Der Alarm auf der Hauptfeuerwache in Wien-Favoriten schrillt. Die Feuerwehrmänner eilen Richtung Einsatzfahrzeuge. Nur Männer? Nein, auch Susanne Schrenk befindet sich darunter. Sie ist eine der sechs Frauen unter 1.800 Feuerwehr-Bediensteten in ganz Wien. Bei ihrem Einstieg 1998 war die heutige Brandmeisterin die erste Frau überhaupt bei der Wiener Berufsfeuerwehr.
„Frauen haben es einfach nicht standardmäßig in ihrem Berufswunschrepertoire“
Was sich seit diesen 20 Jahren für Frauen verändert hat? "Nicht viel", erzählt Schrenk News.at, "außer, dass wir inzwischen ein paar mehr Frauen dabei haben“. Die „paar mehr“ beschränken sich auf die magere Anzahl von fünf; im Gegensatz etwa zur Polizei, wo bereits über 1.000 Beamtinnen in Wien im Einsatz sind. „Ich glaube, dass es viele nicht wissen – und auch nicht daran denken", erklärt sich Schrenk die extrem geringe Frauenquote. Gerald Schimpf, Presse- und Informationsoffizier der Wiener Berufsfeuerwehr, sieht es ähnlich: „Frauen haben es einfach nicht standardmäßig in ihrem Berufswunschrepertoire." Auch Schrenk nicht, sie wurde einst durch einen Zeitungsartikel aufmerksam. "Da stand, es gibt noch keine Frau, weil noch keine fünf Klimmzüge geschafft hat und ich dachte, das muss ja gehen und habe mich auf den nächsten Baum gehängt.“
Trifft "Aussortierungs-Hürde" vor allem Frauen?
Die Klimmzüge – inzwischen durch den sogenannten Beugehang abgelöst – sind eine von mehreren Aufgaben des Fitnesstests bei der Bewerbung. Der Test ist für beide Geschlechter ident. Trotz der körperlichen Unterschiede für Schimpf keineswegs „unfair“, denn „unser Werkzeug im Einsatz wiegt genau dasselbe für beide und die Gefahren sind auch dieselben. Da kann man nicht sagen 'Ihr müsst nur halb so viele Übungen können.' Das wäre zweischneidig.“ Scheitern würden dabei ohnehin die Männer genauso und Frauen seien in der Regel viel besser vorbereitet und trainiert. Dem stimmt Heidi K. zu, eine junge Frau, die sich im Herbst 2017 bei der Wiener Feuerwehr bewarb, aber genau an diesem Beugehang scheiterte. Auch wenn es ihrer Meinung nach gut und wichtig sei, dass die Anforderungen für diesen körperlich so fordernden Beruf hoch sind, ortet sie dennoch im Rahmen genau dieser Übung eine Diskriminierung. Und zwar in der Höhe, in der man sich 40 Sekunden lang mit dem Kinn über der Klimmstange halten müsse. Mit einer Körpergröße von 1,71 Meter musste sie erst einmal springen, um diese überhaupt zu erreichen: „Das kostet natürlich schon Kraft, die dann fehlt.“ Überhaupt sieht sie in der Übung eine Art „Selektions-Hürde“, denn von ungefähr 17 Bewerbern, haben sie nur drei oder vier wirklich sauber geschafft. Schrenk sieht das natürlich anders: „Wenn man ein bisschen fit ist, dann kann man das. Man muss kein Spitzensportler sein, nur ein wenig Ausdauer haben.“
Dass ihr Geschlecht bei der Bewerbung eine Rolle spielte, sehen jedoch beide Frauen so. „Das war schon ein bisschen ein Politikum, es war immerhin die letzte Bastion, wo noch keine Frauen dabei waren. Und ich habe schon gemerkt, dass sie sich freuen würden, wenn es endlich einmal eine schafft, dass sie zumindest eine zum Vorzeigen haben“, erinnert sich Schrenk an den Mai 1998 zurück, als sie – ohne ihr Wissen – noch vor Beginn ihrer Grundausbildung bereits das erste Zeitungs-Cover zierte.
Und auch bei Heidi Ks Bewerbung fast 20 Jahre später schlich sich das Gefühl ein, als Frau „besonders beobachtet“ zu werden, auch wenn „alle sehr freundlich und entgegenkommend waren“. Warum es jedoch keine Chance gibt, diese einzelne Übung, an der es bei ihr scheiterte (den restlichen Fitness-Test sowie das Gespräch und die schriftliche Prüfung hatte sie bereits bestanden) zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal versuchen zu dürfen, kann sie, gerade unter dem Gesichtspunkt, dass Frauen aktiv gesucht werden, nicht ganz nachvollziehen.
„Ich hatte nicht einmal das Gefühl, mich durchsetzen zu müssen."
Das Gefühl der Beobachtung legte sich bei Schrenk nach bestandener Aufnahme. In 20 Jahren sei sie niemals belächelt worden oder habe Probleme gehabt, sich gegen ihre männliche Kollegen durchzusetzen. Nicht einmal Witze seien auf ihr Konto gegangen. „Ich hatte gar nie das Gefühl, mich durchsetzen zu müssen. Ich habe alles normal gemacht, habe bei den Einsätzen auch hingegriffen und somit ist alles locker gelaufen", erinnert sie sich. Man sei sowieso eher wie eine Familie.
Familienunfreundlich?
24 Stunden am Stück dauern Dienste bei der Feuerwehr. Also nicht gerade familienfreundlich. Auch ein Grund, der Frauen fern hält? „Eine Kollegin hat bewiesen, dass es geht“, winkt Schimpf ab. Dennoch müsse man natürlich einen positiven Zugang zum Schichtdienst haben und die Vorteile nutzen können. Ein Dienst beginne und ende nämlich, erklärt Schrenk, um halb 8 Uhr in der früh – dazwischen liegen mindestens 24 freie Stunden. Dies sei zwar in Bezug auf Kinder „wohl kein Problem, wenn der Hausmann zuhause ist, alleinerziehend geht es aber wahrscheinlich gar nicht“, relativiert Schrenk die Vereinbarkeit dann doch ein wenig.
Ist es denn überhaupt erwünscht, mehr Frauen zu akquirieren? Ja, auf jeden Fall, betont Gerald Schimpf:: „Wir werden nicht müde zu sagen: ‚Es gibt uns, bewerbt euch!‘“ Eine breit angelegte Bewerbungsoffensive sei aber nicht der richtige Weg, denn es gebe so schon zu viele Bewerber. Auf 40-50 Plätze im Jahr kommen etwa 400 Bewerber, „de facto 400 Männer“. Gäbe es also eine Offensive, würden auch diese Zahlen wellenartig mitansteigen. Darum setze man lieber gezielte Aktionen, um das Zielpublikum zu erreichen, wie etwa auf der Frauenmesse für technische Berufe.
Zwei kleine Anfangszuckerl für Frauen
Zwei kleine Bewerbungszuckerl für Frauen gibt es aber: Signalisieren Frauen Interesse, werden sie sofort zu einem Gespräch eingeladen und wird eine Frau genommen, bekommt sie sofort einen Ausbildungsplatz, Männer hingegen müssten oft längere Zeit warten. Mehr Vorteile oder gar eine Quotenregelung seien laut Schimpf jedoch weder möglich noch sinnvoll. Auch um der Akzeptanz der Frauen nicht zu schaden: „Ich sehe die Gefahr, wenn man eine Bevorzugung machen würde, dass das den Frauen zum Nachteil gereichen würde“, so Schimpf. „Würde ich es jemandem besonders schmackhaft machen und das ist es dann nicht, dann ist das ein Problem. So wie es jetzt ist, sind die Feuerwehrfrauen hingegen 110 Prozent Feuerwehr.“
Am Land wie in Wien?
Ist das Problem ein rein wienerisches? Im Gegensatz zu Wien liegt der Anteil der Frauen in ganz Österreich immerhin ungefähr sieben Prozent, erklärt Schimpf. In Kärnten zum Beispiel sind es vier Prozent, das entspricht 841 aktiven Frauen im Einsatz. Hier werden verstärkt durch Initiativen im Jugendbereich Anreize für Mädchen geschaffen, den Zugang zu finden, wie Landesfeuerwehrkommandant und Landesbranddirektor Rudolf Robin erklärt. Doch auch wenn die Novelle des Kärntner Feuerwehrgesetzes im Jahr 2002 die aktive Mitgliedschaft von Frauen ermöglichte, heißt das noch nicht, dass diese überall auch mit offenen Armen empfangen werden, wie Nicole S., Feuerwehrfrau aus Kärnten, erzählt. Sie selbst stehe seit ihrem neunten Lebensjahr und mittlerweile gemeinsam mit fünf weiteren Frauen im Einsatzdienst ihres Dorfes. Dort seien Männer und Frauen zwar gleichgestellt, doch das sei eher Ausnahme als die Regel: „Unsere Feuerwehr ist eine der wenigen, wo das so gut läuft mit den Frauen. Sonst ist das schon oft eine Männerdomäne, in der Frauen einfach nicht willkommen sind. Da wird gesagt: ‚Frauen haben hier nichts verloren, die haben andere Aufgaben‘“.
Und was sagen die Feuerwehrfrauen selbst von mehr Unterstützung aus dem weiblichen Lager? „Das ist mir relativ egal. Ich hätte nichts dagegen, wenn sie sich nicht den Koffer tragen lassen, sondern dasselbe machen wie alle anderen auch“, überrascht Schrenks Reaktion doch. Oder ist sie bloß schon "zu gut" integriert?