davon ausgehen kann, dass sich das durch eine Hochkonjunktur wie von selbst erledigt: Die Nationalbank erwartet in ihrer Sommerprognose, dass das Wirtschaftswachstum bis 2026 unter zwei Prozent und damit sehr schwach bleiben wird.

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