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Meeting the Boss: Bruce Springsteen hautnah

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11 min
Bruce Springsteen 2023

©IMAGO / USA TODAY Network
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Er war der große Stargast der Frankfurter Buchmesse und das, obwohl sein Auftritt streng geheim gehalten wurde: Rocklegende Bruce Springsteen stellte seine Autobiografie „Born To Run“ höchstpersönlich dem deutschen Publikum vor. Und ich, bekennender großer Fan, mittendrin.

Bruce Springsteen und ich. Eine lange Geschichte – zumindest auf meine Lebensjahre gerechnet. Der „Boss“ begleitet mich nun schon mehr als mein halbes Leben. Mitte der Neunzigerjahre, als Teenager, waren es meine damaligen Idole, Bon Jovi, die mich mit dem Boss bekannt machten. Von Jon Bon Jovi in einem Interview als großes Vorbild genannt, wurde die Neugier geweckt. Bon Jovi verließ mich mit Ende der Pubertät, Springsteen aber blieb.

Born to Run: Die Autobiografie

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Bruce Springsteen, die Musiklegende, ist der Inbegriff des Stadionrockers. In über 40 Karrierejahren hat er mehr als 130 Millionen Platten verkauft, zwölf Grammys, zwei Golden Globes und einen Oscar gewonnen. Er sang bei der Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama und hat 2009 vor einem Millionenpublikum einen der besten Super-Bowl-Auftritte hingelegt. Springsteen füllt bis heute mit seiner E Street Band regelmäßig die größten Arenen der Welt. Seine Konzerte enden nie unter drei bis vier Stunden Spielzeit. Jetzt hat der 67-Jährige seine Erinnerungen in ein über 500 Seiten starkes Buch gegossen.

Letzte Woche, nach einem denkbar miesen Tag, ein letzter Blick in meinen Posteingang: Ein Mail mit dem Betreff „Springsteen“ springt sofort ins Auge. Und da stand es: Bruce Springsteen kommt persönlich nach Frankfurt, um seine Autobiografie „Born To Run“ vorzustellen. Ob ich denn Interesse hätte, an der Pressekonferenz teil zu nehmen? Was für eine Frage! Mit einem breiten Grinsen noch während zahlreicher Jubelsprünge schon den Flug suchend, war die Welt mit einem Schlag wieder in Ordnung. Mehr als nur das.

Unter Seinesgleichen

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Unter Seinesgleichen

Die harten Fans warten bereits vor dem Einlass vor verschlossenen Türen

 © Nina Edler

Der Einlass ist für 17:00 Uhr anberaumt, der Beginn eine Stunde später. Noch vor dem Einlass dort zu sein, empfiehlt das Fan-Herz, aber nicht allzu früh, der professionelle Anspruch. Es ist halb fünf Uhr bei der Ankunft vor dem Fünf-Sterne-Hotel, das auch nach dem Termin nicht genannt werden soll. Erleichterung macht sich breit: Ich bin nicht die erste hier – und nicht der einzige Fan. Beim gemeinsamen Warten tauscht man Springsteen-Anekdoten aus, matcht sich in Anzahl der Konzert-Besuche (hier verliere ich leider haushoch aufgrund meines Alters) und spekuliert mit einem gewissen Grad an Nervosität über die mit Spannung erwartete kommende Stunde.

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Gespanntes Warten

 © Nina Edler

Das befürchtete Gedränge um die besten Plätze bleibt aus, Reihe eins ist es also. Wow! Wenn das bei Konzerten auch so einfach ginge... Hier wird er also gleich sitzen, der Boss, das große Rock-Idol, keine fünf Meter entfernt. Die Hände werden etwas feuchter. Um Punkt 18:00 Uhr wird es still. Eigentlich passiert noch nichts, aber die Spannung ist zu spüren. Handys sind gezückt, Kameras ebenso.

Alleine im Blitzlichtgewitter

Zehn Minuten später betritt Bruce Springsteen den Raum. Es fühlt sich ein wenig komisch an, viele würden wohl gerne aufspringen und ihm frenetisch zujubeln, aber die journalistische Professionalität und der kleine Rahmen verhindern dies. So klatscht man eben höflich. Und auch der Mega-Star, Rocklegende und Entertainer in Personalunion wirkt in diesem Moment wie das, was er trotz unzähliger Superlative auch ist: Mensch. Schnellen Schrittes geht er zur Bühne, winkt ein wenig verhalten ins Publikum und hätte wohl gerne seine Gitarre bei sich. Doch jetzt und hier ist er Autor, nicht Musiker. Für eine Minute dürfen alle ihr Foto schießen, bevor Handys und Kameras verschwinden müssen. Springsteen steht beinahe etwas schüchtern und unbeholfen da, so alleine im Blitzlichtgewitter. Sympathisch.

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 © Nina Edler

Zunächst folgt ein klassisches Frage-Antwort-Spiel mit WDR-Reporter Thomas Steinberg. Es wirkt etwas hölzern. Springsteen erzählt erwartungsgemäß wenig Neues und wirkt ein bisschen abgekämpft und müde sowie, ja, tatsächlich schüchtern. Angeblich normal, klärt mich ein Fan im Nachhinein auf, auch bei Interviews sei er oft in sich gekehrt, nur das Zupfen an einer Gitarre helfe ihm, sich zu öffnen.
Doch natürlich ist ein Springsteen Profi genug, um die Situation für sich entscheiden zu können. So quittiert er Nonsens-Fragen („Hat er nach dem Schreiben seiner Autobiografie nun den Sinn des Lebens erkannt?“) mit einem schlichten „Nope“, oder spielt charmant auf seine 67 Lebensjahre an (Die Lesebrille habe er in seinen jungen Jahren als „Surfer“ noch nicht gebraucht, außerdem habe er schon einen seiner Ärzte überlebt). Beim Vortragen einiger Passagen wünscht man sich dann, das gesamte Buch von dessen Autor vorgelesen zu bekommen. Mit viel Gefühl trägt er etwa eine intime Stelle über das schwierige Verhältnis zu seinem Vater vor, oder pointiert und charmant die Passage über seinen Teenager-Traum, an Mick Jaggers Stelle mit den Rolling Stones zu spielen. Der Stimme, die melodisch auch beim Sprechen jeden Ton trifft, zuzuhören, macht Spaß, sehr großen sogar. Zumindest den Zuhörern, Springsteen selbst hält, während er redet, meist seine Augen geschlossen.

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Zunächst gab es ein moderiertes Gespräch.

 © Nina Edler

Bob Dylan, Trump & Co.

Als dann die Journalisten an der Reihe sind, blitzt der Profi-Entertainer durch. („Oh, we’re taking questions now“, ruft er zum großen Gelächter aus, als ihm niemand das weitere Prozedere übersetzt.) Bob Dylans Literaturnobelpreis und dessen Nicht-Reaktion wird angesprochen: „Ich bin mir sicher, er ist glücklich darüber“ gibt sich Springsteen auch hier knapp aber pointiert. Auf die Frage nach Eifersucht auf den Preisträger und die Möglichkeit, selbst einmal zu einem zu werden, folgt überhaupt nur ein leises aber sehr intensives Lachen. Zum Abschluss heißt es „Bruce Springsteen for president?“ Schlechter könne er es auch nicht machen, so die augenzwinkernde Antwort, gefolgt von einem Danke dafür, nicht auf Donald Trump angesprochen worden zu sein. „Und jetzt lasst uns noch gemeinsam ein Bier trinken an der Bar!“

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Ein paar Glückliche ergattern Autogramme

 © Nina Edler

Die Zugabe

Wirklich? „Das glaubst du doch selbst nicht, dass der jetzt da an der Bar steht“, raunt mir mein Sitzkollege auf den fragenden Blick zu. Nein, eigentlich nicht. Also noch schnell an die Bühne gestürmt, um sich der Organisatoren zum Trotz („Nein, hier wird jetzt sicher nicht signiert“) ein von Springsteen bereitwillig gegebenes Autogramm zu holen. Schnell gewinnen aber die Spaßverderber und geleiten ihren Boss (diese Gewaltenteilung wirkt hier, wie den ganzen Abend über, irgendwie vertauscht) zur Tür hinaus...

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Down-to-earth gibt sich Springsteen an der Bar

 © Nina Edler

...und tatsächlich durch die Bartür wieder hinein. Da steht er also, der Held unzähliger Musikfans, ganz gemütlich, trinkt ein Bier und nimmt sich für jeden, der mag, einen Moment Zeit, schüttelt Hände, beantwortet Fragen oder hört einfach zu. Fotos und Autogrammwünsche werden auch hier untersagt. Jene Handvoll, die trotz des Verbots beim Chef direkt ihr Glück versucht, wird mit einem bereitwilligen „sure“ belohnt. Ich selbst stehe in zweiter Reihe, versuche Wortfetzen aufzuschnappen und lasse allen anderen den Vortritt. Typisch. Als ein routiniert wirkender Reporter beim Selfie-Versuch vor Aufregung mit zittrigen Fingern die falschen Tasten erwischt, steigt der eigene Mutlevel. Es geht also allen so. Ich gebe mir einen Ruck und gehe den letzten Schritt vor, neben mir zwei weitere jüngere Frauen. Der Mut wird belohnt, Springsteen schaut uns freudig an: „Oh, finally some women here!“ Die Kollegin zeigt ihm voller Stolz ihre selbstgemachte Kette mit seinem Songtitel „Jungleland“. Springsteen, ganz der Gentleman, bewundert diese. Nett, finde ich und stottere selbst irgendeine fadenscheinige Frage hervor (man will ja doch professionell wirken, ist immerhin beruflich hier), die vermutlich nicht viel Sinn ergibt. Und bin ihm unendlich dankbar, dass er meine fehlende Professionalität wett macht, indem er mir sehr freundlich antwortet und immer wieder dabei lacht. So, und dann auch noch ein Selfie, es muss sein. Und auch mein Wunsch wird mit einem freundlichen „sure“ erfüllt. Der Moment, mein Moment, ist vorbei. Die Erinnerung aber wird bleiben. Sehr lange, soviel ist „sure“.

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Ein Selfie mit dem Boss

 © Nina Edler

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