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Alles im Umbruch: Amira Ben Saouds Debütroman "Schweben"

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Buchpräsentation am Dienstag im Wien Museum
©APA/Zsolnay Verlag
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Mit 180 Seiten ist der Roman "Schweben" kein ausgesprochenes Schwergewicht, und doch hat Amira Ben Saoud eine ganze Reihe von Themen in ihr erstes Buch gepackt. Dass die 1989 in Waidhofen/Thaya geborene Kulturjournalistin es schafft, all' diese Dinge in Schwebe zu halten, unterstreicht erfolgreich den literarischen Anspruch. Streckenweise würde man sich jedoch mehr Bodenhaftung wünschen, mehr Ausführung als Andeutung. Am Dienstag wird das Debüt im Wien Museum präsentiert.

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Schon das "Vorspiel: Drinnen" konfrontiert mit einer Welt, die gänzlich andere äußere Lebensvoraussetzungen bietet als heute: Nach der Klimakatastrophe existiert kein globaler zivilisatorischer Zusammenhang mehr. Die Menschen leben in voneinander isolierten, autarken Siedlungen, deren Grenzen streng bewacht sind und zwischen denen sich eine Art Todeszone befindet. Reisen ist unmöglich, Besuche von außen unerwünscht. Gewalt ist offiziell gebannt, existiert in einer - Selbstbeschädigung mit einschließenden - Art Untergrundbewegung weiter.

Das Hauptmotiv entwickelt eine 31-jährige Ich-Erzählerin, die sich einer Dienstleistung verschrieben hat, die äußerst fordernd ist: Sie schlüpft für Auftraggeber in andere Identitäten, spielt fremde Rollen, auf die sie sich akribisch vorbereitet - größere Gewichtszu- oder -abnahme inklusive. "Begegnungen" nennt sie das, was sie dadurch ermöglicht. Für einen neuen Auftrag soll sie die Ex-Freundin eines Klienten spielen. Im Rahmen der Aneignung der fremden Persönlichkeit werden viele damit verbundene Probleme, aber auch manche Episoden aus der persönlichen Vorgeschichte der Protagonistin klar.

"Identität ist sicher einer der Begriffe der Stunde - ob man's jetzt politisch betrachtet, die ganzen Kämpfe, die um diesen Begriff im rechten und linken Lager ausgetragen werden, ob man es psychologisch betrachtet oder unter dem Blickwinkel der rasanten technologischen Entwicklungen", sagt Amira Ben Saoud im APA-Interview, und die psychischen Probleme dieser Mimikry auf beiden Seiten, jene von Kunde und Dienstleisterin, arbeitet sie in ihrem Roman gut heraus. Die zunehmende Schwierigkeit, zwischen der eigenen und der zugeschriebenen Identität zu unterscheiden, mündet in eine Handlung, die immer mehr Elemente eines Psychothrillers hat. Gewalt ist gebannt? Von wegen!

Ben Saoud hat ihren Roman aber auch aus einem ganz handfesten Grund "Schweben" genannt. Die Welt gerät immer weiter aus den Fugen. Sie bekommt ganz buchstäblich Risse, und die Anzeichen mehren sich, dass die Siedlung bald niemandem mehr Sicherheit bieten werde. Auch auf die Physik scheint kein Verlass mehr zu sein. Immer mehr Menschen verlieren gelegentlich den Boden unter den Füßen. Über die Probleme erheben sie sich damit nicht, im Gegenteil, denn kaum jemand hat seine Levitation unter Kontrolle. Böse Abstürze sind die Folge.

Es habe sie gereizt, als Romanautorin "die Möglichkeiten der Fiktion auszuschöpfen, der Realität und ihren physikalischen Gesetzen nicht verpflichtet zu sein", meint Ben Saoud. Mit dem magischen Realismus lassen sich fast alle Grenzen überwinden. "Nachspiel: Draußen" heißt daher der Epilog, in dem Luftballons in Menschenform am Himmel gesichtet werden und der alte Menschheitstraum vom Fliegen vielleicht eine neue Gestalt annimmt. Wohin die Menschheit treibt, weiß auch Amira Ben Saoud nicht. Aber es gelingt ihr, ein Gefühl existenzieller Unsicherheit auf eigenwillige Weise einzufangen: Alles im Umbruch. Alles in Schwebe.

(S E R V I C E - Amira Ben Saoud: "Schweben", Zsolnay Verlag, 192 Seiten, 23,70 Euro, Buchpräsentation: Dienstag, 18.3., 18.30 Uhr, Wien Museum, Wien 4, Karlsplatz 8)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/Zsolnay Verlag

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