Kaiserurenkel Ferdinand Habsburg ist Rennfahrer und Grand-Prix-Reporter. Nun spricht der künftige Clanchef über seine Sinnsuche zwischen brutalem Wettkampf und tiefem Glauben: Er redet oft mit seinem Opa Otto im Himmel, liebt die Frauen - und ist Mama Francesca für ihre Watschen dankbar
Herr Habsburg, Ihre Performance als rasender ORF- Außenreporter für die Formel 1 brachte Ihnen überwiegend wohlwollende Kritiken ein. Ist das der erste Job, mit dem Sie auch Geld verdienen?
Mehr oder weniger. Ich würde sagen, mein erster "normaler" Job war mein Präsenzdienst beim Bundesheer, wo ich in einer Lagerhalle gearbeitet habe. Da habe ich an die 200 Euro pro Monat bekommen, das war schon nicht schlecht. Zuvor habe ich eigentlich immer nur Verrücktes gemacht wie etwa Rennfahren. Und auch wenn das jetzt seltsam klingt: Mein Herz sagte mir, dass ich es bislang verabsäumte hatte, etwas ganz Normales, Bürgerliches zu machen. Obwohl, so ganz normal ist mein ORF-Job ja auch nicht.
In der Tat: Sie holten etwa vor laufender Kamera Ihren "Chefs" Ernst Hausleitner und Alexander Wurz im strömenden Regen Pommes an deren trockenes Kommentatorenplätzchen. Immerhin sind Sie das künftige Familienoberhaupt der Habsburger - was hätte denn wohl Ihr Urgroßvater, der Kaiser, dazu gesagt?
Ich glaube, er würde das hinterfragen, aber ich hoffe, er würde es als Zeichen der Bodenständigkeit, als Learning Experience sehen. Es ist mir wurscht, ob ich hierarchisch ganz oben oder ganz unten bin, solange ich etwas tue, was ich genieße. In diesem Fall war es mein Job, eine Lücke zu füllen, wir mussten trotz Regenpause vier Stunden auf Sendung bleiben. Ob ich das wieder machen würde? Ich habe aus der Familie sehr kontroverse Rückmeldungen bekommen: Die einen waren enttäuscht und meinten, das sei falsch, die anderen hatten Freude damit, dass da ein jugendlicher Typ zeigt, dass er Spaß hat. Ich versuche eben, herauszufinden, was es bedeutet, in der heutigen Welt ein Habsburger zu sein.
Ihr Vater erzählte mir, dass er zu seinem seliggesprochenen Großvater, dem Kaiser, zwar nicht bete, aber immerhin Zwiegespräche mit ihm führe. Machen Sie das auch?
Mit Kaiser Karl nicht, zu dem hatte ich keine persönliche Beziehung, aber mit meinem Opapa Otto von Habsburg spreche ich fast täglich. Ich spüre, dass er stets bei mir ist.
Er ist stets bei Ihnen?
Er sitzt im Himmel, schaut auf mich runter und lächelt, wenn ich etwas Gutes tue - und tröstet mich, wenn ich einen Fehler mache. Er hat mich so stark geprägt, dass ich mich oft bei ihm bedanke.
Muss man ein hemmungsloser Egoist sein, um im Rennsport voranzukommen?
In vielen Momenten ja.
Über dem öffentlichen Wirken der Habsburger steht stets das Leitmotiv "Wertkonservativismus und Katholizität": Prallen da in Ihrer Biografie nicht zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander?
Wettbewerb ist nun einmal egozentrisch, ja. Die Frage, mit der ich mich stark beschäftige, ist für mich daher eigentlich: Wie kann ich meine Wettkampfnatur mit meinem Glauben verbinden? Sobald ich mir meinen Helm aufsetze, bin ich, so wie fast jeder Mensch, zielstrebig. Jeder Mensch möchte sich selbst stolz machen und das erreichen, wovon er träumt. Und dafür muss man manchmal Sachen tun, die man eigentlich gar nicht machen will. Aber wenn ich aus dem Auto aussteige, sind diese Regeln nicht mehr da, dann geht es darum, mich selbst als Mensch zu verbessern. Wie benehme ich mich, wie verhalte ich mich, wie bleibe ich meinem Herzen treu?
Klingt ein wenig schizophren.
Ich weiß jetzt nicht, ob das auch bei mir der Fall ist, aber ich würde sagen: Die verrücktesten Menschen sind mitunter die Erleuchtetsten. Es ist verdammt schwierig, ein Rennfahrer zu sein, es ist anstrengend, du musst konstant diesen Killerinstinkt in dir haben, mit dir selbst gut umgehen können. Da habe ich viel gelernt, was mir dann auch im Leben geholfen hat.
Zum Beispiel?
Wie du unter Druck auf Enttäuschungen reagierst: Du willst Erfolg, du willst weiterkommen in deiner Karriere - aber es passiert nicht oder nur sehr selten, dass du tatsächlich Rennen gewinnst. Es gibt nur ganz, ganz wenige Momente im Motorsport, in denen du bekommst, was du willst, weil es so viele gibt, die dasselbe wollen. So, und wie gehst du damit um? Da kommt dann wieder der Glaube ins Spiel, der dich bestärkt.
Aus Ihrer Sicht ist das Leben gottgegeben. Wie geht das damit zusammen, sich permanent in Lebensgefahr zu begeben?
Jeder, der zum McDonald's reingeht, spielt auch mit seinem Leben. Ich glaube, das ist fast noch gefährlicher als mein Rennfahren. Ich glaube, der liebe Gott will, dass wir Freude haben und dass wir unser Leben auch genießen können. Und er gibt dir die Freiheit, zu entscheiden, wie das für dich am besten funktioniert.
Dennoch: Jemand, der so fährt wie Sie, lotet doch permanent seine Grenzen aus ...
Deswegen bin ich wahrscheinlich kein Motorradrennfahrer, denn das ist wirklich verrückt. Gefahr ist ein Teil des Thrills Rennfahren, das ist historisch gewachsen und soll auch so bleiben. Es ist Teil dessen, was dich an die Fragilität des Lebens erinnert - und das ist ja eigentlich ein Hammer! Es ist so cool, dass man sich daran konstant erinnert. Wenn ich mein Leben nur mit garantiert gefahrfreien Dingen verbringen würde, wäre ich ein wirklich langweiliger Mensch und hätte wahrscheinlich wenig Freude am Leben. Gefahr und Sterben sind Teil des Lebens, davon soll man sich nicht zu sehr beeinflussen lassen. Man soll natürlich nicht dumm und leichtsinnig sein, aber ich hätte kein Problem damit, früh zu sterben, solange ich gut und freudig gelebt habe - und danach in den Himmel komme. Wann, das ist nicht so wichtig.
Gibt es während eines Rennens diesen Zustand, wo man in eine Art Trance, eine Art Flow kommt? Oder ist da nur pures Adrenalin?
Beides. Wenn man einmal mit 250 Stundenkilometern über die deutsche Autobahn gefahren ist, dann weiß man ungefähr, dass die Hände ein wenig zu schwitzen beginnen und sich das Sichtfeld sukzessive einschränkt. Du zwingst deinen Körper in eine absolute Fokussierung hinein - Rennfahren ist für mich so, als würde ich mich trauen, ein Mädchen zum ersten Mal zu küssen, eine einzigartige Mischung aus Nervosität und Excitement. Das ist für mich der beste Weg, es zu beschreiben. Natürlich kommst du auch in einen Flow - aber auch wenn du ein Mädchen küsst, wird es kein guter Kuss sein, wenn du dabei zu viel nachdenkst. Und genauso ist das beim Rennfahren.
Dabei geht es in diesem Sport heute ja vergleichsweise korrekt zu. Keine Playboys mehr, keine verwegenen Party-Animals, keine Frauenhelden ...
Nein, nein, die gibt es nach wie vor, sie verstecken sich einfach nur. Viele Rennfahrer sind "Tryhard-Playboys", die sich dann aber doch lieber verstecken. Früher hieß es: Ich könnte morgen sterben, deshalb muss ich heute leben. Heute sind die coolen Typen irgendwie anders.
Nämlich?
Sie sind gewillt, für ihre Liebe oder ihre Familie etwas aufzugeben. Das finde ich wirklich cool - auch wenn es etwas anderes ist als früher der Playboy.
Rennfahren und Vaterschaft, wäre das denn für Sie kompatibel?
Die meisten Rennfahrer werden eine halbe Sekunde langsamer, sobald sie Kinder haben. Aber wenn es passiert, dann passiert es, das werde ich nicht groß entscheiden. Aber ich könnte ja auch Priester werden, somit hätte ich keine Kinder.
Priester - ist das jetzt so dahingesagt oder tatsächlich eine Option?
Ich bin offen dafür, es zu tun, wenn der liebe Gott mich rufen würde. Aber diese Berufung habe ich noch nicht bekommen. Womöglich hängt das damit zusammen, dass ich Frauen viel zu sehr liebe. Ich denke, das versteht der liebe Gott.
Wenn man den Klatschgazetten Glauben schenkt, sind Sie derzeit in einer glücklichen Beziehung. Warum ist die denn nicht öffentlich, warum muss ein Habsburger im Geheimen lieben?
Weil es keinen etwas angeht, was ich in meiner Privatzeit und meinem Date Life tue.
Und nicht, weil die Öffentlichkeit in der Freundin des Habsburger-Stammhalters gleich eine "neue Sisi" sehen würde und die Beziehung dadurch viel zu aufgeladen wäre, um scheitern zu dürfen? In Ihrem Alter hat man doch das Recht auf scheiternde Beziehungen.
Ich darf Sie beruhigen, natürlich ist mir das auch schon passiert. Aber das, was Sie da erwähnen, beeinträchtigt mich nicht, ich führe meine Beziehung so, wie ich das will.
Und wenn Sie einmal verheiratet sein werden und Familie haben?
Ich halte die Familie für das absolute Fundament des Lebens. Und dass es heute so rasch geht, sich zu trennen oder scheiden zu lassen, halte ich für eine Schande. Ich denke, durch eine Scheidung verliert man letztendlich sogar an Freiheit, weil das selbstbestimmte Ja plötzlich keinen Wert mehr hat. Für mich ist die Ehe ein Versprechen, das man bis zum Tod lebt. Aber das sehe eben ich so, ich will da niemanden belehren, zumal ja auch in meiner Familie Ehen scheitern. Das ist vielleicht so ein Political-Incorrectness-Ding, dass ich zur absoluten Heiligkeit der Ehe stehe.
Stimmt es, dass Sie sich ab und zu ins Kloster zurückziehen, um sich zu erden?
Ja, ich gehe immer wieder ins Kloster, manchmal für drei Tage, manchmal für eine Woche - erstens gibt es dort keinen Handyempfang, zweitens wird dort, wohin ich zum letzten Mal ging, nämlich im Kloster Bethlehem im Pongau, bis auf die Messen und die Anbetung geschwiegen. Das ist ein bisschen so wie Trainieren. Es hilft manchmal, in der Stille zu leben, um besser auf sein Herz hören zu können, ihm mehr Platz zu geben und nicht immer zu sehr mit dem Kopf unterwegs zu sein - und das ist in einer lauten Umgebung wie in einer Stadt oder auf einer Rennstrecke schwierig.
Wie erklären Sie sich vor diesem Hintergrund, dass die Kirchen leer sind?
Ich finde das unfassbar traurig. Ich denke, die Welt ist sehr selbstsüchtig geworden - und auf der anderen Seite steht die Kirche, die zu Unrecht das Image hat, dich stets zu maßregeln: "Du darfst dies nicht, du darfst das nicht." In einer Welt, in der man sich so leicht ablenken kann, ist es umso unangenehmer, in eine Kirche zu gehen - weil sie einen mit einem Teil seiner selbst konfrontiert, mit dem man sich eigentlich nicht auseinandersetzen will. Aber wenn man es doch tut, fühlt man sich danach so frei. Dabei bin ich von elf bis 17 nie in die Kirche und auch nicht in den Religionsunterricht, weil ich es nicht wollte und meine Eltern es mir freistellten. Doch dann hatte ich einen Freund, der Priester werden wollte, und habe viel Zeit mit ihm verbracht - und so beschloss ich mit 18, mich firmen zu lassen.
Weil Sie auf einer Art Sinnsuche waren?
Ich war Teil einer sehr materialistischen Welt und habe mich selbst auch sehr materialistisch benommen. Ich versuchte zwar, mein Herz zu füllen, aber die Lücke wurde trotzdem immer größer, und ich wurde immer unzufriedener. Doch dann merkte ich, dass ich ein Trottel war - weil ich bisher nicht bemerkt hatte, dass es etwas Größeres braucht, um diese Lücke zu füllen.
Das heißt, das ewige Klischee vom "armen, reichen Kind", das stimmt tatsächlich?
Das möchte ich nicht so verallgemeinernd sagen - aber ich selbst empfand eine richtige Leere, habe das aber gottlob früh genug mitbekommen.
Dabei bestärkte Sie Ihre Mutter schon früh darin, konsequent Ihren größten Interessen zu folgen.
Oh ja, und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Mich interessierten als Teenager in erster Linie Rockmusik und Autorennen, also sagte sie: "Na gut, dann werde eben Rockstar oder Rennfahrer." Aber mit ultimativen Freiheiten wird sich - auch wenn sie schön sind, auch wenn sie süchtig machen - jeder irgendwann einmal schwer tun. Und da ist das katholische Leben ein Geschenk.
Stimmt es, dass Ihnen Ihre Mutter ab und zu auch eine Watschen verabreichte, wenn Sie es mit den Freiheiten zu weit trieben?
Ja, und das war absolut wichtig und gerechtfertigt. Ich habe es damals verdient.
Wäre das auch für den künftigen Vater Ferdinand Habsburg die pädagogische Ultima ratio?
Ich bin noch kein Vater, noch nicht, aber ich kann sagen: In den Momenten hat mir das sehr viel gebracht. Ich glaube, ich bin ein besserer Mensch geworden, weil mir meine Mutter dadurch eine Linie zeigte.
Das Interview ist ursprünglich im News Nr. 39/2021 erschienen.