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Die Qual der Wahl im Rechtsaußen-Kanal

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Peter Plaikner

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Die Situation erinnert an den Titel eines Psychothrillers aus Hollywood: der Feind in meinem Bett. Dass die rechte Agitationsplattform AUF 1 im Medienzentrum des Parlaments akkreditiert wurde, bringt Hüter des Journalismus auf die Palme

Für den Wandel zum Medienzentrum war die Nationalratswahl eine Premiere im fünfeinhalb Jahre lang generalsanierten Parlament. Seit 2023 ist es wieder ein prachtvolles Vorzeigestück Österreich. Die Anordnung der nachrangigen Fernsehstudios am Sonntag entsprach aber eher der Staatsoperette. Denn das Parterre-Gemach eine Etage unter den Räumen für ORF, ServusTV und Puls 4 gewährte aberwitzige Tuchfühlungen: In einer Nische neben Kurier TV und Oe24 drängten sich gemeinsam die Commu-nity-Kanäle Dorf TV, Okto und FS1, in der anderen vier Blogs in Co-Produktion. Die heimlich größte Beobachtung genoss aber unmittelbar bei Kronehit – aus Sendersicht rechts daneben – und gegenüber dem Fellner-Boulevard die Box von RTV und AUF 1. Das lizensierte Regionalfernsehen hatte die rechtsaußen agitierende Propaganda-Plattform als Trittbrettfahrer ins Parlament geschleust.

Kickls erwartbare Referenz

Die Aufregung darüber war vorab größer als vor Ort. Dass Herbert Kickl sein erstes Bewegtbild-Interview nach der Wahl ausgerechnet dem angefochtenen Online-Sender gab, hat außer dessen Nutzern kaum jemand bemerkt. Dieser Möchtegern-Affront des FPÖ-Chefs gegen die etablierten Medien war ohnehin erwartbar. Und der nutznießende Studio--nachbar Oe24 erreichte erst am Haupt-abend Platz 3 im Wahlquotenmatch hinter ORF und ServusTV, aber noch vor Puls24/ATV.Auch beim Heer der internationalen Berichterstatter erregte die Parlaments-präsenz von AUF 1 kein Aufsehen, obwohl sogar die ARD-Tagesschau noch vor dem Wahlabend mit einem Beitrag darauf eingegangen war. Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia, und die auf digitale Themen spezialisierte Journalistin Ingrid Brodnig hatten zuvor in einem Gastkommentar für den „Standard“ gewarnt, den umstrittenen Kanal im Hohen Haus wie ein normales Medium zu behandeln.

Warnung und Gelassenheit

Aber vielleicht braucht es gerade jene pragmatische Gelassenheit, für die der gegenüber rechten Umtrieben durchaus sensible „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk in diesem Fall plädiert. Kraus und Brodnig beklagen zu Recht, dass hier „ein durch extreme politische Schlagseite auffallender Online-Kanal auf gleiche Ebene mit journalistisch arbeitenden Medien gestellt“ werde. Die Akkreditierung sende die falsche Botschaft – gerade in Zeiten, in denen Desinformation, Verschwörungsmythen und Extremismus die Demokratie gefährden. Das Gegenargument lautet, dass auch manch journalistisch arbeitende Redaktion die eigenen Regeln immer wieder bricht. Klenk fragt: Wer zieht die Grenze?Pro und Kontra wirken hier schlüssig. Die Lösung liegt vielleicht in einem Vergleich mit der Politik: Hat die Dämonisierung durch seine Feinde Kickl größer gemacht? Wer das bejaht und ihn ablehnt, müsste einen anderen Umgang mit ihm und der FPÖ fordern oder zumindest erproben: Souveränes Aus- und Dagegenhalten. Das gilt für die Partei, ihren Chef und auch AUF 1. Durch Zulassung zur Berichterstattung wird aus einem Agita-tionskanal kein anständiges Medium. Aber es zwingt alle, die das für sich beanspruchen, durch die eigene Arbeit den Unterschied klarer denn je zu machen.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: pp@plaikner.at

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