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Wie ist es, eine Depression zu haben?

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Liebes Leben - Wie ist es, eine Depression zu haben?
©Bild: Nathan Murrell
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Im Alltag bedeutet, depressiv zu sein, nicht gut drauf zu sein. Die gute Nachricht: Das vergeht wieder von selbst. Und nun die weniger gute: Eine Depression ist im Unterschied dazu eine ernsthafte Krankheit und keineswegs, wie manche glauben, nur Einbildung

Zunächst ein paar Sätze (leider keine Bonmots), die aus Unwissenheit oder mangels Einfühlsamkeit gegenüber Menschen mit Depressionen viel zu häufig fallen: "Unsinn! Das bildest du dir nur ein!", "Du siehst gesund aus!", "Nimm dich zusammen!", "Lass dich nicht so gehen!" Mir ist keine andere psychische Erkrankung bekannt, die so häufig und zugleich so obskur ist wie die Depression. Zudem ist sie unglaublich vielfältig. Oft besteht in den eigenen Reihen, im Freundeskreis und in der Familie der zunehmende Verdacht, dass die von einer Depression betroffene Person sich alles nur einbilde, sie als Ausrede nutze und in Wirklichkeit arbeitsscheu und unwillig sei. Und dass sich Betroffene selbst einreden, depressiv zu sein, aber in Wirklichkeit alles nur eine Frage des guten Willens ist. Denn auf ein noch so wohlmeinendes "Geh doch bitte einfach mal raus an die frische Luft" oder "Schau doch, draußen scheint die Sonne! Stell dich bitte nicht so an" und "Wo ein Wille da ein Weg" oder "Komm schon, du brauchst dir nur einen Ruck zu geben" kann eine depressive Person nicht eingehen. Sie wird mit Rückzug reagieren. Dieses Verhalten macht die Umgebung ohnmächtig, ratlos und wütend.

An Depressionen erkrankte Menschen zweifeln aber auch an sich selbst. In meinen Praxen in Wien und Graz und in der Psychiatrischen Rehaklinik St. Radegund begegnen mir jahrein, jahraus depressive Menschen, die sich selbst nicht mehr wiedererkennen. Und sich Vorwürfe machen. "Das bin doch nicht mehr ich", sagen sie und verurteilen sich. "Ich war doch immer fleißig, lebensfroh und arbeitsam. Jetzt bin ich zu nichts zu gebrauchen." Es fühlt sich für sie so an, als wenn ihnen der Stecker rausgezogen worden wäre. Selbst Routinehandlungen wie Körperpflege, aber schon das morgendliche Aufstehen werden zur Tortur, geschweige denn gelingt es noch, eine Tagesstruktur einzuhalten. Wer eine Depression hat, ist lustlos, freudlos, antriebslos, häufig appetitlos und schlaflos. Und das über einen längeren Zeitraum ohne Besserung. Hinzu kommen meist Symptome wie Grübelzwang, Existenz-und Zukunftsängste, Versagensängste und Panikattacken, innere Unruhe und chronische Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit sowie negative Gedanken, was bei entsprechendem Leidensdruck bis zum Suizid führen kann.

Depressionen sind aber oft schwer zu erkennen. Es gibt viele unterschiedliche Arten wie eine Erschöpfungsdepression, eine Entlastungsdepression, eine agitierte Depression, eine wiederkehrende Depression, eine Winterdepression. Manchmal wird die Krankheit perfekt überspielt und weggelacht, um niemandem zur Last zu fallen. Warum nehmen Depressionen gerade in Wohlstandsländern zu? Wir haben verlernt, uns abzugrenzen. Eine gesunde, ja lebensnotwendige und letztlich wohltuende Grenze zu ziehen. Halt und Stopp zu sagen -ohne schlechtes Gewissen. Das will in einer Wert-durch-Leistung-Gesellschaft erst einmal trainiert sein. Aber vergessen wir nicht: Mit jedem Nein, das wir sagen, rücken wir uns selbst wieder näher. Anstatt, wie ich es in meinem Buch "Die Beziehungsformel" nenne, ein Opfermensch zu sein. Wir halten mit jeder gesunden Abgrenzung die Depression auf Abstand. Anstatt innerlich auszubrennen, erglühen wir für das Leben, das den Mut zur Selbstfürsorge braucht. Damit wir für unsere Lieben da sein können, ohne uns grenzenlos aufzuopfern und so den Freifahrtschein in die Depression zu lösen.

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