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Die letzten Meister ihrer Zunft

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Aussterbende Berufe im Porträt
©Bild: Ricardo Herrgott
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Aussterbendes Handwerk. Blaudrucker, Köhler oder Vergolder - viele alte Berufe sind selten geworden. Doch einzelne Meister setzen die Traditionen fort. Ein Blick in ihre Werkstätten und ihren Arbeitsalltag.

Eigentlich wollte er Schlosser werden, aber dass sein Familienunternehmen stirbt, damit konnte er auch nicht leben. Deshalb färbt Karl Wagner jetzt Stoffe blau und druckt Muster drauf. Jeden Tag. Im Mühlviertel in Oberösterreich arbeitet er in einem jahrhundertealten Handwerk: der Blaudruckerei. "Das ist Kulturgut, was ich hier betreibe", sagt Wagner stolz. Gab es vor 150 Jahren noch mehr als 100 Färbereien diese Art in Österreich, ist sein Betrieb heute einer der letzten seiner Zunft.

Wir färben das Leinen noch in den Bottichen meines Urgroßvaters

Wie die Blaudruckerei sind auch viele andere alte Handwerksberufe im Verschwinden begriffen. Zum einen fehlt der Nachwuchs, zum anderen stellt industriell gefertigte Massenware billige Konkurrenz dar. Dennoch sind sich einige Meister ihres Fachs treu geblieben. Fünf von ihnen gewährten News einen Einblick in ihren Arbeitsalltag.

Hundertjährige Model

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Hundertjährige Model
 © Ricardo Herrgott

Karl Wagner, 53, streicht eine klebrige Masse, den sogenannten Papp, auf ein Stempelkissen. Er nimmt ein Stück Holz, in das dünne Metallstifte gestanzt sind. "Das ist ein Druckmodel. Über hundert Jahre alt." Erst legt er es auf die Papp-Mischung, dann presst er es auf ein Stück Leinen. "Für die Blaudrucker kam die erste Krise mit der Industrialisierung. Damals ging es bergab", sagt Wagner. "Aber seit ein paar Jahren läuft das Geschäft wieder besser. Ich glaube, dass sich die Menschen wieder auf Werte besinnen."

Hauchzartes Gold

Claudia Hell, 44, ist Vergoldermeisterin. Mit einem Pinsel aus Eichhörnchenhaaren nimmt die studierte Kunsthistorikerin ein hauchzartes Stück Blattgold von einem Papier auf und lässt es vorsichtig auf das Holz gleiten. Dann streicht sie gefühlvoll nach.

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 © Ricardo Herrgott

In ihrer Werkstatt in Salzburg vergoldet sie vor allem Rahmen, aber auch Kirchenstatuen oder Musikinstrumente. "Im Prinzip können wir alles vergolden. Auch einen Joghurtbecher." Sorgen um die Zukunft macht sie sich nicht. Sie bildet schon einen Lehrling aus. Die 20-jährige Annli Basedahl hat dafür ihre Heimat Hamburg verlassen. "Bei uns ist das Handwerk längst ausgestorben."

So eine Arbeit macht man aus Leidenschaft, nicht wegen des Geldes
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 © Ricardo Herrgott

Auch Thomas M. Gerbeth ist von Deutschland nach Österreich übersiedelt. Der 46-jährige Berliner baut in Wien Geigenbögen. In seinem Meisterbetrieb, dem einzigen Österreichs, stellt er im Jahr um die 50 Bögen her. Die meisten davon auf Anfrage. Seine Frau Anke und Mitarbeiter Gerhard Seifert helfen ihm. "Zurzeit ist die Auftragslage sehr gut. Wir bauen drei Bögen für die Berliner Philharmoniker", sagt er stolz. Auch Kunden aus den USA und Japan bestellen bei ihm. Zwischen 3.000 und 5.000 Euro kostet so ein Bogen: "Das ist eben Qualität."

Dachdecker im Klettergurt.

Fast senkrecht fällt das Dach des Türmchens neben der kleinen Kirche ab. An der Spitze ist ein Seil befestigt, an dem ein Mann hängt, gesichert wie ein Kletterer. Mit einer Hand zieht er sich mit einem Flaschenzug hinauf, in der anderen hält er einen kupfernen Turmschmuck, den er oben auf einen Holzpflock setzt.

Gerald Ebenbauer, 48, ist Kirchdachdecker. Eineinhalb Monate haben er und seine Kollegen ein fast tausend Jahre altes Gotteshaus in Kärnten renoviert. Der Turmschmuck ist der letzte Schliff. Ebenbauer arbeitet für die Firma Greil aus Dölsach in Osttirol, die die denkmalgeschützten Bauten renoviert -ohne Gerüst, die Handwerker sind angeseilt wie Bergsteiger. "Wer bei uns arbeitet, muss sowohl handwerklich geschickt, als auch schwindelfrei sein", so Firmeninhaber Robert Greil, 55.

Im Mostviertel in Niederösterreich muss Johann Hochecker vor allem hitzeresistent sein, denn er arbeitet auf einem Scheiterhaufen. Sein Handwerk ist von der Unesco als geistiges Kulturerbe Österreichs ausgezeichnet. Der 54-Jährige ist einer der letzten Köhler Österreichs. Er stellt Holzkohle her - in Mini-Vulkanen, aus unterschiedlichen Hölzern, mit Erde, Asche und Feuer. Acht Meiler stellt er über das Jahr verteilt auf. Dann dauert es mehrere Wochen bis aus dem Holz Kohle wird. Dazwischen muss Hochecker teilweise stündlich auf den Mini-Vulkan rauf. "So eine Arbeit macht man nicht wegen des Geldes, sondern nur aus Leidenschaft und Verantwortungsgefühl für eine uralte Tradition."

Höhenangst darf ich in meinem Beruf nicht haben

Gerald Ebenbauer, 48, Kirchendachdecker, Tirol

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Gerald Ebenbauer, 48, Kirchendachdecker, Tirol
 © Ricardo Herrgott

"Als ich das erste Mal auf einen Kirchenturm geklettert bin, ist sogar mir ein bisschen mulmig geworden, obwohl ich gelernter Dachdecker bin. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Höhenangst darf man in meinem Beruf ohnehin nicht haben: Der höchste Turm, auf dem ich in meinen sieben Jahren als Kirchendachdecker war, ist 85 Meter hoch. Unser Betrieb, die Firma Greil, renoviert denkmalgeschützte Gebäude."

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 © Ricardo Herrgott

"Wir decken nicht nur die Dächer, wir machen auch Arbeiten am Mauerwerk und am Dachstuhl. Wir werden zu Bauten in ganz Österreich gerufen, wenn schwierige Dächer zu reparieren sind, besonders steile oder solche, die nicht gerade sind, sondern eine komplizierte Struktur haben. Manchmal stehen die Bauten auch in unwegsamem Gelände. Unlängst haben wir eine Kirche auf einem Berg renoviert. Eine Zufahrtstraße hat es nicht gegeben. Wir haben eine Seilbahn vom Tal bauen lassen, die die Kirche überspannte und das Baumaterial auf die andere Seite gebracht hat, wo Platz zum Lagern war."

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 © Ricardo Herrgott
Wir sind in 4. Generation Blaudrucker

Karl Wagner, 53, Färber, Oberösterreich

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Karl Wagner, 53, Färber, Oberösterreich
 © Ricardo Herrgott

"Die Blaudruckerei wird in unserer Familie bereits in der 3. und 4. Generation betrieben. Angefangen hatte alles mit meinem Urgroßvater. Seine Eltern starben, als er noch ein Kind war. Deshalb wuchs er bei einer Färberfamilie auf. Sie lehrten ihn das Färberhandwerk und das Blaudrucken. 1878 hat mein Urgroßvater mit seinen Ersparnissen das Haus gekauft, in dem wir heute noch leben und arbeiten. In den Färberküpen, so heißen die Gefäße, die er damals eingebaut hat, färben wir bis heute das Leinen."

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 © Ricardo Herrgott

"Die einzige Erneuerung in unserem Betrieb ist das elektrische Licht. Eine Zeitlang haben wir das Blaudrucken nur als Hobby betrieben, weil es niemand kaufte. Aber seit 1996 haben wir wieder viele Aufträge. Wir haben alte Model zum Drucken am Dachboden gefunden, sie restaurieren lassen und unsere Produktpalette erweitert. Und früher wurde unser Handwerk immer nur von den Männern ausgeführt, jetzt schmeißt meine Frau Maria das Geschäft fast ganz alleine. Sie färbt und gemeinsam drucken wir. Unsere Stoffe wurden schon bis nach Australien verkauft."

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Mein Beruf ist eine bedrohte Art

Thomas M. Gerbeth, 46, Geigenbogenmacher, Wien

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Thomas M. Gerbeth, 46, Geigenbogenmacher, Wien
 © Ricardo Herrgott

"Ich stamme aus einer Berliner Musikerfamilie. Seit dem 6. Lebensjahr lerne ich Geige. Um ein Profi zu werden, war ich zu faul, das Instrument hat mich trotzdem fasziniert. So bin ich zum Geigenbogenbau gekommen. Doch eine Lehre zu machen, war zunächst schwierig. Für die spätere Selbstständigkeit muss man eigenes Material kaufen und so vorsorgen. Seit 200 Jahren wird für den Geigenbogenbau Holz aus Brasilien verwendet - Fernambuk. Es ist unerreicht als Material für die Bogenherstellung."

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 © Ricardo Herrgott

"Die Verbindung von Flexibilität, idealem Gewicht und Spannkraft ermöglichen dem Musiker ein weites Spektrum von Klangfarben und extreme dynamische Wechsel. Aber das Holz ist bereits stark gefährdet. Kaufen kann man nur noch registrierte Altbestände. Unser Material und damit unser Beruf ist eine aussterbende Spezies. Im Jahre 2000 haben sich Bogenmacher aus 18 Nationen zusammengeschlossen, um konkrete Maßnahmen zum Schutz dieser Bäume zu ergreifen. Nur so wird unser Handwerk überleben können."

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Köhlerei ist aufwändig und gefährlich

Johann Hochecker, 54, Köhler, Niederösterreich

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Johann Hochecker, 54, Köhler, Niederösterreich
 © Ricardo Herrgott

"Meine Eltern haben 1960 mit der Köhlerei im Wienerwald begonnen. Ich bin quasi auf dem Kohle-Meiler groß geworden. 1994 hab ich den Betrieb übernommen, und auch mein Sohn möchte diesen Beruf ausüben. Es gibt nur mehr zwei, drei Köhler in Österreich. Der Beruf stirbt aus, weil kaum noch jemand die Qualität der Kohle schätzt und der Aufwand riesig ist. Um einen Meiler anzuheizen, muss man die ersten Tage alle zwei bis drei Stunden rauf auf den Kohle-Berg und Glut durch ein Rohr werfen."

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 © Ricardo Herrgott

"Dann wird der rauchende Meiler beobachtet. Mit einer Eisenstange steche ich Löcher hinein, um zu fühlen, ob darunter schon Kohle liegt. Es kann auch gefährlich werden. Ich muss aufpassen, dass ich nicht einstürze und mich verbrenne. Im Kern des Meilers ist es bis zu 400 Grad heiß. Seit einiger Zeit beliefern wir zwei Steakrestaurants in Innsbruck und Wien. Sie schätzen, dass unsere Kohle extrem heiß werden kann und nicht so stark raucht beim Grillen. Das ist für den Geschmack des Fleisches wichtig."

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Kommentare

Mit Facebook verbindenchristian95So., 14. Feb.. 2016 13:07melden

Im Prinzip sterben immer mehr Berufe im eigenen Land aus, da sie von billigeren Arbeitskräften aus dem ehemaligen Ostblock ersetzt werden.
Aber das darf man in diesem Land nicht mehr erwähnen. (Sonst ist man gleich ein "Rechter Hetzer"). Rot und Schwarz in der Regierung haben das ermöglich und bewerben sich nun um das Amt des Bundespräsidenten.

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