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Dem Votum war ein politischer Streit über die Zusammensetzung der neuen Kommission vorangegangen, der aber vorige Woche beigelegt wurde. Auf Widerstand bei Liberalen, Sozialdemokraten, Grünen und Linken stieß, dass der Italiener Raffaele Fitto von den in Rom die Regierung anführenden, rechtsnationalen Fratelli d'Italia (FdI, Brüder Italiens) einer von sechs Vize-Präsidenten des neuen Kommissar-Teams werden sollte.
Österreichs neuer EU-Kommissar Magnus Brunner (ÖVP), der für die Themen Inneres und Migration zuständig sein wird, nannte die Ausarbeitung einer Strategie für Europa im Bereich Innere Sicherheit als Priorität in den ersten Wochen seiner Amtszeit. Weiters wolle er an der Reform der EU-Gesetze für Rückführungen arbeiten, sagte er in einem Statement vor der Presse in Brüssel. Beim EU-Asyl- und Migrationspaktes, wo es seine Aufgabe sein wird, auf die Umsetzung durch die EU-Staaten zu achten, will Brunner aufs Reden und Zuhören setzen.
Kurz vor dem Votum hatte die deutsche Politikerin von der Leyen nochmals für eine Zustimmung geworben. Sie werde mit "allen demokratischen, pro-europäischen Kräften" zusammenarbeiten, sagte sie in einer Rede vor dem EU-Parlament. Laut dem offizielle Abstimmungsergebnis haben die Parlamentarier der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten (S&D) und der Liberalen (Renew) mehrheitlich für die Kommission gestimmt. Die Grüne Fraktion und die Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) waren gespalten. Gegen die neue EU-Kommission gestimmt haben die Patrioten für Europa (PfE), Europa der Souveränen Nationen (ESN) und die Linke Fraktion.
"Wir lehnen diese Kommission ab - nicht nur mit einem einfachen Nein, sondern mit einem dreifachen, einem fünffachen Nein", reagierte der FPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, in einer Aussendung. Er begründete die Entscheidung mit Verweis auf die Migrationspolitik, die "Kriegstreiberei" und die "Deindustrialisierung Europas" für die er die Kommission verantwortlich sieht.
Der ÖVP-Delegationsleiter Reinhold Lopatka begrüßt in einer Pressemitteilung, dass von der Leyen "ihren Schwerpunkt auf Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit" legen wolle. "Nur mit einer starken Wirtschaft und einem starken Binnenmarkt ist unser europäisches Lebensmodell mit all seinen Leistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger auch finanzierbar".
"Es war keine Entscheidung, die uns leichtgefallen ist, aber als Sozialdemokratische Fraktion haben wir unsere Verantwortung für Europa ernst genommen und uns entschlossen, die EU-Kommission als solche zu bestätigen", erklärte SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder. Er kritisierte die EVP, deren Abgeordneten die Anhörungen der Kommissare teils "für ein nationales Schauspiel missbraucht" hätten. Von der Leyen stammt aus den Reihen der deutschen Christdemokraten (CDU) und damit der EVP.
"Antifaschismus ist eine demokratische Grundhaltung", begründeten die Grünen EU-Parlamentarier aus Österreich, Thomas Waitz und Lena Schilling ihr Nein zur EU-Kommission. "Eine Kommission mit einem Vizekommissar aus einer post-faschistischen Partei ist eine rote Linie, die wir nicht überschreiten. Wir wollen anti-demokratische Parteien nicht normalisieren."
"Die aktuellen Krisen dulden keinen weiteren Aufschub", so NEOS-Delegationsleiter Helmut Brandstätter. "Die Menschen erwarten von der Europäischen Union konkrete Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit."
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wünscht der neuen Kommission "viel Ausdauer, Mut und Kraft im Einsatz für ein demokratisches, ökologisches, sicheres und soziales Europa", schrieb er auch der Onlineplattform X. Er gratulierte auch Brunner. "Dass seine Amtszeit voraussichtlich mit dem Vollbeitritt von Rumänien und Bulgarien zur Schengen-Zone beginnt, freut mich besonders."
Der Generalsekretär der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKÖ), Karlheinz Kopf, gratulierte der neuen Kommission in einer Aussendung. "Jetzt muss es darum gehen, Vertrauen aufzubauen und die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken: Maßnahmen gegen hohe Energiekosten, einseitige Abhängigkeiten und massive bürokratische Belastungen müssen jetzt rasch und entschlossen umgesetzt werden".
"Die neue EU-Kommission muss in den nächsten Wochen und Monaten beweisen, dass sie dem Klima- und Naturschutz die nötige Priorität einräumt", fordert Greenpeace-Österreich-Sprecherin Ursula Bittner. "Die EU darf die Menschen, die von Überschwemmungen, Umweltzerstörung und Unsicherheit betroffen sind, nicht im Stich lassen."
"Gerade jetzt braucht die EU Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit, um die drängenden Herausforderungen zu bewältigen", reagierte dann auch Ex-WKÖ-Präsident und Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl.