Früh übt sich
Bereits im Jahr 1996 beantragte das Unternehmen "AquaBounty Technologies", die Hersteller des kanadischen Gentechnik-Lachses, in den USA die Zulassung des Fisches. Geklappt hat es erst fast 20 Jahre später: 2015 hat die US-amerikanische Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde (FDA) gentechnisch veränderten Lachs für den Verzehr und Verkauf freigegeben. Eine Kennzeichnung ist in den USA nicht notwendig, genauso wenig wie in Kanada. Dort hat das Gesundheitsministerium im Mai 2016 dem Vertrieb von genmodifizierten Lachs zugestimmt - weil er laut Behörden für Mensch und Umwelt als unbedenklich gilt.
"Nach einer ausführlichen und strengen wissenschaftlichen Überprüfung, ist die FDA zu der Entscheidung gelangt, dass der AquAdvantage Salmon genauso sicher ist wie genetisch nicht modifizierter Atlantik Lachs und ebenso nährstoffreich", liest man auf der Website der FDA. Dabei kritisieren Umweltschützer und Gegner: Es gibt de facto keine Langzeitstudien, die belegen, welche gesundheitlichen Auswirkungen der Verzehr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf den Menschen hat. Und große Sorgen bereiten den Experten auch mögliche Folgen für die Umwelt. "Unabhängige Studien zeigen, dass gentechnisch veränderte Fische die natürlich vorkommenden Fischarten verdrängen können", sagt Landwirtschaftssprecher Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace Österreich. Ist der modifizierte Lachs erst einmal in natürliche Gewässer entwischt, kann das "nie wieder rückgängig gemacht werden". Die Behörden hingegen rechtfertigen die Zulassung damit, dass sich der Gentechnik-Lachs gar nicht fortpflanzen können soll.
"Gentechnik ist eine Hochrisikotechnologie, die wir strikt ablehnen", teilt die Umweltschutzorganisation "Global 2000" mit. Denn die Folgen der Gentechnik in der Landwirtschaft seien drastisch: Kaputte Böden, vermehrter Einsatz von Herbiziden, gesundheitliche Auswirkungen auf Tiere. "Und nach all den Jahren wurde noch immer nicht erforscht, was es für uns Menschen bedeutet, wenn wir gentechnisch veränderte Lebensmittel essen", sagt "Global 2000"-Sprecherin Lydia Matzka-Saboi.
Österreichischer "Frankenfisch"?
In Österreich liegen wohl in den nächsten Jahren keine gentechnisch veränderten Tierprodukte im Supermarkt-Regal.
Die heimische rechtliche Lage orientiert sich am europäischen Gentechnikrecht. Ohne Zulassung darf in der EU und damit in Österreich kein gentechnisch veränderter Organismus in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion landen. Dabei spielt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) eine wichtige Rolle. Sie gibt die Richtlinien für die Bewertung von gentechnisch modifizierten Produkten vor und prüft mögliche Risiken für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. "Es müssen alle möglicherweise schädlichen Effekte auf die Gesundheit und auf die Umwelt ausgeschlossen werden", heißt es auf Anfrage aus dem Gesundheitsministerium.
Der Gentechnik-Lachs der Firma "AquaBounty Technologies":
Sollte zum Beispiel der "AquAdvantage Salmon" innerhalb der EU in Verkehr gebracht werden, müsse zuerst ein Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen gestellt werden. Dazu müssten umfangreiche Dossiers eingereicht werden, die von der Efsa überprüft werden. Diese gehen dann wiederum an die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (Ages). "Abschließend muss in den entsprechenden Gremien der EU abgestimmt werden und eine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Zulassung erreicht werden. Österreich hat bisher bei allen gentechnisch veränderten Produkten die gemäß Verordnung (EU) 1829/2003 als Lebens- oder Futtermittel in Verkehr gebracht werden sollten, gegen die Zulassung gestimmt", teilt das Gesundheitsministerium mit. Ist die Mehrheit der Mitgliedstaaten allerdings für die Zulassung, darf das entsprechende Produkt in der gesamten EU auf den Markt gebracht werden, "hier ist es leider so, dass es keine nationalstaatlichen weiteren Rechte gibt."
Und das ist nicht der einzige Haken: "Es ist wichtig, dass es Zulassungsprozesse gibt. Aber oft liegt das gesamte Wissen nur beim Hersteller des Produkts und er führt meist noch die Studien durch oder gibt sie in Auftrag", kritisiert der Greenpeace-Landwirtschaftssprecher. Viele dieser Studien oder Dossiers seien nicht transparent oder öffentlich zugänglich und somit nicht nachvollziehbar. Die Efsa prüft am Ende mit ihren Mitarbeitern nur das, was das Unternehmen an Unterlagen einreicht und finanziert in der Regel keine zusätzliche unabhängige Studie. Immerhin kostet das Geld.
Unternehmen können theoretisch jederzeit einen Antrag bei der Behörde stellen, um gentechnisch veränderte Tiere in Europa auf den Markt zu bringen. "Momentan ist ein solcher Antrag für die Europäische Union nicht in Sicht", erklärt Theissing-Matei. Und ohne Kennzeichnung geht hierzulande gar nichts. Es muss laut Gesundheitsministerium klar gekennzeichnet sein, dass es sich um ein gentechnisch verändertes Produkt handelt, "damit Konsumenten aufgrund der Kennzeichnung entscheiden können, ob sie so ein Produkt kaufen wollen."
Keine Spur vom Gentechnik-Lachs
Erst vor kurzem hat die Ages in Österreich am Markt erhältliche Lachse auf eine mögliche gentechnische Veränderung überprüft. Das Ergebnis der Schwerpunktaktion der Ages im Auftrag des Gesundheitsministeriums und in Zusammenarbeit mit den Bundesländer-Lebensmittelbehörden 2017: Kein Atlantik-Lachs war gentechnisch verändert, wie die Ages mitteilt.
Man habe sich in der Risikobewertung vor allem auf transgene Pflanzen und Mikroorganismen fokussiert, da es derzeit keinen Zulassungsantrag bei der Efsa betreffend transgener Tiere gebe.
Von Champignons, die nicht braun werden
Um Geld dreht es sich auch bei der Vermarktung der Gentechnik-Tiere. Natürlich haben die Firmen ein Interesse daran, früher oder später den europäischen Markt für gentechnisch veränderte Produkte zu erschließen. Aktuell sieht der Greenpeace-Experte fast schon einen Hype rund um die Erforschung von gentechnisch veränderten Tieren.
"Genome Editing" lautet das übergeordnete Stichwort. Wobei der neueste Trend dahin geht, eine genetische Veränderung hervorzurufen, meist ohne artfremde DNA einzuschleusen. Bei Pflanzen wurden derartige neue Methoden bereits erfolgreich angewandt: Dank des Gentechnikverfahrens CRISPR/Cas existieren Champignons, die nicht mehr braun werden. "Genome Editing" verhalf Kanada zu einem Raps, der ein Insektizid produziert. Ist das überhaupt Gentechnik im klassischen Sinn? Und vor allem im Sinn des EU-Gentechnikrechts? "Ja", sagen Umweltschützer. "Die Industrie argumentiert, dass sich das Tier auch natürlich so hätte entwickeln können. Aber das hat es nicht. Es bleibt ein gezielter Laboreingriff, bei dem an der DNA herumgeschnipselt wird", sagt Theissing-Matei.
Genau mit diesem Thema beschäftigt sich gerade ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, das von Bauern- und Umweltverbänden in Frankreich initiiert wurde. Sie wollen wissen, ob diese neuen Methoden unter die EU-Richtlinie fallen - bis spätestens Anfang 2018 muss das Gericht eine Entscheidung fällen.
Derzeit gibt es zu diesen neuen Züchtungstechniken also noch keine eindeutige Regelung, "aber wir als zuständiges Ministerium vertreten die Fachmeinung, dass diese Techniken ebenso unter das EU-Gentechnikrecht fallen und daher alle Anforderungen an die Zulassung eingehalten werden müssen. Wir setzen uns auf EU-Ebene dafür ein, dass die Diskussion und das Ergebnis in diese Richtung gehen", lautet die Stellungnahme des Gesundheitsministeriums.
Die Turbo-Mast macht's möglich
Eine große Lücke klafft bereits: Tierische Produkte, bei denen Tiere mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln gefüttert wurden, fallen nicht unter die Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung. Eine Garantie für wirklich gentechnikfreie Produkte würde es bei Bio-Produkten und Lebensmitteln mit dem grün-weißen "Ohne genTechnik hergestellt"-Siegel geben, erklärt Theissing-Matei.
Hinzu kommt, dass vor allem Nutztierarten wie Rinder, Schweine und Geflügel heute überzüchtet sind. Und die Experimente gehen noch weiter: In den USA forscht man derzeit an marktfähigen "double-muscled pigs", Schweinen mit der doppelten Muskelmasse. "Wir sind eigentlich schon an einem Punkt, an dem man einen Schritt zurückgehen müsste. Weiter auf Turbo-Mast zu setzen, ist sicher der falsche Weg", teilt der Greenpeace-Experte mit. Unter anderem macht die fortlaufende Überzüchtung die Tiere immer anfälliger für Krankheiten und ist ein Grund für den hohen Einsatz an Antibiotika. Letztendlich isst der Konsument das alles mit - auch in Österreich. Bei der Mast von Schweinen wird häufig gentechnisch verändertes Soja gefüttert.
Es gibt jedoch Lichtblicke: In Österreich haben sich beispielsweise die gesamte Geflügel- und Milchbranche dafür entschieden, gentechnikfrei zu füttern.
Der Greenpeace-Experte zeigt sich überzeugt: "Jetzt sind in Europa noch genmanipulierte Pflanzen das Hauptthema, aber die Tiere werden folgen". Österreich dürfe sich nicht auf seinem Ruf als Land der Gentechnik-Gegner ausruhen.