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Nach dem Sturz der Regierung will Macron möglichst schnell einen neuen Ministerpräsident auswählen. Berichten der Zeitung "Le Parisien" und des Senders RTL zufolge will er dabei noch am Donnerstag Francois Bayrou treffen, der früher bereits mehrere Ministerposten innehatte. Bayrou gilt als ein möglicher Nachfolger des gestürzten Ministerpräsidenten Barnier und ist ein enger Vertrauter von Macron. Medienberichten zufolge saß Barnier, der frühere Brexit-Chefunterhändler der EU, über eine Stunde mit Macron im Präsidentenpalast zusammen.
In Frankreich war seit 1962 keine Regierung mehr per Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden. Am Mittwochabend erwischte es nun die Minderheitsregierung von Barnier. Abgeordnete der rechtsnationalen Partei Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen stellten sich hinter einen entsprechenden Antrag der Linken - ein ungewöhnlicher Schritt der verfeindeten Lager. Insgesamt stimmten 331 der 574 Parlamentarier für die Barnier-Ablösung. Auslöser war ein Streit über Einsparungen im Haushalt in Zeiten knapper Kassen. Dem RN gingen die Zugeständnisse von Barnier nicht weit genug. Dieser hatte versucht, das hohe Defizit zu senken. Frankreich liegt deutlich über den EU-Vorgaben zur Neu- und zur Gesamtverschuldung.
Barnier führte eine Minderheitsregierung, die sich auf das von Macron gegründete Parteienbündnis Ensemble und die Republikaner stützte. Das Kabinett kann übergangsweise im Amt bleiben, um die Tagesgeschäfte zu erledigen. Macron will sich am Donnerstagabend an die Nation wenden. Der Druck auf ihn dürfte nun zunehmen. Macron muss möglichst schnell einen Nachfolger für Barnier finden, der dann aber vermutlich wieder eine Minderheitsregierung anführen wird.
Macrons Amtszeit läuft noch bis 2027. Er hat die politische Krise mit den Neuwahlen im Sommer 2024 befeuert. Die nächste Parlamentswahl kann nicht vor Juli 2025 stattfinden. Bis mindestens dahin bleibt das Parlament stark zersplittert.
Der erst im September ernannte Barnier wird damit zum Premierminister mit der kürzesten Amtszeit in Frankreichs jüngerer Geschichte. Macron, der erst wenige Minuten vor der Abstimmung von einem Staatsbesuch in Saudi-Arabien zurückgekehrt war, muss nun einen neuen Regierungschef ernennen. Er will sich am Donnerstag um 20.00 Uhr in einer TV-Ansprache an das Land wenden. Eine Neuwahl kann frühestens im Juli 2025 stattfinden.
Der französische Aktienindex CAC 40 ist im Gegensatz zu den großen Indizes vieler anderer Länder in den vergangenen Monaten um etwa zehn Prozent abgesackt. Experten warnen, die Auswirkungen der Krise werde Firmen, Konsumenten und Steuerzahlern schaden. Es handle sich um eine schleichende Krise, die zu einer anhaltenden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des Staates führen werde, sagte etwa Christian Kopf von Union Investment.
Macron hat die Malaise selbst mit ausgelöst, als er nach schlechten Ergebnissen bei der Europawahl Parlamentswahlen für Juni in der Hoffnung ausrief, sein eigenes Lager zu stärken. Tatsächlich kam es aber zu einem Patt. Seine Amtszeit als Präsident läuft bis Mitte 2027 und er kann nicht vom Parlament abgesetzt werden. Die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) um die Abgeordnete Marine Le Pen und die Linke haben angesichts der Krise im Land aber bereits wiederholt seinen Rücktritt gefordert. Dies hat er zuletzt am Dienstag abgelehnt.
Gute Chancen auf Macrons Nachfolge rechnet sich Le Pen aus, die 2017 und 2022 jeweils in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen Macron unterlag. Allerdings ist für Ende März 2025 ein Urteil im Prozess gegen Le Pen und ihre Partei wegen Veruntreuung von EU-Geldern angekündigt, das weitreichende Folgen haben könnte: Die Staatsanwälte haben gefordert, dass Le Pen für fünf Jahre keine öffentlichen Ämter bekleiden darf. Der Ausgang ist offen.