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Als das Wort den Humor übernahm

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Peter Sichrovsky

©Ricardo Herrgott/News
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Mit den Marx Brothers endete vor 100 Jahren die Epoche der Slapstick-Stummfilme.

Broadway 1924. Für das Musical „I’ll Say She Is“ mit fünf unbekannten Schauspielern – Groucho (Julius Marx), Harpo (Adolph Marx), Chico (Leonhard Marx), Zeppo (Herbert Marx) und Gummo (Milton Marx) – sind keine Karten zu bekommen. Die Zeitungen jubeln, und das Publikum unterbricht mehrmals die Vorstellungen mit tosendem Applaus. Der oft spontane Humor der fünf Brüder treibt allerdings Regisseur und Musiker zur Verzweiflung. Sie halten sich weder an Text noch an Komposition. Die wohl eigenartigste Komiker-Truppe der Filmgeschichte ward geboren: The Marx Brothers.

Bereits die nächsten Musicals, „The Coconuts“ und „Animal Crackers“ wurden verfilmt, bis die Brüder beschlossen, nur noch Filme zu machen. Im Gegensatz zu Blödeleien der Stummfilme überraschten die Marx Brothers mit absurder, oft aggressiver und verletzender Komik, bei der sich gespielter Gag und gesprochener Witz in rasender Geschwindigkeit aneinanderreihten.

Philosoph

Vor allem Groucho, der „Philosoph“ der Truppe, kannte keine Grenzen sprachlicher Verdrehungen. „One morning I shot an elephant in my pajamas. How he got in my pajamas, I don’t know“, erzählt er über eine Großwildjagd. Sein wahrscheinlich bekanntester Spruch: „Ich würde nie einem Klub beitreten, der mich als Mitglied aufnimmt.“ Als sein Ansuchen um Mitgliedschaft von einem Country Club abgelehnt wurde, da der Klub keine Juden aufnahm, schrieb er an den Direktor: „Meine Tochter ist doch nur Halbjüdin, ich verspreche, sie wird immer nur bis zur Hüfte in den Pool gehen.“ In einem Film verlangte das Drehbuch, er müsse einen Schnurrbart tragen. Er schimpfte über den Gestank des Klebestoffs und malte einen schwarzen Fleck unter seine Nase. Es sollte ewig sein Markenzeichen bleiben.

Die fünf Brüder wuchsen in einer jüdischen Familie in der Upper East Side von New York auf. Der Vater, Simon Marx, kam von Mertzwiller im Elsass nach New York, etwa 170 Kilometer entfernt von Trier, wo Karl Marx geboren wurde. Vielleicht waren die beiden Familien sogar verwandt. Auch die Mutter kam aus Deutschland.

Nach dem Erfolg am Broadway entstanden 14 Filme. Fünf reihte das American Film Institute unter die „Top 100 Comedy Films“, Zwei unter die top fünfzehn, „Duck Soup“ und „A Night at the Opera“, einer meiner liebsten Filme, in dem Verdis „Il Trovatore“ mit chaotischen Szenen verrissen wird.

Charaktere

Als Zwölfjähriger sah ich ihn zum ersten Mal. Mein Vater schickte mich während der Vorstellung auf die Toilette – ich begann vor lauter Lachen meine Knie zusammenzupressen. Drei Brüder, Chico, Harpo und Groucho, entwickelten eigene Charaktere. Gummo und Zeppo gaben die Schauspielerei bald auf und gründeten eine erfolgreiche Künstleragentur.

„Duck Soup“ ist ein zeitloses Meisterwerk des schwarzen Humors, es beeinflusste Generationen von Künstlern von den Beatles bis Woody Allen. Die reiche Witwe Teasdale rettet den bankrotten Operettenstaat Freedonia, ernennt den Chaoten Rufus Firefly zum Präsidenten, der dem Nachbarstaat Sylvania den Krieg erklärt. „Duck Soup“ – mit der aktuellen Botschaft, dass ein Hochstapler mit genügend finanzieller Unterstützung ein Diktator werden könnte.

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