Nein, nichts konnte ihn jemals brechen; nichts schwach machen. Nicht das Bekanntwerden seiner Wahnsinnstat. Nicht sein Prozess. Nicht das „Weggesperrtsein“. Nicht einmal das Wissen, wahrscheinlich niemals wieder in Freiheit zu kommen.
Ein „angepasster Häftling“.
Josef Fritzl, der seine Tochter 24 Jahre lang im Keller seines Hauses im Amstetten gefangen gehalten und mit ihr in Gefangenschaft sieben Kinder gezeugt hatte, stellte sich geduldig den Verhören, nachdem im Mai 2008 sein Jahrhundert-Verbrechen entdeckt worden war. Ungerührt nahm er im März 2009 das Urteil „lebenslang“ an. Und scheinbar tapfer verbüßt der „Horror-Vater“ nun in der Justizanstalt Krems-Stein seine Haftstrafe. Gilt dort, den Angaben von Wachebeamten zufolge, als „anpassungsfähig und unproblematisch“. Ist beliebt bei seinen Mithäftlingen, weil er jederzeit bereit ist, ihnen juristische Ratschläge zu geben oder für sie Briefe mit komplexen Inhalten zu verfassen.
Der mittlerweile 77-Jährige spielt hinter Gittern also den „netten, weisen Opa“. Eine Rolle, die Fritzl – den Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner einst in einem Gutachten als einen „Meister des Verdrängens und der Manipulation“ bezeichnete – perfekt beherrscht. Wie wäre ihm sonst gelungen, vor seiner Frau, vor seinen Freunden, Nachbarn und Geschäftspartnern über Jahrzehnte hindurch sein „Zweitdasein“ im Verlies – und damit die dunkelsten Abgründe seiner Seele – geheim zu halten?
Sein letzter Machtbeweis.
Josef Fritzl: Er stärkt sein Ich, indem er Macht über andere Menschen ausübt, sie steuert. Rosemarie, seine Ehefrau, ist seit ihrer frühen Jugend Opfer seiner kranken Bedürfnisse gewesen. Ließ sich von ihm unterdrücken, demütigen, tyrannisieren. 55 Jahre hindurch. Bis sie von seiner abscheulichen Tat an der gemeinsamen Tochter erfuhr. Und sich von ihm abwandte. Auf keinen der zahlreichen Briefe, die er ihr aus der Haft schickte, antwortete. Ihn niemals in Krems-Stein besuchte.
Die Rache.
Folglich begann der „Horror- Vater“ nach Rache zu sinnen. Letztlich nutzte er die einzige Möglichkeit, die ihm noch geblieben war, um die ungehorsam gewordene Gattin zu bestrafen: Er reichte die Scheidung ein. Mit der Rosemarie, wie ihm klar war, sämtliche Ansprüche auf seine Pension verlieren würde.
Seelenruhig wartete er auf die richterliche Vollstreckung seines Ansinnens. Das ihm, das wusste er ebenfalls, mit Sicherheit in einem durchaus absehbaren Zeitrahmen gewährt werden müsste. „Das Gesetz schreibt vor“, erläutert der auf Straf- und Scheidungsrecht spezialisierte Anwalt Nikolaus Rast, „dass einem betreffenden Antrag zwingend Folge zu leisten ist, wenn Ehepartner mindestens sechs Monate nicht an derselben Wohnadresse gemeldet sind.“
Die Ehe der Fritzls: Vor wenigen Wochen wurde ihr „Aus“ amtlich besiegelt. Der Frau wird damit in Hinkunft nicht mehr Fritzls Rente ausbezahlt, sie lebt jetzt von der Notstandsbeihilfe. Der „Horror-Vater“ soll den diesbezüglichen Bescheid mit einem Lächeln entgegengenommen haben.