Im Spätherbst 2023, kurz vor der Pleite der Signa Holding, wird von der Liechtenstein-Stiftung der Benkos eine schöne Stange Geld nach Österreich transferiert. Nicht direkt zu René Benko, sondern über einen Umweg. News-Recherchen offenbaren die brisanten Details.
Der 9. Oktober 2023 ist für René Benko ein anstrengender Tag. Wie so ziemlich jeder in den Wochen und Monaten zuvor. Die Signa steht auf dem Spiel, sein berufliches Lebenswerk ist in bedrohliche Schieflage geraten. Seit Tagen ist Benko im engen Austausch mit dem Liechtensteiner Anwalt Simon O. Eine wichtige Änderung bei der Liechtensteiner Privatstiftung der Benkos muss noch eilig über die Bühne gebracht werden. Sie ist dem Tiroler Immobilienjongleur offenbar ein großes Anliegen.
Wie vertrauliche Unterlagen zeigen, die News und "Krone" exklusiv vorliegen, wird in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine brisante Änderung in der geheimen Zusatzurkunde, dem sogenannten "Beistatut", der Liechtensteiner INGBE Stiftung durchgeführt. Beim Innsbrucker Haus-und-Hof-Notar von René Benko nimmt seine Mutter Ingeborg Platz und lässt in ihrer „Eigenschaft als Hauptstifterin der INGBE Stiftung“ ihre Schwiegertochter Nathalie Benko als Begünstigte eintragen. Damit wird die Ehefrau von René Benko neben seiner Mutter eine weitere Profiteurin von möglichen Ausschüttungen der Stiftung nach Innsbruck werden.
Goldbunker
Die Liechtensteiner INGBE Stiftung der Benkos ist seit Jahren ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt im Schattenreich des Finanzjongleurs. Das Konstrukt dient als Vehikel für diskrete Vermögensverschiebungen. Oder, wie News-Recherchen im Frühjahr (Ausgabe 14/2024) offenbarten, auch als Geld- und Goldbunker. In den Tresoren der Stiftung sind etliche Millionen in Form von Goldbarren gelagert worden. Stand Ende 2021 waren in mehreren Bankdepots Goldbarren im Wert von 81 Millionen Euro gelagert. Rund ein Jahr später, im Sommer 2022, dürften in den Safes noch immer edle Metalle im Wert von rund 45 Millionen Euro gebunkert gewesen sein. Die Safes befanden sich bei der LGT Bank, der VP Bank und bei der Liechtensteinischen Landesbank (LLB). Dazu gesellen sich stattliche Barreserven, welche die INGBE ebenfalls in Bankschließfächern verwahrte: eine Million Schweizer Franken bei der LGT. Eine Million Franken und eine Million US-Dollar bei der VP Bank. Eine Million Franken und eine Million Dollar bei der LLB. Auf den Bankkonten lagen – Stand Ende Juni 2022 – gut 23 Millionen Euro.
Geheimer Beschluss
Ein Jahr später, wir schreiben den November 2023, kommen im Benko-Reich die Einschläge von allen Seiten immer näher. Die finanzielle Tanknadel des unüberschaubaren Signa-Tankers bewegt sich seit Monaten im dunkelroten Bereich. Benkos Co-Investoren klammern sich mit der Installierung eines Sanierungsexperten an den letzten Strohhalm, neue Geldgeber sind in etwa so leicht zu finden wie eine Nadel im Heuhaufen.
Just in diesen bewegten Tagen werden in Liechtenstein geheime Beschlüsse gefasst, die René Benko selbst noch einmal mit Millionen versorgen sollen. Drei Herren des Stiftungsrats der in Vaduz sitzenden INGBE Stiftung setzen ihre Unterschrift unter ein Dokument, das hohe Brisanz birgt. Es handelt sich nämlich um die schriftliche Genehmigung einer Millionentransaktion, die von der Liechtensteiner Stiftung an die Mutter des Tiroler Immobilienjongleurs durchgeführt werden soll. Die exakte Höhe wird darin auch festgeschrieben: satte drei Millionen Euro.
Dem Ganzen ging ein bemerkenswerter Vorgang voraus: Der Liechtensteiner Anwalt O. setzt eigens ein an sich und seine beiden Kollegen im Stiftungsrat adressiertes Schreiben auf und lässt dieses René Benko zukommen. In dem vorgefertigten Brief bittet Benkos Mutter offiziell den Stiftungsvorstand, also den Verfasser, über die millionenschwere Überweisung im "ausschließlichen und freien Ermessen" zu entscheiden. Für Außenstehende ein gänzlich absurder Vorgang. Denn in weiterer Folge bittet Mutter Benko in dem Schriftstück den Vorstand der Stiftung, "im Falle der positiven Entscheidung" den Betrag auf ihr Konto zu überweisen. Wie der Zufall so will, kam es exakt so: Der Millionenbetrag sollte nach Österreich fließen.
Schlussverkauf
Beachtung verdient auch das Datum der Unterschriften: der 21. November 2023. Denn nur acht Tage später wird die Signa Holding, gleichsam Muttergesellschaft des bewusst intransparent gehaltenen Firmenkonglomerats, beim Handelsgericht Wien ihre Zahlungsunfähigkeit anmelden. Ein Schicksal, das im März 2024 auch den Unternehmer René Benko persönlich ereilen wird. In einer solchen Gemengelage sind millionenschwere Transfers aus dem Liechtensteiner Benko-Bunker auf das österreichische Konto seiner Mutter besonders bemerkenswert und möglicherweise rechtlich heikel.
Die Recherchen von News und "Krone" zeigen, dass die Millionen aus dem Verkauf der physischen Goldbestände stammen, die von der INGBE Stiftung in Banktresoren gehortet wurden. Zumindest hat die Stiftung diese Angaben gegenüber der nachfragenden österreichischen Bank gemacht. Der Verkauf der Goldbarren sollte demnach bereits Wochen zuvor, Mitte Oktober 2023, über die Bühne gegangen sein. In einem vertraulichen Schreiben an das Bankhaus wurde der Verkauf im Detail erläutert: "Die Stiftung hat seit 2014 sehr erfolgreiche Investitionen in diverse Anlageklassen (Wertschriften, Edelmetalle etc.) getätigt. Der Ausschüttungsbetrag stammt aus Verkauf von Gold, der am 18. Oktober 2023 getätigt wurde. Der Verkaufspreis pro Kilo Gold war EUR 59’312.19. Das Gold wurde am 26. März 2020 zu EUR 44’902.63 pro Kilo gekauft. Der Gewinn pro Kilo Gold war daher EUR 14’409.56."
Überwiesen werden die drei Millionen dann auf ein österreichisches Bankkonto von Ingeborg Benko, einer pensionierten Kindergärtnerin, die im Gegensatz zu ihrem Sohn René in der Stiftung als Begünstigte aufscheint.
Weitere Millionen
Es bleibt aber nicht bei dieser einen Transaktion über drei Millionen Euro. Während bei der von Benko dominierten Signa das Konkurs-Domino einsetzt und Milliardenwerte von Investoren und Gläubigern vernichtet, konzentriert sich Familie Benko darauf, weitere Millionen aus dem verschwiegenen Finanzplatz im Fürstentum nach Österreich zu verschieben.
Aus vertraulichen Bankunterlagen geht hervor, dass es am 11. Dezember 2023 zu einem weiteren Beschluss der Liechtensteiner Benko-Stiftung kommt. Darin heißt es: "Über Erklärung von Ingeborg Benko vom 5. Dezember 2023 dient die Ausschüttung zur Unterstützung der Familie." Diesmal werden zwei Millionen Euro an die Mutter ausgeschüttet. Und wieder sollen die Mittel aus einem Goldverkauf stammen.
Und an wen sollten die Millionen am Ende schlussendlich fließen? An René Benko. Auf Basis einer Darlehensvereinbarung mit seiner Mutter. Zumindest wurde das gegenüber der Bank so kommuniziert.
Strippenzieher
Auch wenn René Benko mittlerweile mit den von ihm gestifteten Stiftungen in Liechtenstein und Österreich offiziell nicht mehr viel zu tun haben will, in die Vorgänge rund um diese Ausschüttungen und Verschiebungen war er neben seinem "Alltagsgeschäft" als „Signa-Berater“ massiv involviert. Das geht aus dem vorliegenden Schriftverkehr zwischen Benko und dem Liechtensteiner Stiftungsanwalt O. hervor. Einmal mehr zeigt sich: Kaum eine wichtige Entscheidung im Benko-Reich lief ohne sein Wissen ab.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 37/2024 erschienen.