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Benko-Festnahme: Der tiefe Fall eines Jongleurs

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René Benko

©Johann Groder / EXPA / picturedesk.com
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Über Monate sollte René Benko den Ermittlern vor der Linse herumspringen. Letzte Woche hat dieser Lebensabschnitt für den gefallenen Immobilienunternehmer ein plötzliches Ende gefunden. Der 47-jährige Tiroler sitzt derzeit in der Wiener Josefstadt in Untersuchungshaft. News kennt die Hintergründe

Eine Fahrt mit dem Auto von Innsbruck nach Wien kann dauern. Manchmal sogar eine gefühlte Ewigkeit. Von Innsbruck durch das Tiroler Unterland über das bayerische Alpenvorland, der Westautobahn und der Einfahrt nach Wien können sich die 474 Kilometer auch weit über fünf Stunden ziehen. Das wusste auch René Benko. Nicht ohne Grund stieg er über Jahre zwischen der Provinzhauptstadt und Wien in seinen Privatjet. Die exorbitanten Reisekosten spielten damals noch eine untergeordnete Rolle. Mit diesem Luxus ist es nun endgültig vorbei. Das dürfte Benko verspürt haben, als er am 23. Jänner gegen Mittag in einen dunkelblauen VW-Bus der Justizwache geleitet wurde, um die Fahrt nach Wien anzutreten – ohne die Insignien eines hemmungslos zur Schau gestellten Reichtums.

Um 17.10 Uhr biegt der VW-Bus in die Justizanstalt Josefstadt ein. Es ist ein grauer und feuchter Abend. Eine Handvoll Fotografen steht am Straßenrand und versucht, ein Foto des Finanzjongleurs zu schießen. Der Bus ist schneller und fährt an ihnen vorbei. Was sich hinter den grauen Mauern der Haftanstalt abspielt, lässt sich nur erahnen. Es ist das vorläufige Ende eines Gejagten. Fast wie ein kalter Entzug. Auch nach dem Zusammenbruch der Signa übte sich Benko nicht in Verzicht. Es war mehr ein Leben im Auge des Sturms. Weiter residierte der Spekulant in der protzigen Millionen-Villa in Innsbruck Igls. Er genoss wohl ein paar Urlaubstage in der von der Öffentlichkeit bis vor Kurzem verborgenen Luxus-Finca auf Ibiza, schipperte zur Freude seines Insolvenzverwalters mit dem Motorboot über den Gardasee und ging mit dem Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer auf die Jagd.

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Millionenvilla: Der Immobilien-Jongleur muss derzeit ohne das gewohnte Luxusleben auskommen

 © Johann Groder / EXPA / picturedesk.com

Im Visier

Das blieb auch den Ermittlern nicht verborgen. Aus dem Umfeld der eigens eingerichteten Soko Signa ist zu vernehmen, dass man wohl schon vor Monaten darauf drang, diesem Schauspiel ein Ende zu bereiten. Bis es dann soweit war, zog viel Zeit ins Land. Und Benko dirigierte einstweilen sein Schattenreich, wie News mehrfach berichtete. Er besprach mit dem Architekten der neuen Sommerresidenz auf Ibiza die Baupläne und die Luxus-Innenausstattung.

Er zog mit teils ausfälligem Unterton die Fäden im Immobilienreich seiner Laura Privatstiftung. Und er beschimpfte einen Manager seiner „Laura-Gruppe“ als „geisteskrank“, wenn er sich nicht im Sinne des heimlichen Dirigenten verhalten haben soll. Es waren nicht zuletzt diese News-Recherchen, die für Benko nun ein massives Problem darstellen. Der Eindruck, dass sich der 47-Jährige auch nach dem Zusammenbruch weiter intensiv in sämtliche Angelegenheiten der Stiftung involvierte, war nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Obendrein sollen monatelange Telefonüberwachungen und weitere Observationsmaßnahmen das Bild eines Strippenziehers verstärkt haben.

Die Festnahme

Über Monate wuchs der Druck auf die Wiener Ermittlungsbehörde. Nicht zuletzt seit den Razzien in Südtirol und dem Bekanntwerden jahrelanger Anti-Mafia-Ermittlungen gegen Benko und sein dortiges Netzwerk. Mitsamt einem europäischen Haftbefehl aus Italien gegen das frühere Signa-Mastermind, der in Österreich nicht vollstreckt werden sollte. Benko durfte die Weihnachtszeit in Freiheit bleiben, während sein langjähriger Vertrauensmann und Südtirol-Statthalter Heinz Peter Hager weiter unter Hausarrest stand.

Wenige Wochen später, am 23. Jänner 2025, gegen 08:30 Uhr in der Früh, nimmt diese Episode just an jenem Ort ihr Ende, an dem vieles für Benko seinen Anfang nahm – im Kaufhaus Tyrol. Genau dort unterhielt Benko weiterhin sein Büro, mit Vorzimmer und Assistentin, und wird an diesem Donnerstagmorgen von Kriminalisten der Soko Signa angetroffen. Wie gewöhnlich sitzt er an seinem Schreibtisch mit Blick auf die Maria-Theresien-Straße. Und wird auf Anordnung der WKStA festgenommen. Bei den ersten Einvernahmen verweigert Benko die Aussage. Die Vorhalte der Ermittler sind massiv. Einen Tag später wird über Benko die Untersuchungshaft verhängt. Vorerst für 14 Tage. Die Begründung der Haftrichterin lautet: „Das Gericht geht von dringendem Tatverdacht und vom Vorliegen von Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr aus.“ Auch vor der Richterin wollte sich Benko nicht äußern. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Inhaftiert: René Benko wurde von Innsbruck in die Justizanstalt Josefstadt in Wien überstellt

 © GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Verschiebungen im Schattenreich

Parallel zum Aufbau der Signa-Gruppe hat sich René Benko mit einem kleinen Kreis an Vertrauenspersonen ein stattliches Vermögen im Verborgenen aufgebaut: Es geht um ein lange verdeckt gehaltenes Immobilienportfolio von Innsbruck bis Berlin und eine Sammlung von Kunstwerken und millionenschweren Ferraris. Alles ganz nach Benkos Geschmack. Die Schlüsselpersonen im inneren Kreis waren im Licht wie im Schatten fast ident. Benko vertraute in diesen Fragen wohl nur seiner Schwester und seiner Mutter gänzlich. Ansonsten agierte er auf einer „need to know-Basis“. Er wollte um jeden Preis vermeiden, dass neben ihm noch jemand ein vollständiges Bild haben könnte. Insbesondere im Umgang mit seinem Liechtensteiner Goldtresor wurde das offensichtlich. Wie News-Recherchen mehrmals aufgezeigt haben, bunkerte Benko mit Hilfe seiner Liechtensteiner Stiftung und dortigen Banken Goldbarren in physischer Form in zweistelliger Millionenhöhe. Am Gipfel, im Jahr 2021, hatte das Geheimdepot laut vertraulichen Unterlagen einen Wert von mehr als 80 Millionen Euro.

Rund um den Zusammenbruch des Signa-Konstrukts begann Benko mit seinen letzten Getreuen, den Fokus auf die Verschiebung und Verwertung seines Geheimvermögens zu legen. Aus der Verwertung der Liechtensteiner Goldreserven fanden Millionen Euro über Ausschüttungen den Weg an seine Mutter, die als Begünstigte der Stiftung eingesetzt wurde, und über Darlehensverträge den Weg zurück zu Benko. Ein raffiniertes Schema, dem der Innsbrucker Insolvenzverwalter Andreas Grabenweger auf dem Prozessweg ein Ende bereiten will. Eine erste Gerichtsverhandlung gegen Benkos „Strohmama“ ist für Ende Jänner anberaumt.

Wie News in den vergangenen Monaten mehrmals berichtet hat, agierte der Finanzjongleur auch im Verlauf des Jahres 2024 weiter als Fürst seines finsteren Schattenreichs. Und das, obwohl er sich seit seinem Privatkonkurs mittelos gab und von „nur“ 3.700 Euro Taschengeld im Monat gelebt haben will. Aus Sicht der Korruptionsermittler soll Benko jedoch faktischer Machthaber und wirtschaftlich Berechtigter der Laura Privatstiftung sein und dies im Rahmen seiner persönlichen Insolvenz verheimlicht haben. „Damit habe er Vermögenswerte verschleiert und das in der Stiftung vorhandene Vermögen weiterhin dem Zugriff von Behörden, Masseverwaltern und Gläubigern entzogen“, teilte die WKStA im Zuge der Festnahme mit.

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Millionen-Karussell: Das Geld wurde einmal im Kreis geschickt. Ein Schweizer Investor zahlte daraufhin nochmals mehr als 30 Millionen Euro bei der Signa Holding ein

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Der Ermittlungsakt

An Benkos persönlichem „D-Day“ ging die WKStA mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Auch für die Wiener Spezialisten in Korruptionssachen ein seltener Schritt. Im Zentrum der Ermittlungen stehen mehrere Stränge, die aufgrund von News-Recherchen bereits im Frühjahr 2024 publik wurden. („Benko-Karussell“ in News 13/2024)

Welch enorme Brisanz die damaligen Enthüllungen ins sich bargen, wird auch durch eine vorliegende vertrauliche Mail deutlich. Benkos Mann fürs Grobe und für die wichtigen Unterschriften, Marcus Mühlberger, der sich selbst von langjährigen Mitarbeitern als „Herr Dr.“ angesprochen haben lassen wollte, sendete am 27. März 2024, nur wenige Minuten nach Erscheinen der Recherchen, den Artikel sofort an den inneren Kreis an Benko-Vertrauten weiter.

Dabei geht es um ein millionenschweres Geldkarussell. Es besteht der Verdacht, dass Benko gemeinsam mit seinen engsten Vertrauten im Sommer 2023 im Zuge einer Kapitalerhöhung der Signa Holding einen potenziellen Taschenspielertrick angewendet haben könnte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Holding bereits in einer bedrohlichen finanziellen Schieflage, weshalb die Investoren insgesamt ein letztes Mal 350 Millionen Euro bereitstellen sollten.

Benko soll dabei den Anschein erweckt haben, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, indem er über die „Familie Benko Privatstiftung“ 35 Millionen Euro einbringen sollte. In Wahrheit sollen diese 35 Millionen jedoch zunächst aus einer Gesellschaft der Signa Holding abgezogen, über mehrere Konten und Gesellschaften umgeleitet und schließlich wieder zurück in die Signa geflossen sein – versehen mit dem Label: „frisches Eigenkapital“. Mehrere Investoren der Signa Holding nahmen diese Einzahlung vonseiten der Benko-Stiftung als Zusicherung an, dass Benko selbst Verantwortung übernimmt und mit seiner Stiftung einen finanziellen Beitrag leisten würde. Und so zahlte offenbar ein Schweizer Investor auf dieser Grundlage über 30 Millionen Euro bei der Signa Holding ein.

Die News-Recherchen fanden kurze Zeit später in einem umfangreichen Bericht der Soko-Ermittler mit der internen Ordnungsnummer „ON 91“ Niederschlag und stellten schon im Juni 2024 die Grundlage für die Hausdurchsuchungen in der Benko-Villa in Igls und an weiteren Signa-Standorten dar.

Baldige Anklage?

Laut einem Insider wurden im Zuge der Erhebungen der vergangenen Woche die geschädigten Schweizer Signa-Investoren auf dem Rechtshilfeweg als Zeugen einvernommen. Auch ein langjähriger deutscher Benko-Investor wurde in Wien zum Sachverhalt „Kapitalerhöhung“ befragt. Die Ermittlungen dürften demnach weit fortgeschritten sein – mit einer Anklageerhebung ist innerhalb der nächsten Monate zu rechnen. Ob René Benko bis dahin im „Grauen Haus“ in der Josefstadt verharren muss oder wieder in seinem „Weißen Haus“ in Innsbruck Unterschlupf finden darf, ist derzeit offen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.05/2025 erschienen.

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