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Alles andere als trivial: Musiker Oehl widmet sich der Liebe

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Musiker Ariel Oehl hat sich Gedanken über die Liebe gemacht
©APA/APA/Grönland Rec/Tim Cavadini/Tim Cavadini
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Er hat sich mit Abschieden auseinandergesetzt, mit den Schattenseiten unserer kapitalistischen Welt - nun ist die Liebe dran: Der heimische Musiker Ariel Oehl greift auf seinem dritten Album "Lieben wir" einen Dauerbrenner der Popmusik auf, ringt ihm aber durchaus neue Facetten ab. "Ich könnte kein Liebeslieder-Album schreiben, wenn ich nicht einen größeren Sinn dahinter sehen würde", bekräftigt er. Berührend sind die Stücke allemal.

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Mit seinem simpel "Oehl" betitelten Projekt hat der Sänger und Songschreiber einen Nerv getroffen: Schon das noch gemeinsam mit Hjörtur Hjörleifsson veröffentlichte Debüt "Über Nacht" (2020) landete in den Charts und lieferte mit Stücken wie "Keramik" feine Indiepop-Hits. Von Beginn an zeichnete Oehl dabei eine Herangehensweise aus, die ungemein durchdachte, dabei aber stets direkt und unmittelbar wirkende Stücke zeitigte. Ein lyrisches Konzept? Gern, aber ohne die Lust am Musizieren zu verlieren oder in sperrige Analogien abzudriften.

Nun also die Liebe. "Alles, was einen emotional berührt, kann man schneller in Texte manifestieren", erzählt er auf seinen Antrieb für das Album angesprochen. Das Thema sei in den vergangenen Jahren zu ihm gekommen. Auch seine Vaterschaft spiele da rein. Er wolle mit den 15 Tracks aber keineswegs nur persönliche Befindlichkeiten abhandeln, "sondern dem Ganzen einen größeren Sinn geben". Liebe sei "keineswegs trivial. Es gibt sehr viele Komponenten von Liebe, die uns alle betreffen", betont er im APA-Gespräch. Gerade jetzt, wo eine politische Weltlage herrsche, "die keiner so richtig geil findet".

Vor diesem Hintergrund könne Liebe durchaus als Rettungsanker dienen. "Externe Sicherheit fühle ich derzeit echt nicht", so Oehl. Gerade wenn man Kinder habe, blicke man wohl sorgenvoll in die Zukunft. "Die Liebe zu Kindern ist dann nicht nur was Schönes, sondern auch ein großes Risiko. Das beschäftigt mich total. Aber Liebe ist generell ein Risiko. Das Risiko, Menschen zu verletzen." All das seien Facetten, die ihn interessiert haben und die in die Songs eingeflossen sind. Und da erhalte Liebe letztlich auch eine politische Dimension: "Bei den Tyrannen der Welt hat das immer irgendwie mit Trauma oder zu wenig geliebt werden zu tun", ist er überzeugt. "Der Auftrag ist also: Wir müssen einfach unsere Kinder und einander lieben, sonst rutschen wir vielleicht in einen Extremismus und eine Gewaltbereitschaft ab, die auch in linken Kreisen immer stärker wird."

Musikalisch drückt sich das bereits zu Beginn des Albums im elegischen "Weltenuntergang" aus, bei dem er gemeinsam mit Ami Warning zu hören ist. Zum Träumen lädt auch "Feuchte Augen für alle" ein, ausgestattet mit feinem Groove und einem Refrain, der den Blick sehnsuchtsvoll werden lässt. Aber der organische Charakter der Platte darf zwischendurch durchaus etwas druckvoller, moderner werden, wie "Eine Umarmung" beweist. Aufs Wesentliche reduziert ist "Ein echtes Lachen", ganz auf Stimme und Atmosphäre fokussiert. Und doch: "Lieben wir" lebt von den Streichern, den Bläsern, einer opulenten, handgemachten Instrumentierung und einem direkten Charakter, der die Anmutung vermittelt, als wäre man mitten im Entstehungsprozess dabei.

"Vielleicht ist das meine letzte Chance Musik zu machen, die bewusst nicht elektronisch ist", spricht Oehl den Gestus der Platte an. Er beschäftige sich zwar viel mit KI-Musik, finde einiges davon auch gut, aber diesmal hat er sich - noch - dagegen entschieden. "Wir werden bereits geflutet mit Musik, die eigentlich nicht mehr atmet und im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr beseelt ist. Weil eben keine Menschen mehr dahinterstecken." Er habe stattdessen zu Saxofon und Trompete gegriffen, "obwohl ich das nicht gut kann", schmunzelt der Musiker. "Es geht sich halt genau aus. Ich wollte nicht-generative Musik machen. Wo Fehler noch eingedacht und mit erlaubt sind. Und wo man fühlt, dass da jemand etwas gefühlt hat."

Große Emotionen kommen schließlich auch bei den finalen Stücken auf, die extrem schmerzhafte Erfahrungen für Eltern durchdeklinieren. "In 'Levin' geht es um ein Kind, das bei der Geburt stirbt. Ein befreundetes Paar musste das erleben", erzählt Oehl. "Da ist vor allem die Herausforderung, in der Beziehung weiter zu funktionieren. Wo die Liebe zum Kind nie aufhört, gleichzeitig aber aufhören muss, ist die große Frage: Wie geht man als Erwachsener damit um? Mit so etwas rechnet man nicht, das ist das Schlimmste, was passieren kann." Was so ein Einschnitt mit der Liebe mache und wie sie das aushalte, habe ihn interessiert.

Den Gegenpol dazu bilden Stücke wie das bereits erwähnte "Eine Umarmung". Das sei "ein ganz harmloser Kennenlern-Song. Der will nichts Großes, sondern kostet nur von der Liebe", so der Musiker. "Bei 'Facebook (Demo)' wiederum geht es um ein frühes Ausprobieren und das Spüren: Was heißt Liebe überhaupt?" Wie ein nostalgischer Blick zurück ins Teenieleben beinahe. "Helmut Berger hat mal gesagt, dass er lange nur nach vorne geschaut hat und alles spannend fand, was kommt. Aber irgendwann kippt es und man schaut hauptsächlich nach hinten. Das ist ein fließender Übergang. Ich werde 37, ich befinde mich wohl mittendrin", schmunzelt Oehl.

Letztlich lande man wieder bei einer "alten These", gibt Oehl zu bedenken: "Um jemanden zu lieben, muss ich mich zunächst selbst lieben. Um eine gesunde Beziehung zu führen, muss ich mich zunächst selbst kennenlernen und annehmen können - sonst werden immer blinde Flecken auftauchen." Gerade deshalb sei das Thema seiner Platte "null trivial", unterstreicht er. "Selbstliebe ist ja auch eine Form von Resilienz. Wenn ich mit mir selber okay bin, kann ich bis zu einem gewissen Grad Sachen entgegentreten, die nicht so gut passen. Bin ich aber mit mir selbst überfordert, bringt es niemandem was." Der Mensch brauche aber Nähe. "Wir alle wollen was fühlen letztlich."

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - Oehl auf Tour, Österreichtermine ab 26. März. Alle Infos unter www.oehlmusik.com)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Grönland Rec/Tim Cavadini/Tim Cavadini

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