Der Wahlkampf und die ewige Wiederkunft des Gleichen: Warum so viele Menschen die Endlosschleife lieben und in Zeiten der fokussierten Unintelligenz nichts anderes sehen wollen als das, was sie nicht mehr hören können. Und was es bedeuten würde, Zuwanderern und Geflüchteten auf Augenhöhe zu begegnen.
Wahlkampfzeiten seien Zeiten „fokussierter Unintelligenz“, hat der Wiener Altbürgermeister Michael Häupl einmal gesagt. Er wollte mit diesem Hinweis erklären, warum es gelegentlich mit der politischen Kommunikation nicht so recht funktionieren will, und zwar nicht nur bei der Opposition – das waren in seiner Diktion die Blödeln –, sondern auch in der eigenen Partei. Es ist bis heute nicht geklärt, wie er auf die Idee kam, seine Diagnose auf Wahlkampfzeiten einzugrenzen. Das müsste man eventuell den allwissenden, unfehlbaren, über allen Dingen stehenden (©Oliver Pink) Wiener Gesundheitsstadtrat fragen, aber der spricht hauptsächlich dann, wenn er nicht gefragt wird, weil sonst könnte ja ein jeder kommen.
Und so bleibt es schwierig mit der politischen Kommunikation, nicht nur in der SPÖ, und nicht nur in Wahlkampfzeiten.
Politik und Journalismus seien die Kunst der Wiederholung, hat wiederum der legendäre Erwin Zankel gesagt, und das bestätigt sich auch und vor allem in Wahlkämpfen. Wenn jeden Tag auf irgendeinem Sender ein Einzelgespräch, ein Duell oder ein Ameisentriell angekündigt und abgefeiert wird, pflegen viele Menschen zu sagen, dass sie das alles nicht mehr hören können, die Daten belegen aber eindeutig, dass sie auch kaum etwas anderes sehen wollen.
Endlosschleife.
Faktum ist also, dass die Politikergespräche in der Endlosschleife, die zum Wesensmerkmal zeitgenössischen Wahlkampfgeschehens geworden sind, sich immer und überall nach wie vor bester Quoten erfreuen. Dabei wird selten Neues geboten – ich weiß wirklich, wovon ich spreche –, denn es ist nicht so leicht, das Fernsehen, die Gesprächsführung und die Welt, wie sie ist, alle paar Jahre neu zu erfinden. Und so bleibt einem auf den ersten Blick nur, sich darüber zu wundern, dass jeder sehen will, was keiner mehr hören kann. Nach zwei Mal nachdenken wird aber klar: Die Menschen lieben die Endlosschleife nicht, obwohl es nichts Neues zu hören und zu sehen gibt, sondern weil. Während viele Spindoktoren sich für besonders schlau halten, wenn sie ihren Schützlingen eintrichtern, immer wieder dasselbe zu sagen, auch wenn sie das selber schon kaum noch ertragen, weil erst dann, wenn sie selber die Wiederholung nicht mehr aushalten, der „thumbe Unterthan“ beginnt, es einigermaßen zu begreifen, hat es die Wählerin selbstverständlich von Anfang an kapiert – bloß will sie nichts anderes als die Wiederholung, weil sie weiß, dass in der Politik das Neue fast nie wahr ist, während das Alte kaum jemals aufhört, sich und sie zu bestätigen.
Alte Platten.
Das gilt natürlich zuvorderst für die Themen. Die Klage darüber, dass trotz all der brennenden globalen Probleme vom Klimawandel bis zur Kriegsgefahr im Südchinesischen Meer in der österreichischen Innenpolitik immer wieder und immer nur die alte Platte mit den alten Hadern über Asyl und Integration aufgelegt wird, ist fehl am Platz. Ja, es hat sich inhaltlich seit ewig nichts geändert, aber nein, das ist eben kein Grund, nicht mehr darüber zu reden, ganz im Gegenteil, nicht mehr darüber reden könnte man, wenn es sich geändert hätte.
Die Diskussion darüber, ob Integration eine Hol- oder eine Bringschuld sei, ist inzwischen Jahrzehnte alt, aber am Herumgemurkse an den Antworten hat sich nichts geändert.
Wie bei allen Themen mit Shitstorm-Potenzial hat sich die windelweiche Nicht-Meinung durchgesetzt, dass es sich sowohl um eine Hol- als auch um eine Bringschuld handle. Das ist meiner Meinung nach falsch, denn es ist eindeutig eine Holschuld. Wer in eine andere Gesellschaft einwandert, egal, unter welchen Bedingungen, ob traumatisiert oder hedonistisch motiviert, muss sehen, dass er dort zurechtkommt, denn er selbst ist für sein Leben verantwortlich, nicht der Sachbearbeiter im Arbeitsmarktservice Hermagor. Unbegleitete Minderjährige sind eine Ausnahme, aber es scheint ja auch eine Ausnahme zu sein, dass die Unbegleiteten minderjährig sind.
Die Opfermacher.
In der Presse am Sonntag konnte man kürzlich eine Geschichte lesen, in der ein 22-jähriger Syrer, der seit drei Jahren in Wien lebt, den österreichischen Staat dafür verantwortlich macht, dass er nicht Deutsch spricht, und die Presse-Autorin stimmte ihm darin durchwegs zu. So wird sich das mit der Integration nie ausgehen, denn wenn die Wohlmeinenden die Zugewanderten zu Opfern machen, weil sie sich gut fühlen, wenn sie Opfer sichtbar machen und ihnen eine Stimme gehen, hat niemand etwas davon. Die Zugewanderten nicht, weil sie passiv bleiben werden, die angestammte Bevölkerung nicht, weil so Parallelgesellschaften entstehen, und die Medien nicht, weil sie irgendwann niemanden mehr finden, der in derselben Welt lebt wie die Medienleute.
Ich bin dafür, Flüchtenden und Zuwanderern auf Augenhöhe zu begegnen, und das bedeutet, sie als Akteure zu respektieren, die wissen, was sie tun. Stephen Smith, Professor für Afrikastudien an der Ivy-League-Uni Duke in Durham/North Carolina, hat es in seinem Buch „Nach Europa!“ auf den Punkt gebracht: Wer durch die Sahara wandert und auf ein Boot steigt, weiß, dass ihn diese Entscheidung das Leben kosten kann, aber er geht das Risiko ein. Bewusst. So wie er bewusst nicht nach Polen geht, sondern nach Österreich. Warum sollte so jemand nicht in der Lage sein, ohne verpflichtenden Deutschkurs innerhalb von zwei Jahren genug Deutsch zu lernen, um sich hier zurechtzufinden?
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 32/2024 erschienen.
Nach Europa!: Das junge Afrika auf dem Weg zum alten Kontinent
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