Kaum ist Gerald Fleischmann offiziell wieder dort, wo er nie aufgehört hat zu sein, zeigt Roland Weißmann, dass er immer noch nicht ist, was er sein sollte. ORF-General und ÖVP-Kommunikator personifizieren ein Missverhältnis von Medien und Politik
Kaum ist Gerald Fleischmann offiziell wieder dort, wo er nie aufgehört hat zu sein, zeigt Roland Weißmann, dass er immer noch nicht ist, was er sein sollte. ORF-General und ÖVP-Kommunikator personifizieren ein Missverhältnis von Medien und Politik
Gerald Fleischmann ist ÖVP-Kommunikationschef: Diese Bumerang-Berufung bedeutet die Rückkehr des "Mister Message Control" ins Zentrum der politischen Macht. Entsprechend heftig waren die Medienreaktionen. Einerseits infolge des Eindrucks der Vorab-Rehabilitation eines engen Vertrauten von Sebastian Kurz - trotz weiterer Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zur Inseratenaffäre gegen beide. Mehr noch aber wegen der nun vollends unglaubwürdigen Distanzierung von Karl Nehammer zur Phase seines Vorgängers als Parteichef und Bundeskanzler.
Für Fleischmann muss es als paradoxe Erlösung gewirkt haben, dass die Empörung über seine Bestellung ausgerechnet von der Aufregung um einen Medienmenschen abgelöst wird. Denn mit der Drohung "Mehr Geld oder weniger Leistung" hat ORF-Generaldirektor Roland Weißmann in Sachen öffentliches Unvermögen den Vogel abgeschossen. Während sogar die moralisierenden Kritiker Fleischmann unterschwellig ihren professionellen Respekt zollen, verfestigt der Herr vom Küniglberg jenes Image einer Fehlbesetzung, das ihm seit seiner Wahl so schwer löslich wie Superkleber anhaftet.
Diese Geringschätzung hat sich vom Vorurteil zum Erfahrungswert vertieft. Denn der seit elf Monaten amtierende Weißmann agiert zwar durchaus diplomatisch geschickt, lässt aber in entscheidenden Momenten Zielvorstellungen und Führungsstärke vermissen. Sein anfängliches Mantra "Ich war auch Journalist" ist gescheitert, seit er die eigenen Redaktionen mit der Halbierung der Texteinheiten auf news.orf.at brüskiert hat. Trotzdem scheint hinter den Kulissen ein undeklarierter Nichtangriffspakt zu halten. Denn in allen kritischen Stellungnahmen des Redakteursrats zu seinem eigenen Unternehmen fehlt der General. So wie er sich selbst aus dem Spiel nahm, als es darum ging, Flagge im Fall des zurückgetretenen Chefredakteurs Matthias Schrom zu zeigen. In Diskussionen zu ihm und seinem "Presse"-Kollegen Rainer Nowak übernahm Radiodirektorin Ingrid Thurnher die Rolle der Hausherrin. Anders als der Alleingeschäftsführer an den Registern der größten Medienorgel des Landes muss sie nicht offensiv daran erinnern, dass sie Journalistin war. Sie ist in dieser Rolle bestens im Gedächtnis.
Dieser Schachzug mag als kommunikativ klug durchgehen, doch Leadership sieht anders aus. Was sich bei der Online-Selbstbeschränkung der blauen Seite angedeutet hat, wirkt aber nicht nur zur pragmatischen Verhältnisbildung mit den Zeitungsverlegern durchaus clever. Die auffällige Suche eines Ausgleichs mit dem stärksten Privatsender ServusTV unterstreicht diese Gewandtheit von Weißmann. Mit der noch größeren Gruppe um Puls 4 und ATV gibt es ohnehin längst friedliche Koexistenz. Das alles ist vor allem im Sinne eines Regierungsprogramms, das die Kooperation des öffentlich-rechtlichen mit privaten Anbietern vorsieht. Es stammt von Anfang 2020, dem Höhepunkt der türkisen Macht - mit Gerald Fleischmann als Um und Auf der volksparteilichen Kommunikation.
Das war er auch noch 2021, als die ÖVP Roland Weißmann zum ORF-Generaldirektor wählen ließ. Einen, der weiß, woher er kommt. Deshalb fällt ihm nichts Besseres ein, als seinen Wahlverein, den Stiftungsrat, um mehr Geld anzuflehen: nach der aktuell achtprozentigen Gebührenerhöhung, vor einer erzwungenen Neuaufstellung seiner Finanzierung, wegen der Teuerung. Ansonsten sei "die Finanzierung der gesetzlichen Aufträge (...) nicht mehr garantiert". Von einem Plan, wie der auf vier TV-Kanäle, zwölf Radioprogramme und ein großes digitales Angebot gewachsene ORF durch Verschlankung qualitativ und finanziell gesunden könnte, schreibt Weißmann nicht. Denn er hat dafür keinen Plan. Das disqualifiziert ihn als Medienmanager, aber empfiehlt ihn der Medienpolitik. Auch sie hat keinen Plan. Denn an eine Redimensionierung des ORF denken nur Neos - die einzige Partei, die dort noch nie an den Schalthebeln saß.