Am Abend vor der legendären Kitzbüheler Hahnenkamm-Abfahrt steigt beim Stanglwirt im nahe gelegenen Going die traditionelle Weißwurstparty: Unter den 2.500 Besuchern im trachtigen Outfit sind Jahr für Jahr zahlreiche Promis dabei, die den Reiz dieses Megaevents erst so richtig ausmachen. Stars und Freunde des Hauses wie Arnold Schwarzenegger, Niki Lauda, Karl Schranz, Bode Miller, Uschi Glas, Nina Proll, Franz Beckenbauer, DJ Ötzi oder Andreas Gabalier sowie viele hübsche "Sternchen" haben dazu beigetragen, dass die Weißwurstparty heute beinahe ebenso legendär ist wie die berühmt-berüchtigte Abfahrt auf der Streif. Dabei ist sie eher zufällig entstanden. "Wir haben immer schon die Abfahrer und ihre Betreuer vor dem Rennen zur Stärkung in unser Gasthaus eingeladen. Und daraus wurde dann eine immer größere und beliebtere Veranstaltung für ein völlig gemischtes Publikum - sozusagen eine echte Er-Volks-Party", erzählt Stanglwirt-Chef Balthasar Hauser (71) beim Besuch von News.
Wenngleich ausgelassene Stimmung und rustikale Atmosphäre im Vordergrund stehen, die Weißwurstparty ist auch ein gutes Geschäft: Kosten die Tickets für die Party, die nur im Vorverkauf über die Stanglwirt-Homepage gekauft werden können, doch 145 bis 450 Euro. Dafür gibt es dann bekannte Musik-Acts, ein Buffet von Starkoch Alfons Schuhbeck - inklusive Trüffel-oder Champagner-Weißwürsten - und vor allem das Gefühl, bei einer Fete dabei zu sein, wo die Post abgeht.
Der Stanglwirt steht aber auch für bodenständige Gediegenheit, innovative Ideen, Gastlichkeit und Authentizität - vor allem auch wegen Balthasar Hauser, der aus einem Gasthaus mit Landwirtschaft eine alpine Geldmaschine gemacht hat. Mit mehr als 33 Millionen Euro Umsatz und 292 Mitarbeitern ist der Stanglwirt heute ein Vorzeigeunternehmen in der österreichischen Hotellerie.
Glückliche Zufälle
Dabei hat alles einfach begonnen - und so wie bei der Weißwurstparty hat dabei der Zufall des Öfteren Regie geführt. "Vieles ist uns zugefallen", sagt Hauser, der auf eine Erfolgsgeschichte sondergleichen zurückblicken kann. Zwar ist der Gasthof schon mehr als 400 Jahre alt und seit 1722 im Eigentum der Familie; der steile Aufstieg des ehemaligen Einkehr- und Vorspanngasthofs begann vor rund 50 Jahren. 1964 musste der erst 17-jährige Balthasar nach dem frühen Tod seiner Mutter - "sie verstarb mit 49, weil sie sich völlig für den Betrieb verausgabt hatte" - das Haus übernehmen. Eigentlich sei alles anders geplant gewesen, schildert Hauser: "Meine zwei Jahre ältere Schwester hätte das Gasthaus übernehmen wollen und ich die Landwirtschaft, aber das Testament meiner Mutter sah anderes vor."
So kam es, dass der noch nicht volljährige und mit 13 Jahren ausgeschulte Bauernbub zum Gastwirt wurde - und die Landwirtschaft mit dem Vater weiter betrieb. "Ich musste zuerst noch eine gastronomische Ausbildung machen und mich mit 19 Jahren für volljährig erklären lassen, um für den Betrieb unterschreiben zu können", sagt Hauser, der das Gasthaus mit drei Tischen in der Stube übernahm. Das war aber damals schon eine regionale Institution, in der Stars wie Clark Gable und Bing Crosby eingekehrt sind. "Der hat auch bei uns gesungen und nicht in Kitzbühel, wo man das unbedingt wollte", erinnert sich Hauser, dessen Mutter "eine gute Sängerin" und dessen Vater "Kapellmeister" war. Seit 1949 gab es im Wirtshaus zweimal jährlich Sängertreffen mit Teilnehmern aus dem ganzen Alpenraum.
Neben der Weißwurstparty ist das der zweite, konträre, jährliche Fixpunkt des Stanglwirts, so Hauser, der ebenfalls für seine Musikalität bekannt ist. Er spielt Ziehharmonika und Gitarre - derzeit besonders gerne eine, die ihm Tirols Landeshauptmann Günther Platter zum 70er geschenkt hat. Und er singt so wie seine Eltern vor ihm mit seinen Gästen. "Beim gemeinsamen Singen entstehen ein direkter Kontakt und eine persönliche Nähe - und das ist Teil unseres Erfolgsgeheimnisses."
1966 errichtete er die ersten sieben Gästezimmer mit Fließwasser - mit Fokus auf Handelsvertreter, die regelmäßig bei dem an der Straße gelegenen Gasthaus vorbeikamen. "Die Zimmer gingen nach hinten hinaus, damit sie ruhiger waren. Und sie hatten einen Blick auf den Wilden Kaiser - das sind auch heute noch die beliebtesten Zimmer." Es folgten Jahre harter Arbeit ohne Ruhetag - der Stanglwirt ist rund um das Jahr geöffnet - während denen Hauser mit den "Stanglwirts Buam" auch noch als Sänger unterwegs war. Kontinuierlich wurde ausgebaut, und wiederholt wurden Rückschläge weggesteckt: etwa als die ersten Tennisplätze vom Hochwasser weggeschwemmt wurden, der errichtete Schlepplift sich wegen seiner Steilheit für Skischulen als ungeeignet erwies oder die Kegelbahn trotz Beiziehung eines Architekten zu kurz für Wettbewerbe geriet.
Unkonventionelle Ideen
Seither vertraut Hauser vor allem seiner Intuition, wenn es darum geht, bauliche und gestalterische Vorstellungen umzusetzen. "Wir bauen ohne Plan und singen ohne Noten", sagt der Vorzeigehotelier, dessen Motto es ist, "die Straße der Normalität zu verlassen und ins Gelände zu gehen", denn dort könne man "vieles Ungeplantes erleben". Nicht umsonst beschreiben ihn Freunde und Geschäftspartner auch als "bauernschlauen Philosophen, der gerne ausgetretene Pfade verlässt".
Das beginnt beim unkonventionellen Wandverputz und dem Restaurant mit Fenster in den Kuhstall und geht über das Felsenbad, für das 750 Tonnen Gestein herangeschafft wurden und bei dessen Eröffnung zwei Haifische für Publicity sorgten, bis zum hauseigenen Lipizzanergestüt.
Irgendwie sei beim Stanglwirt alles verschieden und dennoch passe alles erfolgreich zusammen, fasst es Hauser zusammen: "Eigentlich ist bei uns alles kurios und widersinnig - angefangen damit, dass wir am schattigsten Platz in Going in einer Mulde liegen." Oft wurde aus der Not auch eine Tugend gemacht: So wurde die Tennishalle tiefer gelegt, um den Blick auf den Wilden Kaiser nicht zu verstellen, und das Dach begrünt, damit darauf Schafe weiden konnten. Und wenn feine Gäste heute den Gang über dem Kuhstall queren und sich möglicherweise am charakteristischen Geruch stören, so nimmt man ihnen mit dem Hinweisschild "Liebe Gäste, auf diesem Gang begleitet Sie gesunde Tiroler Landluft vom Stanglwirt Bio-Bauernhof! Bitte tief einatmen!" den Wind aus den Segeln.
Wichtige Ausbaustufen, die zum Durchbruch beigetragen haben, waren die Errichtung der urigen Stanglalm aus Altholz 1970, die Einführung von Tenniscamps gemeinsam mit Franz Kneissl und die Errichtung des Biohotels 1980. Letzteres wurde sukzessive ebenso wie die Angebotspalette weiter ausgebaut - von großzügigen Wellness-und Fitnessbereichen über einen Liftestyle-Conceptshop bis zu eigenen Tennis-, Golf-, Reit- und Skischulen. Das heutige Fünf-Sterne-Resort mit einer Auslastung von 90 Prozent betreibt zudem ein eigenes Biomassekraftwerk, eine thermische Grundwassernutzung und eine Umwelt-Kooperation mit dem WWF.
Alle Prominenten aufzuzählen, die schon im Stanglwirt zu Gast waren, ist schlicht unmöglich. Auch die Fotogalerie am Gang zum Felsenbad gibt da nur einen kleinen Einblick - von Herbert und Eliette von Karajan, André Heller, Caroline von Monaco, Christiaan Barnard über George Harrison, Heidi Klum, Jean-Claude Juncker oder Anna Netrebko bis zu Buzz Aldrin, den Klitschko-Brüdern oder Muhammad Ali reicht die Liste bekannter Namen.
Dennoch legt Hauser darauf Wert, "nach wie vor ein Gasthof" zu sein, "in dem jeder einkehren kann". Parallel dazu hat er auch seine bäuerlichen Wurzeln hochgehalten und die Landwirtschaft erweitert: "Es war mir immer wichtig, nicht die betriebliche Substanz zu verlagern." Heute ist der Stanglwirt nicht nur ein touristischer Leitbetrieb, sondern auch ein Unternehmen mit rund 117 Hektar Landund Almbesitz und Fischwasser. Neben Balthasar und seiner Gattin Magdalena, die gerade zum vierten Mal Großeltern wurden, arbeitet mittlerweile auch die nächste Generation der Familie - die Töchter Maria und Elisabeth sowie Sohn Johannes - federführend mit.
Im Vorjahr wurde Balthasar Hauser vom Wirtschaftsprüfer Ernst & Young zum Unternehmer des Jahres gewählt. Stolz ist Balthasar Hauser auch auf das Wasser aus seiner Kaiserquelle. Das wird in handgemachten Karaffen serviert und in langstieligen Gläsern ausgeschenkt. "Mit Stil", sagt Hauser, der besonders stolz darauf ist, "nie überschuldet gewesen" zu sein: "Ich habe ein lastenfreies Grundbuch. Für mich als Bauer ist das das Höchste."