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2nd Opinion: Fle, alles o.k.?

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Mit dem neuen Podcast, in dem der Bundeskanzler alle zwei Wochen gefragt wird: Karl, wie geht’s? ist ein Tiefpunkt der politischen Kommunikation erreicht. Wer Politik auf diese Weise banalisiert, verachtet sein Publik und hält es für unfähig, Nichtbanales zu erfassen.

Seit Sonntag dieser Woche gibt es einen 14-täglichen Podcast mit dem österreichischen Bundeskanzler. Er heißt „Karl, wie geht’s?“ und soll dem amtierenden Regierungschef, der gerade Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ und den Neos führt, die Gelegenheit geben, sich dem Volk zu erklären und sich von seiner menschlichen Seite zu zeigen. Das jedenfalls sagte er in der ersten Folge von „Karl, wie geht’s?“, in der er seinem Gesprächspartner Georg Wawschinek, der laut Georg Wawschinek „führender Mediencoach Österreichs“ ist, erklärte, dass es ihm den Umständen entsprechend gehe.

An dieser Stelle würde man eigentlich mit dem Zuhören aufhören, aber aus professionellen Gründen habe ich das nicht getan, was ich teuer mit der Tatsache bezahlte, dass ich von Karl Nehammer geträumt habe. Ich musste in diesem Traum Karl Nehammer im Wohnzimmer einer Kollegin zuhören, während ich bügelte, dann ging es zu einem Heurigen, den ich lange nicht gefunden habe, weil er in einem Teil von Wien lag, in dem ich noch nie war und der zum Teil auch nicht über asphaltierte Straßen verfügte, schließlich hatte ich Pflicht und Gelegenheit, mit dem Bundeskanzler allein zu sprechen, ohne Mikrophon, und schließlich verabschiedete er sich von mir mit einem Händedruck, den ich noch lange nach dem Aufwachen spüren konnte.

Alles o.k.?

So ungefähr würde ich das jedenfalls in meinem Podcast „Fle, alles o. k.?“ schildern, in dem ich mich alle 14 Tage von Anneliese Rohrer fragen lassen würde, wo ich eigentlich falsch abgebogen bin. Weil man ja auch als Journalist, der regelmäßig vor der Kamera sitzt, mit dem Problem zu kämpfen hat, dass man eigentlich ganz anders ist als die Leute, die einen nur im Fernsehen sehen oder vom Lesen kennen, glauben, dass man ist. Karl Nehammer scheint den Eindruck zu haben, dass er im Fernsehen eher nicht so sympathisch rüberkommt, weswegen ihm der führende Mediencoach des Landes empfohlen haben dürfte, sich an einem Podcast zu beteiligen, weil da sieht man einen nicht, und vielleicht kommt man dann sympathischer rüber. Wer bei der Wahl nicht gewählt wird, soll wenigstens medial geliebt werden.

Das Peinliche an diesem neuen Bundeskanzlerpodcast, so viel lässt sich schon nach der ersten Folge sagen, ist gar nicht der Bundeskanzler, sondern sein Gesprächspartner. Und das ist dann gar nicht so irrelevant, denn das alles spielt sich in einem Universum ab, das von den Beteiligten gern „politische Kommunikation“ genannt wird und in dem es, zumindest offiziell, in erster Linie um „Authentizität“ geht. Für diese Authentizität sind wohl die führenden Mediencoaches aller Länder zuständig, und genau so schaut das dann auch aus.

Man geht davon aus, dass es dem gemeinen Bürger nicht möglich ist, das Wesen des Politischen zu erfassen, weswegen man versucht, ihn über unpolitische Wege zu erreichen

An sich würde man davon ausgehen, dass eines der Wesensmerkmale politischer Kommunikation die Tatsache ist, dass man nicht über sie spricht. Jeder Bürger würde jeden Politiker, der öffentlich kommuniziert, dass er jetzt gerade politisch kommuniziert, für lächerlich halten. Es wäre ungefähr so, als würde ein Wissenschaftler öffentlich sagen, dass er gerade wissenschaftelt, und zwar in einem Gespräch mit jemandem, der von sich sagt, dass er der führende Wissenschaftswissenschaftler ist.

Hinter all dem steht eine interessante Verwechslung, nämlich die zwischen politischer und unpolitischer Kommunikation. Die sogenannten Experten für politische Kommunikation haben sich vor vielen Jahren entschlossen, ihren Klienten zu vermitteln, dass die wichtigste, erfolgversprechendste und auch effizienteste Form der politischen Kommunikation die unpolitische Kommunikation sei. Statt der Frage, warum ein amtierender Bundeskanzler behauptet, dass man den notwendigen Konsolidierungsbedarf in den Budgets der kommenden Jahre ohne Sparpaket und ohne neue Steuern, sondern durch die Automatik eines kräftigen Wirtschaftswachstums decken kann, obwohl sich das Land seit zwei Jahren in der Rezession befindet, fragt man: „Karl, wie geht’s?“ Man geht davon aus, dass es dem gemeinen Bürger nicht möglich ist, das Wesen des Politischen zu erfassen, weswegen man versucht, ihn über unpolitische Wege zu erreichen. Wer die Politik nicht begreifen kann, den soll wenigstens der Politiker berühren.

Verachtung

Im Grunde ist der Versuch, die politische Kommunikation durch die Kommunikation des Unpolitischen zu ersetzen, der profundeste Ausdruck für die Verachtung, die vor allem politische Berater, aber über weite Strecken auch Politiker für die Bürger empfinden. Wie groß muss die Ferne sein, wenn man Nähe so plump herzustellen versucht? Wer sich im neuen Bundeskanzlerpodcast anhört, wie banal man versucht, die Großartigkeit der Tatsache eines Telefonats mit Donald Trump darzustellen, kann eigentlich nicht anders als den Verdacht zu haben, dass da zwei Menschen miteinander zu einem sprechen, dem man außer Banalitäten nichts zumuten kann.

„Karl, wie geht’s?“ ist vielleicht die größte Katastrophe an politischer Kommunikation, die dieses Land je gesehen hat, und das ist am Ende genau das, was diesen Podcast so wertvoll und lehrreich zugleich macht. Ich bin sehr gespannt auf die zweite Folge.

 

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 49/2024 erschienen.

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