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Tradwives: Heile Welt mit harter Agenda

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©Ballerina Farm via Instagram
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Schwingende Röcke, frisch gebackenes Brot und unterwürfige Parolen. In den sozialen Medien inszenieren junge Frauen ein Leben wie in den 50er-Jahren. Ein Trend, der gesellschaftspolitische Sprengkraft birgt.

Sie mahlen das Mehl für ihr Brot selbst, erzeugen ökologisch abbaubare Putzmittel und sind dabei umringt von ihrer Kinderschar. Dabei sind sie perfekt gestylt und geben Tipps, wie man den Mann im Haus glücklich macht. Was klingt wie Werbefilmchen aus den 50er-Jahren ist auf den Social-Media Plattformen Instagram und TikTok ein schnell wachsender Trend mit dem Namen Tradwife, (dt.: traditionelle Frau).

Auf TikTok hat der Hashtag #tradwife rund 87 Millionen Aufrufe. Wenn die Ex-Ballerina Hannah Neeleman, 34, auf ihrem Account „Ballerinafarm“ ihr Leben mit Ehemann und acht Kindern auf einer idyllischen Farm in Utah dokumentiert, wollen dies über zehn Millionen Follower auf Instagram, ebenso viele auf TikTok und zwei Millionen auf YouTube sehen: Kuchen backen, Kräuter ernten, Kinder umsorgen.

Ihre Bilder und Videos wecken in einer Zeit voll Krisen und Unsicherheiten Sehnsüchte nach perfekter Harmonie. Im deutschsprachigen Raum macht Carolina Tolstik alias „Malischka“ Furore, die früher Deutsch und Sport an einer Brennpunktschule in Nordrhein-Westfalen unterrichtete und heute ihr Leben als „Stay-at-home-Girlfriend“ inszeniert.

„Wie macht ihr euren Mann glücklich?“, fragt sie und erzählt, wie sie sich stets für ihn hübsch macht, bevor sie beginnt zu kochen, und glücklich ist, wenn er es ist. Dafür darf sie mit seiner Kreditkarte einkaufen gehen. Tolstik bezeichnet sich dabei als Feministin, die Frauen dazu ermutigt, das Lebensmodell zu wählen, das sie glücklich macht.

„Nichts Harmloses“

Ähnliche Accounts gibt es zu Tausenden, was sie alle verschweigen, ist die politische Agenda hinter der pastellfarbenen Fassade. Besonders in den USA, dem Geburtsland des Trends, ist die Szene eng mit der Alt-Right-Bewegung verknüpft. Mit Schlagworten wie „The future is family“ und der Absage an den Feminismus wird ein Weltbild propagiert, das Frauen als untergeordnete Wesen positioniert – religiös untermauert und politisch nutzbar.

Auch in Deutschland nutzen rechte Parteien wie die AfD die Ästhetik der Tradwives, um junge Frauen mit unpolitisch wirkenden Botschaften auf ihre Kanäle zu locken. Theresa Brückner, Pfarrerin und Social-Media-Expertin, warnte in der ARD-„Tagesschau“ vor der Rückbesinnung auf den Antifeminismus: „Das ist nichts Harmloses. Es geht um eine patriarchale Struktur und ein Machtgefälle, wo Frauen weniger wert sind als Männer, weil sie sich unterordnen müssen.“

Geschäftsmodell Doppelmoral

Die Risiken des propagierten Lebensmodells thematisieren die Tradwives naturgemäß nicht. Dass Frauen sich vollständig vom Partner abhängig machen und im Falle von Scheidung, Krankheit oder Tod des Gatten allein dastehen und im Rentenalter dank Erwerbslosigkeit die Altersarmut droht, wird nicht gepostet.

Auch der perfide Widerspruch, dass die Social-Media-Tradwives selbst Geschäftsfrauen sind, findet sich nicht in deren Erzählung. Selbst sind sie erfolgreiche Unternehmerinnen, die Videos schneiden, Produkte vermarkten und hoch dotierte Kooperationen mit finanzstarken Marken haben.

Ex-Model Nara Smith mit 14 Millionen Followern auf TikTok und Instagram verdient mit einem Post bis zu 100.000 Euro. Carolina Tolstik gab gegenüber ARD immerhin zu, dass sie finanziell unabhängig von ihrem Partner ist, es bloß nicht zeigt: „Ich glaube, keinen meiner Zuschauer würde interessieren, wie ich sechs Stunden vor dem Laptop sitze.“

Junge Generation, alte Werte

Unter Millennials findet die Rückbesinnung auf traditionelle Rollenverteilungen großen Anklang, wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos gemeinsam mit dem Global Institute for Women’s Leadership am Londoner King’s College zum Weltfrauentag 2024 zeigte. Ein Mann, der zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, sei unmännlich, findet der Ipsos-Studie zufolge mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Millennials.

Der Blick auf die Generationen offenbart deutliche Brüche: Während sich nur acht Prozent der Babyboomer dieser Meinung anschließen, sieht auch ein Viertel der Gen Z (26 Prozent) die Männlichkeit durch Care-Arbeit bedroht; in der Generation X ist es jeder Fünfte (18 Prozent).

Politische Propaganda

Als gefährlich bezeichnet Margreth Lünenborg, Kommunikationswissenschaftlerin und Journalismusforscherin vom Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung an der Freien Universität Berlin, den Tradwife-Trend im ZDF-Gespräch. Sie verfolgt ihn seit seinen Anfängen in den USA und ortet darin „eine ganz klar politische Message, die einen extremen Konservatismus durchtränkt mit rassistischen Mustern als Ideal verkörpert“.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.04/2025 erschienen.

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