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2nd OPINION: Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus

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©gen. by MJ
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Politische Kommunikation ist ein komplexes und manchmal auch geheimnisvolles Geschäft. Besonders komplex und geheimnisvoll ist es in Österreich, wo Direktheit als Affront und Ehrlichkeit als Schwäche gilt: Aufzeichnungen aus dem kommunikativen Irrenhaus

Unter den politischen Kommunikationsstrategien in der Welt gibt es ein paar besonders österreichische. Man erkennt sie daran, dass sie schwer fassbar zwischen Lüge und Unwahrheit oszillieren, und an ihrer intrinsischen Neigung zum Misserfolg. Der Österreicher kommuniziert bekanntlich immer gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen, weil er Direktheit für einen Affront und Ehrlichkeit für eine Schwäche hält, der österreichische Politiker ist nicht anders. Eine sehr beliebte österreichische Kommunikationsstrategie ist die gnadenlose Konstruktivität. Sie wird auch vom amtierenden Bundeskanzler benutzt und hat ihre Funktionstüchtigkeit im gerade erst zu Ende gegangenen Wahlkampf eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Indem Karl Nehammer und/oder die ÖVP, das ist noch nicht ganz klar, erklärte, dass man nach der Wahl gerne mit der FPÖ, nicht aber mit Herbert Kickl koalieren werde, gelang es ihm, die Verluste seiner Partei im zweistelligen Prozentbereich zu halten, was im Vergleich zu den schlechtesten Umfragen der letzten Jahre einen beachtlichen Erfolg darstellt, zumindest aus der Sicht der ÖVP, und darauf kommt es an.

Lauter Sieger

Wenn man gnadenlose Konstruktivität mit Vergleichen kombiniert, die nicht hinken, aber im Rollstuhl fahren, kann man so gut wie jede Niederlage in einen Sieg verwandeln. Markus Wallner, der dortige Landeshauptmann, hat gerade bei den Landtagswahlen in Vorarlberg nur die Hälfte von Karl Nehammer verloren und weiß jetzt gar nicht, wohin mit seiner Freude, er grinst seit Tagen wie ein Hutschpferd. Wallner hatte, um seine potenzielle Wählerschaft noch einmal zu mobilisieren, am Ende des Wahlkampfs immer darauf hingewiesen, dass es sehr knapp werden würde zwischen ÖVP und FPÖ – um sich hinterher darüber zu beklagen, dass er „abgeschrieben worden“ sei. Weitgehende Schmerzbefreitheit ist auch eine wich-tige Voraussetzung in der politischen Kommunikation.

Die Schmerzbefreitheit hat auch wieder unterschiedliche Gesichter, eines der markantesten trägt die Züge von Herbert Kickl. Schwer zu sagen, ob es ein Gegenteil zur gnadenlosen Konstruktivität gibt, aber wenn es existiert, dann ist der FPÖ-Chef und Wahlsieger sein Großmeister. In Vorbereitung der dieswöchigen Sondierungsgespräche, in denen ausgelotet werden soll, wie es um die Gesprächsbasis zwischen den drei größeren Parteien im Land, die jeweils in einer Zweierkoalition regieren könnten, bestellt ist, machte er keine Gefangenen: Dem Bundespräsidenten, der, wenn auch nicht so sehr wie man manchmal glaubt, aber doch irgendwie der Herr des Regierungsbildungsverfahrens ist, richtete er aus, dass er ein unnötiger Schwurbler sei. Und den Vorsitzenden der ÖVP, mit der er gerne eine Regierung bilden möchte, verspottete er als Loser, der endlich den Weg frei machen soll, damit er, der Sieger, mit der Verliererpartei zu Potte kommen kann.

Von ähnlicher kommunikativer Komplexität waren letzthin die Bemühungen des Kommunikationsexperten Rudolf Fußi, seine Kampfkandidatur um den Vorsitz der SPÖ als Freundschaftsdienst an Andreas Babler darzustellen, um nicht zu sagen, als Vollendung von dessen Werk. Ganz verstanden hat diesen Stunt bis jetzt noch niemand. Der anfängliche Verdacht, dass der verhaltenskreative PR-Mann von jemand Größerem beauftragt worden sein könnte, als Abrissbirne den Weg in die Partei-ruine freizumachen, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Und das, obwohl sich der burgenländische Landeshauptmann den früheren SPÖ-Vorsitzenden Chris-tian Kern als Kanzler zurückwünscht, was eigentlich nur daran scheitert, dass derzeit der SPÖ-Vorsitzende, wer immer es sein möge, nicht Kanzler werden kann. Es sei denn, er würde von FPÖ und ÖVP nominiert, um das Patt aufzulösen, das entstanden ist, weil die FPÖ zwar mit der ÖVP will, das aber nur ohne Karl Nehammer kann, und die ÖVP mit der FPÖ auch wollte, wenn es sie ohne Herbert Kickl gäbe. Eine FPÖ-ÖVP-Koalition unter Christian Kern, das wäre auch nicht ganz unösterreichisch, wurde so aber noch nicht vorgeschlagen, nicht einmal von Rudolf Fußi.

Eine FPÖ-ÖVP-Koalition unter Christian Kern, das wäre auch nicht ganz unösterreichisch, wurde so aber noch nicht vorgeschlagen, nicht einmal von Rudolf Fußi.

Ein Komplott

Auch nicht von den Medien, obwohl die aus Sicht der SPÖ schuld an allem sind. Die Spitzenjünger der Babler-Sekte, die seit Langem behaupten, dass der ausgebliebene Wahlerfolg des Traiskirchener Bürgermeisters die unmittelbare Folge eines medialen Komplotts sei, haben auch die Tatsache, dass Rudolf Fußis halbstündige Rede anlässlich seiner Kandidatur sehr große Aufmerksamkeit fand, sehr schnell in ihre Verschwörungstheorie integriert. Was besonders lustig ist, weil einer der besten Schreiber in der Branche in einem wirklich luziden Text reflektierte, wie niederschmetternd für die Welt und die SPÖ die Tatsache sei, dass sich heute jeder irgendwo hinstellen und den Parteivorsitz in Anspruch nehmen könne, weil er wisse, dass er in einer medialen Situation, in der nicht Maß noch Mitte existiere, ein ungebührlich hohes Maß an Aufmerksamkeit bekommen könne.

Das betreffende Medium hat Fußis Pressekonferenz live gestreamt.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 42/2024 erschienen.

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