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Blimlingergalopp statt Radetzkymarsch, jetzt!

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Heinz Sichrovsky

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Die Einlassungen zum sehr gelungenen Neujahrskonzert egalisieren wieder Blödsinnsrekorde. Was sie mit dem Inselstaat Papua-Neuguinea zu tun haben, lesen Sie hier

Wie Sie wissen, bereise ich drei bis fünf Mal im Monat den pazifischen Inselstaat Papua-Neuguinea. Mit dessen Oberhaupt Charles III. habe ich zwar seit der Krönung in Westminster nicht mehr telefoniert. Aber mit Generalgouverneur Bob Dadae pflege ich regen Austausch, und Premier James Marape habe ich beim Unabhängigkeitsreferendum der Region Bourgainville beraten. Deshalb - sowie als Jury-Vorsitzender des begehrten Crocodile-Prize für papua-neuguineische Lyrik - darf ich mich als Kenner des malerischen Eilands bezeichnen und nehme die 30-Stunden-35-Anreise nach Port Moresby gern auf mich.

Weshalb ich Ihnen da eine ganze Problembärenfamilie aufschwafle? Weil mich der ernste Verdacht anwandelt, dass Armin Wolf (den ich für eine erfreuliche Erscheinung halte) und Eva Blimlinger (die ich für Eva Blimlinger halte) so oft in einem philharmonischen Konzert waren wie ich in Papua-Neuguinea.

Dennoch haben sich beide Koryphäen missbilligend zum Neujahrskonzert erklärt, wobei in der Causa zu differenzieren ist. Die grüne Abrissbirne hat wieder einen historischen Fachdisput eröffnet. Zuletzt hat sie der Regierungskoalition dafür gedankt, Österreich von der "Wiener Zeitung" befreit zu haben wie die Alliierten das Konzentrationslager Mauthausen von den Nazis. Diesmal hat sie sich bei Wikipedia über den Feldmarschall Josef Wenzel Radetzky von Radetz (1766-1858) kundig gemacht, und angemessen betreten nehme ich zur Kenntnis, dass ich deshalb bei der dritten Zugabe des Neujahrskonzerts nicht mehr mitklatschen darf. Das ist mir zwar auch bisher nicht eingefallen, weil mir die Parteitage der KPdSU noch zu plastisch vor Augen stehen. Aber noch eine diesbezügliche Weisung, und ich pasche nächstes Jahr wie ein ganzes Politbüro.

Wolf hingegen und wenige eher spezielle Kollegen haben sich Wikipedia NICHT anvertraut. Deshalb tadeln sie öffentlich, dass nach Thielemann auch 2025 keine Frau, sondern zum 7. Mal Riccardo Muti am Pult steht, ein Aspekt, den Frau Blimlinger nur zustimmend streift. Auch wird eine verbindliche Komponistinnenquote moniert. Freilich müsste das Ereignis dann zwecks Namhaftmachung geeigneter klassisch-romantischer Musikstücke nach Hogwarts verlegt werden: Auch dessen Auffindung bleibt Personen mit mehr oder weniger entwickeltem Zweitem Gesicht - Armin Potter, Hermione Blimlinger - vorbehalten. Und Dirigentinnen, die Muti vergessen machen? Unbedingt! Als nächster Schritt wäre dann die Umleitung der Touristenströme von Schönbrunn ins Industriegebiet Inzersdorf anzudenken.

Schon hatte man gehofft, das debile Gekeife um Frauenquoten bei den Philis sei verstummt. Das Orchester beschäftigt seit 15 Jahren eine Konzertmeisterin, und selbst mancher Experte aus dem "Standard"-Forum glaubt mittlerweile nicht mehr, dass der Konzertmeister die Geigen abstaubt und die Noten auf die Pulte legt. Deshalb nehmen die Schmutzfinken (m/w/d) auch zusehends davon Abstand, Frauen auf Konzertpodien zu zählen (eine Reaktion von Will-Smith-Vehemenz wäre da durchaus angebracht).

Und jetzt der Stumpfsinn zur Potenz, mit den Komponistinnen und den Dirigentinnen! Beides erinnert an eine Forderung, die der Blatteigner vor drei Jahrzehnten an die Lifestyle-Redaktion unseres jungen Magazins gerichtet hat: Man möge die Leser gefälligst nicht mit immer denselben Kanälen zur Ausübung des Beischlafs langweilen! Auf den verzagten Einwand, die Zahl der Öffnungen am menschlichen Körper sei a) erforscht und b) begrenzt, bellte er: "Dann suachts halt wölche!"

Dagegen wird man leicht eine Komtesse aus Mozarts Schülerinnenkreis finden, von der eine Gavotte für Klavier zu vier Händen erhalten ist. Gewiss könnte man dieses Werk einer bombastischen Orchestrierung unterziehen wie den heuer gespielten Wirtshausjux Bruckners. Ebenso gewiss drängt eine ständig wachsende Zahl an Dirigentinnen an die Pulte, und wie das in der Kunst geschlechterübergreifend so ist: Es gibt unter ihnen ein paar halbwegs interessante, viele mittelmäßige und ebensoviele schlechte.

Aber wieder sind wir beim verheerendsten Aspekt der #Metoo- wie der Diversitätsbewegung: der Außerkraftsetzung von Qualitätskriterien, dem Aufstand der Zweitklassigen. Sogar das großartige Neujahrskonzert hat, wie mehrere seiner Vorgänger, am Zwang zur Rarität gelitten. Eine Polka von Eduard Strauß könnte man zwecks Vervielfältigung problemlos der Künstlichen Intelligenz anvertrauen. Mag sie auch, wie diesmal, "Die Hochquelle" heißen und zum Besten der Klimabewegung gegeben worden sein (ich hätte die jährliche Orchesterspende der Musikausbildung, nicht dem Alpenverein gewidmet). Volle Kraft zurück zu den Programmen des unterschätzten Konzertmeisters Willi Boskovsky, aber mit den paar verbliebenen Weltdirigenten: Nur die Spitzenwerke von Johann und Josef Strauß, und, warum nicht, auch von Ziehrer, Millöcker, Heuberger, nicht zu reden von den genialen Ouvertüren Lehars. Oder beschwert sich jemand, dass die Opernhäuser immerzu "Tristan" und nie "Das Liebesverbot" spielen? Immer "Don Giovanni" und nie "Die Gans von Kairo"? Um deren Stopfleber darf sich Frau Blimlinger gern sorgen. Dann klatsche ich ihr auch Beifall, auf Anfrage sogar im Takt.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at

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