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Die Epoche der Grandhotels

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Peter Sichrovsky

©News/Ricardo Herrgott
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Vor 250 Jahren öffnete die erste Luxusherberge - Reisen war einst mühsam und gefährlich und die Gaststätten schmutzig, übelriechend und voller Ungeziefer.

Ich muss gestehen, ich bin süchtig nach schönen Hotels. Hätte ich rechtzeitig in Facebook investiert, würde ich meine Wohnung aufgeben und in einem Hotel meine letzten Jahre verbringen. Bis heute erzählt man in meiner Familie die Geschichte eines entfernten Onkels, dessen Ehefrau ihn eines Tages verlassen hatte. Die Kinder waren bereits erwachsen, so dass er beschloss, eine Weltreise zu planen, um sich abzulenken.

Nach einem Monat quer durch Asien, was ihn eher langweilte, erreichte er Paris und buchte für eine Woche eine Suite im obersten Stockwerk eines kleinen Hotels direkt an der Seine. 26 Jahre später fand ihn das Zimmerservice, das in schwarzem Kleid und weißer Schürze jeden Morgen das Frühstück brachte, tot in seinem Bett. Er war im Schlaf gestorben. Coco Chanel blieb übrigens 37 Jahre im Pariser Ritz.

London

Vor 250 Jahren, am 25. Jänner 1774, eröffnete der Perückenmacher David Low in London, King Street 43, das erste Grandhotel. Für 200 Pfund pro Jahr mietete er das Palais eines Adeligen. Das Gebäude steht heute noch mit luxuriösen Apartments und dem Blick auf Covent Garden, einem großen Platz inmitten des Theaterviertels mit Restaurants, Geschäften und dem Royal Opera House.

Angeblich gingen Low die verwanzten und schmutzigen Perücken seiner adeligen Kundschaft auf die Nerven, die er, wann immer sie von einer Reise zurückkamen, säubern und reparieren musste.

Reisen war einst ungemütlich und gefährlich. Adelige planten ihre Ausfahrten, so dass sie bei Verwandten in Schlössern und Burgen übernachten konnten. Doch die Pferde der Kutschen mussten ausgetauscht werden, oft waren Reparaturen an den Rädern notwendig, die Straßen holprig und voller Löcher, Brücken brachen bei Hochwasser, und wenn man bei Tageslicht nicht die nächste Gaststätte erreichte, drohten Raub und Mord. Handwerker versuchten während der Wanderjahre, Zunftkollegen zu erreichen, und Mönche organisierten ihre Reisen von Kloster zu Kloster.

Erst die Einrichtung der Postkutsche im 18. Jahrhundert förderte die Reiselust, und bald gab es in Deutschland 80.000 Gaststädten, wenn auch auf schrecklichem Niveau, mit wenigen Zimmern, stinkenden Nachttöpfen unter den Betten, Massenlagern auf Stroh mit Lederflecken, um nicht während des Schlafes von Ungeziefer angeknabbert zu werden.

Japan

In Japan gab es schon Jahrhunderte früher Herbergen, in denen sich die Gäste in Becken mit heißem Wasser erholten. Das Nishiyama Onsen Keiunkan Resort in der Nähe des Fuji hält übrigens den Rekord als das älteste Hotel der Welt, wurde im achten Jahrhundert eröffnet und ist seit 52 Generationen im Besitz einer Familie.

Low wollte den Adeligen ein angenehmes Zuhause unterwegs bieten, mit vorgewärmten Betten und Daunendecken, beheizbaren Zimmern, Schüsseln mit wohlriechendem Wasser, um sich zu waschen, exquisiten Getränken und Speisen. Er investierte in extravagante Dekorationen, um seinen vermögenden Gästen das Gefühl zu geben, auf den gewohnten Luxus nicht verzichten zu müssen. Die Idee des Grandhotels war geboren.

Im 19. Jahrhundert entstanden in vielen Städten Grandhotels, doch in den letzten Jahrzehnten trat die Dekoration immer weiter in den Hintergrund. Die Betreuung der Gäste wurde wichtiger. Luxushotels machen allerdings heute, im Zeitalter des Massentourismus, nur etwa ein Prozent des Umsatzes aller Übernachtungen aus.

Hotelketten wie Four Seasons, Aman Resorts und Mandarin Oriental konkurrieren um das Luxussegment nicht nur mit den besten Locations, sondern mit dem gewissen Extra des Service. Jahr für Jahr wird zum Beispiel das Four-Seasons-Hotel in Jackson Hole, Wyoming, als bestes Skihotel gewählt. Das Gebäude liegt unmittelbar neben den Skiliften. Im Erdgeschoß werden morgens die vorgewärmten Skischuhe vorbereitet, die Ausrüstung täglich je nach Schneelage diskutiert, und wenn die Gäste nachmittags vor dem Hotel abschwingen, wartet ein Ski-Concierge, der Bretteln und Stöcke übernimmt und ins Hotel trägt.

Venedig

Einige der schönsten Luxushotels entstanden in Italien. Die Terrasse des Hotels Gritti Palace in Venedig, wo auf der linken Seite Touristen in kurzen Hosen einen Teller Nudeln um 50 Euro verschlingen, auf der rechten Seite im Café gut gekleidete Venezianer bei einem Espresso sitzen, hat Hemingway einst als schönsten Platz der Stadt beschrieben, wo vor ihm die Stadt wie ein Gemälde vorbeizieht.

Das 1900 erbaute Grandhotel des Bains am Lido, wo Thomas Manns Roman "Tod in Venedig" verfilmt wurde, eingebettet in einen wunderbaren Park mit Tennisplätzen und Schwimmbad und einer Frühstücksterrasse, die ich einst bis zum Abendessen nicht verlassen wollte.

Während Low das meiste Geld in die üppige Dekoration steckte -bis er bankrottging, das Haus verkaufen musste und völlig verarmt starb -, konkurrieren teure Hotels heute mit Verwöhnen der Gäste. Theaterkarten für ausverkaufte Vorstellungen, ein frisches Hemd für den Gast, der sich beim Essen anpatzt, der Frack für den Bräutigam, dessen Gepäck verloren ging und ein Spielgefährte für den einsamen Dackel des Filmstars.

Die Bedürfnisse wohlhabender Stammgäste werden gespeichert wie Passdaten und Kreditkarten. Karina Ansos, die erste Frau, die das exklusive Hotel Adlon in Berlin führt, ist der Meinung, dass sich der Begriff Luxus im Hotelwesen vollkommen geändert hat: "Das definiert sich heute nicht allein über die Ausstattung, sondern über personalisierten Service. Die große Kunst ist es, Wünsche zu erahnen, bevor der Gast sie überhaupt weiß."

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