Mit den englischen Bezeichnungen „Orgasm Gap“ oder „Gender Orgasm Gap“ wird das Phänomen bezeichnet, dass Männer beim Geschlechtsverkehr häufiger zum sexuellen Höhepunkt gelangen als Frauen. Die Gründe sind keineswegs nur biologisch
Gleich räumen wir mit den häufigsten Fehlannahmen bezüglich Sex im Allgemeinem beziehungsweise dem Mythos, „guten Sex“ zu haben, auf. An der sperrigen Umschreibung, „guten“ oder „schlechten“ Sex zu haben, merken Sie schon die Schwierigkeit, das allgegenwärtige Thema Sex sprachlich zu entspannen. Wie soll man über Sex reden, wenn es keine passenden Worte dafür gibt? Da unterliegen wir wohl offensichtlich noch immer der Schwierigkeit einer sensiblen Wortwahl, die auch Gefühl und Romantik ermöglicht und das Liebesleben nicht auf Praktiken, ja Techniken herunterbricht. Paare wie Marie und Anton straucheln, wenn sie in einer Sexualtherapie benennen sollen, was sie „beim Sex“ stört oder ihnen fehlt.
Im Folgenden finden Sie die häufigsten Fehlannahmen, die das Liebesleben nicht nur belasten, sondern auch die Lust auf Sex verderben.
1. Sex gipfelt im Orgasmus
Sex ohne Orgasmus scheint vor dem Hintergrund dieses Glaubenssatzes unzureichend zu sein. Kein guter, also missglückter Sex. Bei so einem Mindset setzt ein Leistungsdruck ein, zum sexuellen Höhepunkt kommen zu müssen. Die Folgen sind Versagensängste, ein Vermeidungsverhalten oder vorgespielte Orgasmen. Zur Perfektion ihres Sexlebens bringen es dann anscheinend nur jene, die zeitgleich kommen, was völliger Unfug ist.
2. Man hat von selbst zu erraten, wie guter Sex geht
Sie brauchen es einander nicht in allem Recht machen. Über gewünschte „Kunstgriffe“ und erotische Geheimnisse informiert zu sein und Interesse zu zeigen, schadet jedoch nicht. Dabei ist gerade das Reden über Empfindungen, Wünsche, Ängste und Vorlieben das Salz in der Suppe Ihres Liebeslebens. Wichtig: Es soll nicht alles zerredet werden.
3. Sex ist Penetration
In der Sexualtherapie ermutige ich dazu, sich einen weit gefassten Begriff von Sexualität zu erlauben, statt zärtliche Berührungen, Küsse und Liebkosungen als zu wenig, um Sex zu sein, abzuwerten.
4. Je mehr Orgasmen, desto besser
Auch wenn laut Umfragen Männer beim Beischlaf mit Frauen fast immer zum Orgasmus kommen und nur ungefähr die Hälfte der Frauen bei der Penetration einen Höhepunkt erleben, geht es nicht um möglichst viele sexuelle Höhepunkte, sondern um Nähe und Sinnlichkeit.
5. Penetration als Orgasmusgarantie
Auch wenn es, soziokulturell bedingt, für „guten Sex“ für viele unverzichtbar scheint, dass der Mann in die Frau eindringt, hält die Penetration nicht immer, was sie verspricht. Deshalb besagen Umfragen, dass Frauen mit Frauen oder bei der Selbstbefriedigung sogar eher zum sexuellen Klimax kommen als bei der bloßen Penetration ohne Einbeziehung der Klitoris.
Fazit: Paare wie Marie und Anton dürfen sich entspannen. Nachdem Orgasmusfähigkeit bedeutet, sich in Gegenwart des Partners oder der Partnerin fallen zu lassen, ist Vertrauen die Basis für ein erfülltes Liebesleben, ob mit oder ohne Orgasmus. Auch wenn Männer öfter zum Höhepunkt gelangen, dauert dieser bei Frauen dafür häufig fast doppelt so lang. Also machen Sie sich keinen Druck, denn genau das blockiert Ihre Lust auf Nähe, die dann schon allein erotisch sein kann.