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Das Bildnis des Dorian Gay

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Bauer Hannes
©Bild: Heinz Stephan Tesarek
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Hannes aus der Steiermark hat sich als schwuler Bauer geoutet. Seither prallen seine traditionelle Lebenswelt und sein liberaler Lebensentwurf unversöhnlich aufeinander.

Bauer sucht Mann. "Und wie", seufzt Hannes. Dennoch kommt der Südsteirer als Kandidat für rustikale Kuppelshows nicht in Frage: Weder krachlederne Kniehosen noch rot-weiß karierte Schneuztücheln sind seine Sache, und auch neckische Gamsbärtchen zählen nicht zu seinen serienmäßigen Extras.

Hannes blickt von der Theresienkapelle, die inmitten der schneebezuckerten Weinberge liegt, über das Sausal hinweg. Auf der einen Seite sieht man hinüber bis nach Slowenien, auf der anderen fast bis hinauf nach Graz. Auch Hannes will sich nicht einengen lassen, nicht mehr. Hemdsärmelige Frohnatur zwischen Kühen und Schweinen oder schüchtern-romantischer Boy vom Bauernhof, mit seinen 48 Jahren möchte er sich in keines der televisionären Typenklischees mehr pressen lassen, sondern einfach nur ganz normal leben. Als Schwuler. Doch dort, wo er herkommt, ist das weder einfach noch ganz normal. "Obwohl ich nie schrill war und mit Regenbogenfahnen durch unser Dorf gelaufen bin", sagt er.

Grob gesprochen, lässt sich sein Leben in zwei Perioden gliedern. Die erste Hälfte, in denen er seine sexuelle Orientierung leidlich verdrängte. Und die zweite, in denen er versuchte, seinen Lebensentwurf und seine Lebenswelt unter einen Steirerhut zu bringen - und daran scheiterte.

"Eigentlich hatte ich eine recht glückliche Kindheit", erzählt er. Da war der Hof, das Pony, das ihm der Großvater geschenkt hatte, und der alte Apfelbaum inmitten des Hühnergeheges, der für den Buben zum luftigen Refugium wurde. "Ich habe nie groß über mein Anderssein nachgedacht, es war mir damals nicht einmal richtig bewusst", blickt Hannes zurück.

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Fragiles Idyll: Hannes liebt die Arbeit und das Leben am Land, doch der Vater beschloss, den Hof in andere Hände zu legen © Heinz Stephan Tesarek

Balletttänzer beim Dorfwirt

Dann, nach der Hauptschule, ging er in seinem Heimatort bei einem Gastwirt in die Lehre. Dort verkehrte auch ein Notar aus der nächstgelegenen Stadt. Kein unguter Kerl, aber, so die landläufige Meinung, doch irgendwie seltsam: Die meisten Gäste machten sich über seine merkwürdig gezierten Bewegungen, seine ungewöhnliche Wortwahl lustig, nannten ihn hinter vorgehaltener Hand spöttisch "den Balletttänzer"."Ich dachte mir: Wenn ich wirklich schwul bin und sich meine Auswahl auf Männer wie ihn beschränkt - na servus!"

Nach Abschluss der Lehrzeit ging Hannes nach Graz und arbeitete als Rezeptionist in einem Jugendgästehaus. Rucksacktouristen aus allen Teilen der Welt bevölkerten die Herberge, endlich hörte er neue Geschichten statt des tranigen Dorftratsches, endlich erschlossen sich völlig neue Möglichkeiten. Australien, Alaska, Singapur, Hongkong, Hannes kratzte all seine verfügbaren Ersparnisse zusammen und ging kurzentschlossen auf Weltreise.

Zurück in Graz, half er dann vorübergehend in einem Reisebüro aus. Und schließlich war da ein umsichtiger Arbeitskollege, der Hannes ziemlich richtig einschätzte. Das "Bang!", eine mittlerweile aufgelöste Grazer Schwulenbar, gab der Ältere dem Jüngeren als Lokaltipp, und Hannes fühlte sich auf Anhieb wohl. "Von da an wusste ich hundertprozentig sicher, dass ich schwul bin, und wollte es auch niemandem mehr verheimlichen."

Outing mit Folgen

Nicht draußen in der großen Welt. Aber auch nicht daheim in der kleinen. Das Outing im Familienkreis verlief unaufgeregt. Nur einmal fragte sich die Mutter halblaut, was sie falsch gemacht hätte, ansonsten blieb das Unverständnis unausgesprochen. Bis Hannes von seinem Vater, einem angesehenen Landwirt mit 14 Hektar Grund, als Ältester unter fünf Geschwistern von der Liste der möglichen Nachfolger gestrichen wurde. "Der Hof gehört in gesunde Hände", habe der Altbauer seinem Sohn mitgeteilt. Und dann den Zweitältesten, der ursprünglich gar kein Interesse hatte, zur Fortführung der Familientradition bestimmt.

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 © Heinz Stephan Tesarek

"Das war vom Vater gewiss nicht böse gemeint", sagt Hannes heute. Trotzdem sei für ihn nach der schnörkellosen Verlautbarung der Erbfolge eine Welt zusammengebrochen. Erst war da nackte Existenzangst: Was nun? Wie überleben? Dann eine tiefe Sinnkrise: Wo liegt der Fehler, wer hat was falsch gemacht? Doch irgendwann, nachdem Hannes aus Frust 20 Kilo zugenommen hatte, begann aus der Verzweiflung Mut zu wachsen. "Ich habe erkannt, dass es im Leben darum geht, sich glücklich zu machen, nicht darum, sich zu verbiegen."

Keine Mitgliedschaft im lokalen Sportverein, keine Mitgliedschaft bei der freiwilligen Feuerwehr, schon gar nicht beim Kameradschaftsbund oder der Blasmusik. "Ich weiß gar nicht, ob man mich aufgenommen hätte. Früher bin ich ferngeblieben, weil es mich nicht wirklich interessierte, heute weiß ich, dass diese Welt der Hetero-Machos so ganz und gar nicht meine ist."

Und so beschloss Hannes, all sein Erspartes, immerhin 20.000 Euro, in ein zwei Hektar großes Grundstück in Slowenien zu investieren. Mithilfe der sozialen Netzwerke hat er eine Interessengemeinschaft namens "Gayfarmer" ins Leben gerufen. Nun sucht er fünf Homosexuelle, die mit ihm jenseits der Grenze eine Landwirtschaft gründen und gemeinsam mit ihm in einer Wohn-und Solidargemeinschaft leben wollen. Das Land steht bereit, den Hof will er gemeinsam mit seinen potenziellen Mitstreitern errichten. "Ich sehne mich nach der Geborgenheit einer Familie", sagt Hannes. Außerdem gehe es darum, dass man später, wenn einem die körperliche Arbeit nicht mehr so leicht falle, in einem Verband lebe, in dem sich einer um den anderen kümmert.

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 © Heinz Stephan Tesarek

Gebügelter Hahnenkamm

Doch noch ist das alles Zukunftsmusik. Die Gegenwart, das ist der eisige Wind, der oben in den Weinbergen die Theresienkapelle umtost. Hannes hat sich die dichten Haare zu einer Art Hahnenkamm aufgestylt, doch die heftigen Böen drücken die Frisur immer wieder nieder. "Natürlich bin ich eitel", sagt er, setzt sich auf eine Holzbank und stützt den Kopf auf die zur Faust geballte Hand. "Eine Denkerpose", sagt er. Doch dann, als das Klicken der Fotografenkamera einsetzt, ergänzt er: "Außerdem sieht man so mein Doppelkinn nicht."

Hannes möchte richtig gut aussehen. Und endlich wen an seiner Seite, der das nicht weiter merkwürdig findet. Doch hier wirkt er irgendwie fremd: eine Art südsteirischer Dorian Gay, der zeitlos sein will - in seiner hoffnungslos veralteten Umwelt.

Für Fragen zu seinem Projekt ist Hannes über gayfarmer.at erreichbar.

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