Ein erheblicher Teil der Wähler hat nicht nur das Gefühl, dass sich der Lebensstandard für sie persönlich verschlechtert, sondern auch, dass auf sie gepfiffen wird
FAKTUM DER WOCHE
Nicht wenige Menschen sind aufgrund des Aufstiegs der FPÖ unter Führung von Herbert Kickl um die Demokratie besorgt, viele wählen sie trotzdem: Ist ihnen alles egal? Das ist nicht der Punkt. Eher bilden demokratische Verhältnisse, die empfunden werden, eine Grundlage freiheitlicher Wahlerfolge.
Mit Demokratie geht ein Versprechen einher: Alle sind gleichwertig. In Zeiten multipler Krisen nimmt eine größere Gruppe der Bevölkerung jedoch Verschlechterungen wahr. Genauer: Fast die Hälfte der Österreicher hat das Gefühl, dass ihr persönlicher Lebensstandard sinkt. Das ist das eine. Das andere, was im Zusammenhang damit wesentlich ist, ist dies: Ein Teil ist der Überzeugung, dass ihre Stimme ignoriert wird. Dass sozusagen also auf sie gepfiffen wird. Darauf lassen Ergebnisse von Eurobarometer-Erhebungen im Auftrag der EU sowie Wahltagsbefragungen schließen, die das Sozialforschungsinstitut „Foresight“ für den ORF durchgeführt hat.
Bei einer solchen Befragung zur Nationalratswahl im vergangenen September wurde untersucht, wie die Feststellung gesehen wird, dass Demokratie Probleme mit sich bringen möge, jedoch besser sei als jede andere Regierungsform. Herausgekommen ist, dass dem 80 bis 85 Prozent der Wähler von ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen „sehr“ zustimmen. Bei Wählern der FPÖ handelte es sich im Unterschied dazu um nur 55 Prozent, wird also stärker bezweifelt, dass Demokratie die beste Regierungsform ist.
Vor diesem Hintergrund kann man davon ausgehen, dass die FPÖ nicht punktet, obwohl sich Kickl zum Beispiel anbietet, „Volkskanzler“ zu werden und damit den Eindruck erweckt, sich unter anderem über Parteien und die repräsentative Demokratie hinwegsetzen zu wollen, sondern weil er es tut: Es entspricht einer verbreiteten Überzeugung, dass das bestehende „System“, von dem er spricht, nicht mehr liefert, wofür es steht.