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Erklären muss sich Bilderbuch schon lange nicht mehr: In Oberösterreich als Schülerband gegründet, spielte man auf den ersten beiden Platten noch gefälligen Indierock, bevor die EP "Feinste Seide" und das darauf enthaltene Stück "Maschin" 2013 alles verändern sollte. So frisch klang heimischer Pop schon lange nicht mehr, würzte das Quartett seinen Sound doch mit reichlich Hip-Hop-Grooves und gab nicht zuletzt Ernst ab diesem Zeitpunkt den exaltierten Frontmann, der den Sprachduktus einer neuen Generation abbildete. Dadaistische Tendenzen? Wurden gerne eingebaut. Ein Gitarrensolo für Leute, die keine Rockmusik mögen? Kein Problem für Michael Krammer.
Seitdem hat Bilderbuch neben den Wiener Kollegen von Wanda den Popzirkus in Österreich auf den Kopf gestellt. Entsprechend selbstbewusst gestaltete man den Einstieg in einen mehr als zweistündigen Abend, der vordergründig die große Rockgeste bediente. Zu einer nächtlichen Berglandschaft auf den überdimensionalen Screens wurden jüngere Stücke wie "Softpower" oder "Dino" in die Halle geknallt, was wortwörtlich zu verstehen ist: Mit so einem Drumsound kommen üblicherweise nur Acts aus den Vereinigten Staaten zu Besuch. Schlagzeuger Philipp Scheibl, wie in den vergangenen Jahren meist von Tausendsassa Lukas König als Percussionist und Synthbediener unterstützt, manövrierte sich in stoischer Manier durch das Oeuvre der Gruppe.
An vorderster Front gehörte die Show aber ohnedies Ernst: "Come on, Wien!", entfuhr es ihm früh, um später nachzulegen: "Wien, willst du mich haben?" Die Antwort lautete letztlich: Schon, aber vielleicht nicht um jeden Preis. Gerade das erste Konzertdrittel wurde neben dem leicht übersteuerten Sound von Nummern dominiert, die sich als große Klangcollagen präsentierten und das Publikum eher zum Schunkeln denn zum Ausflippen animierten. Das änderte sich natürlich beim Song "Bungalow", der eindrucksvoll in Erinnerung rief, was Bilderbuch zu einer so besonderen Band macht: Das leichtfüßige Hantieren mit unterschiedlichsten Versatzstücken der Popgeschichte, kongenial in ein gleichermaßen eingängiges wie anspruchsvolles Lied gegossen.
Doch statt Popneudenker sehen sich Ernst, Krammer, Scheibl und Bassist Peter Horazdovsky mittlerweile als waschechte Rockband mit psychedelischer Schlagseite. Das wurde schon mit dem bis dato letzten Studioalbum "Gelb ist das Feld" von 2022 deutlich, live drückt sich das mittlerweile in langen, jamartigen Instrumentalpassagen aus. Klar, die Band versteht ihr Handwerk und Krammer sowie Ernst im Wechselspiel an den Gitarren zuzusehen und zuzuhören macht durchaus Laune. Doch standen diese groovigen Momente leider zu oft alleine auf weiter Flur.
Wie es auch gehen könnte, zeigte der Überhit "Maschin", gesungen und gebrüllt aus 10.000 Kehlen. So geht Pop, der sexy ist und eine gewisse Gefahr ausstrahlt. Auch das im ersten Zugabenblock geparkte "Willkommen im Dschungel" zündete sofort, während das sphärische "Checkpoint (Nie Game Over)" für reichlich Melodieseligkeit sorgte. Währenddessen flimmerten abwechselnd Landschaftsbilder, bunte Strukturen oder verfremdete Bandköpfe über die Videowalls, die den gesamten Bühnenraum einnahmen. Ansonsten hieß es in puncto Showeffekte bis auf einen kleinen Steg ins Publikum sowie ein zentral positioniertes Podest für Ernst aber: Fehlanzeige.
Grundsätzlich weiß man ja, was man an Bilderbuch hat: Von ausverkauften Open-Air-Gastspielen in der Arena über Headlinerslots bei Festivals wie dem Nova Rock bis zu einer durchaus erinnerungswürdigen Show vor Schloss Schönbrunn reicht die Aufzählung, wenn es um tolle Konzerte der Gruppe geht. Und wirklich enttäuscht haben Ernst und Co auch diesmal nicht, wenngleich man die Band natürlich an den eigenen Erfolgen messen muss. Wer sonst seine Fans locker um den kleinen Finger wickelt und musikalisch über alles erhaben scheint, der sorgt mit einer Performance wie gestern zumindest für ein paar gehobene Augenbrauen und enttäuschte Seufzer. Am Ende gab es natürlich großen Applaus - aber man wurde das Gefühl nicht los, dass damit das bisher Geleistete von Bilderbuch eher bedacht wurde, denn die konkrete Darbietung an diesem Abend. Hier wäre mehr möglich gewesen. Egal: Es gibt sicher ein nächstes Mal!
(Von Christoph Griessner/APA)
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