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Englands Tiger-Teacher

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Peter Sichrovsky

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Religions-Aktivisten gefährden das erfolgreiche Schulprojekt

Katharine Birbalsingh, Tochter eines Lehrers und einer Krankenschwester aus Jamaica, ist eine der wenigen Farbigen, die es in Großbritannien bis zur Schuldirektorin brachte. Bekannt wurde sie das erste Mal, als sie während des Partei-Kongresses der Conservative Party 2010 das katastrophale Niveau der britischen Schulen kritisierte. Sie beschrieb eine Entwicklung, in der Lehrkräfte davon ausgingen, dass Vermittlung von Wissen keine erzieherische Bedeutung habe, sondern dass neue Theorien den Kindern die Verantwortung gäbe, sich selbst in ihrem Rhythmus zu entwickeln. Lehrer und Lehrerinnen sollten den Kindern Angebote machen und diese könnten entscheiden, wann und was sie annehmen würden. Damit würde der nächsten Generation jede Chance auf Weiterbildung genommen, anstatt sie für das Leben vorzubereiten, kritisierte Birbalsingh.

London

2014 übernahm Katharine Birbalsingh die 'Michaela Community School' in London, in der Nähe des Wembley-Stadions, und änderte innerhalb weniger Monate das Lehr- und Erziehungssystem. Ihre erste Änderung betraf das Zu-spät-Kommen. Es seien meist die Eltern, denen es völlig egal war, wann die Kinder die Schule erreicht hätten, begründete sie ihre Entscheidung, und führte ein Bestrafungssystem mit Nachsitzen ein, eine 'no excuse'-Politik. Bereits eine Minute Zu-spät-Kommen wurde bestraft, ebenso das Nicht-Bringen von Hausaufgaben, das Umdrehen und Sprechen während des Unterrichts, freche Antworten gegenüber den Lehrern und Aggressivität gegen andere Kinder.

Ihr nächstes Projekt war das Verhalten der Kinder in den Pausen. Wechseln sie nach einer Stunde die Klassen, gehen Schüler und Schülerinnen langsam hintereinander der Wand entlang in eine Richtung. Die anderen kommen ihnen entgegen, ebenfalls in einer Reihe. Sie lächeln einander zu, scherzen über die kommende Stunde oder verabreden sich für den gemeinsamen Heimweg nach der Schule. Niemand stößt, keiner rempelt, niemand schreit oder macht blöde Witze.

Lernen

Drei Grundsätze definiert Birbalsingh für ihre Schule: 1. Die Zufriedenheit der Kinder. Erstaunlicherweise waren sie begeistert von den disziplinären Maßnahmen, als sie erkannten, dass damit auch ihre Leistungen immer besser wurden. Niemand hatte Angst auf dem Schulhof, oder auf die Toilette zu gehen, Kinder fühlten sich sicher und konzentrierten sich auf das Lernen. 2. Lehrkräfte wissen mehr als Kinder, also sollten Schüler und Schülerinnen zuhören, aufpassen und mitarbeiten. Autorität als Mittel der Wissensvermittlung ist notwendig. 3. Nächstenliebe, Freundschaften und Respekt sind wichtige Grundlagen für eine positive Lernatmosphäre. "Niemand wird in meiner Schule vergessen, wir kämpfen gemeinsam mit den Eltern für jedes Kind", sagte Birbalsingh.

Der Erfolg gab der Direktorin recht. Schüler und Schülerinnen der Michaela Schule erzielten in den letzten Jahren die besten Ergebnisse aller 6.959 öffentlichen Schulen. Nur wenige private Institute hatten bessere Resultate. Kinder aus den ärmsten Familien schafften es auf die besten Universitäten. Viele von ihnen konnten, als sie mit elf Jahren in der Schule begonnen hatten, nicht einmal lesen und schreiben.

Gebetsraum

Als jedoch die Direktorin sich weigerte, den muslimischen Schülern und Schülerinnen einen eigenen Gebetsraum einzurichten, begann das perfekte System zu bröckeln. Es gab einen Aufschrei einiger Eltern und Vertreter verschiedener muslimischer Gruppen. Doch sie blieb bei ihrem Entschluss. "Es ist jedem Mädchen freigestellt, eine Kopfbedeckung zu tragen, doch es werde für keine Religion besondere Einrichtungen geben", erklärte sie der Elternversammlung. Einige Eltern nahmen ihre Kinder aus der Schule, was wieder andere, selbst Kinder aus muslimischen Familien, freute, da die Warteliste für diese Schule länger ist als die Summe aller Wartelisten im ganzen Bezirk.

Die Gemeinschaft der Lehrer gab ein Buch heraus unter dem Titel 'Eine Hymne auf die Tiger Teacher' in Anspielung auf das erfolgreiche Buch 'Eine Hymne auf die Tiger Mutter', das die autoritären Erziehungsmethoden chinesischer Eltern im Gegensatz zur den eher Laissez-faire-Methoden der westlichen Familien analysiert. In dem Buch beschreiben Lehrer und Lehrerinnen, wie sie ihren Unterrichtsstil änderten. Ein Englischlehrer berichtet begeistert, dass er mit seinen Schülern nun Shakespeare diskutiere. In Schulen, wo er zuvor arbeitete, hätte ihm während der Stunde niemand zugehört. Wenn er einzelne Störer ermahnte, seien am nächsten Tag Beschwerden der Eltern gekommen, er habe ihren Sohn kritisiert und dazu hätte er kein Recht.

Doch die Probleme mit einigen muslimischen Kindern setzten sich fort, als letztes Jahr eine Schülerin während Ramadan ihre Jacke im Schulhof ausbreitete und zu beten begann. Andere folgten ihr unter dem Druck einiger Anführer. Beten ist grundsätzlich erlaubt in der Schule, doch religiöse Symbole wie Gebetsteppiche, Verhüllung, Turbane und Ketten mit Kreuzen sind verboten. Wieder verlangten einige Eltern den eigenen Gebetsraum für Muslime. Die Direktorin lehnte ab. Sie wurde bedroht, ein Ziegelstein durch das Fenster der Wohnung eines Lehrer geworfen und das Lehrpersonal mit anonymen Morddrohungen konfrontiert. Auf dem Weg zur Schule in den öffentlichen Verkehrsmitteln organisierten fanatische Jugendliche, die nicht einmal die Schule besuchten, Attacken gegen Lehrer und Lehrerinnen, so dass ein eigener Fahrdienst für sie eingerichtet werden musste.

Atmosphäre

Doch die erfolgreiche Direktorin, deren Schulkonzept internationales Aufsehen erregte, die Michaela Schule mehr als 800 Gäste aus aller Welt besuchten, um das Unterrichtsmodell zu studieren, kündigte in mehreren Interviews an, ihren Standpunkt nicht aufzugeben: "Wir haben muslimische Kinder, die nicht fasten wollen zu Ramadan, Mädchen, die das Kopftuch verweigern, alles war bis vor Kurzem die alleinige Entscheidung der Kinder. Die freie Atmosphäre, in der unsere Schüler und Schülerinnen außergewöhnliche Leistungen zeigen, wollen einige Fanatiker zerstören. Das werden wir nicht zulassen", sagte Katharine. Sie bestand auf das Verbot eigener Gebetsräume für alle Religionen.

"Die letzten zehn Jahre hat kein Kind hier gebetet", sagte Katherine, "doch mit Beten im Schulhof und dem Terror einiger muslimischer Aktivisten wollen sie unsere Gemeinschaft zerbrechen. Muslime besetzen jetzt Tische während des Mittagessens und lassen keine anderen Kinder zu. Jahrelang hatten wir als Schule daran gearbeitet, dass verschiedene Religionen, seien es Muslime, Hindus und Christen eine Gemeinschaft bilden. Sie spielten, lernten und nahmen gemeinsam das Mittagessen ein, es gab Freundschaften unter Kindern mit verschiedenen Religionen."

Klage

Die Eltern des muslimischen Mädchens verklagten die Schule. Die Direktorin bleibt hartnäckig: "Ein Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen und Traditionen kann nur auf der Grundlage von Kompromissen funktionieren. Nicht nur Muslime protestierten bei uns. Hindus beschwerten sich, dass Teller mit Eiern in Berührung kommen. Christen lehnten unsere Sonntagskurse ab und Mormonen wollten das Theaterstück Macbeth verbieten, weil es um Hexen geht. Alle haben Teile von ihren Regeln aufgegeben, so konnten wir eine Gemeinschaft bilden. Ein Gerichtsurteil, das einer Religionsgemeinschaft Vorteile garantiert, ist der Anfang vom Ende einer fairen und solidarischen Gesellschaft unterschiedlicher Religionen und Traditionen. Wenn Gesetze jeder Minderheit in der Gemeinschaft den vollen Schutz ihrer Regeln und Gesetze garantiert, kommt es zu Segmentierung und Zerteilung unserer Schulgemeinschaft. Das Ergebnis wäre das Ende unseres schulischen Experiments, das so vielen Kindern aus benachteiligten Familien geholfen hat. Bildung garantiert eine Zukunft, nicht fanatische Religions-Aktivisten."

Die Klage der Eltern wurde in erster Instanz abgewiesen. Jetzt beschäftige sich der High Court für England und Wales mit dem Problem.

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