Paris, London, Seoul, Salzburg. Zur Festspielzeit rückt der Galerist Thaddäus Ropac ins Zentrum der Aufmerksamkeit, diesmal mit Großformaten von Anselm Kiefer. Er logiert heute an der Weltspitze im modernen Segment. Seine Einlassungen zur Branche sind fundamental und beherzigenswert
Jemanden, der sich mit Kunst ein Vermögen aufbauen will, würde er abweisen: Leidenschaft ist das Kapital des Galeristen Thaddaeus Ropac, 64, der sich seinen Lebensmittelpunkt Salzburg nicht nehmen lässt, obwohl er mindestens einer der großen zehn im Segment der zeitgenössischen Kunst ist und Standorte in Paris, London und Seoul hält. Die Liste der von ihm Vertretenen ist atemberaubend, soeben zeigt er in Salzburg seinen Mentor Joseph Beuys und Anselm Kiefers funkelnden, tosenden Zyklus „Mein Rhein“. In seinem Auftrag reist das Werk des Jubilars Erwin Wurm um die Welt.
Sein Weg wird, überschaubar originell, gern als märchenhaft qualifiziert. Die Klagenfurter Verhältnisse, aus denen er sich an die Spitze aufmachte, waren bescheiden. Sein Vater war Rohlederverarbeitungsspezialist – davon ist ihm eher ein durchdringender Geruch als etwaige taktile Sensationen in der Erinnerung geblieben. Mit Kunst hatte die Familie nichts im Sinn. Aber den Sohn traf der Anblick einer Installation von Beuys im damals noch glanzvoll bespielten Wiener Palais Liechtenstein mitten in seine Gewissheiten: eine Regenrinne, ein angesägter Tisch, ein Stück Seife, Wäsche ... das sollte Kunst sein? Faszination und Wissbegier waren noch größer als die Verärgerung. Der junge Mann hörte Beuys’ Gastvorträge an der „Angewandten“, sprach den Meister an, wollte ursprünglich selbst Künstler werden und eröffnete, als das künstlerische Talent nicht reichte, eine erste, amateurhafte Galerie in Osttirol. Damit war der Kontakt zur österreichischen Elite – Rainer, Oberhuber, Prantl – zumindest herstellbar.
Der Lebensentscheider blieb aber Beuys, der dem jungen Enthusiasten Zutritt zu seinem Kreis – also ins Herz der zeitgenössischen Kunst – gewährte. Als frühen Höhepunkt nennt Ropac die Documenta von Kassel anno 1982: Am beispielhaft nachhaltigen Kunstwerk „7.000 Eichen“ hat er, ein Handlanger der Kunstgeschichte, schon m itgepflanzt. Als er sich gerade in Wien niederlassen wollte, ereilte ihn 1983 die Aura des sommerlichen Salzburgs. Welch ein Weg! Zwei Jahre lang lief die Galerie schlepped. Wenn im November der Festspieltrubel vorbei war, saß man oft besucherfrei auf Ausstellungen der zukünftigen Weltelite.
Dann wetterten die Todesfälle ins Portfolio, Beuys, Warhol und 1988 Basquiat. Und dessen letzte Ausstellung zu Lebzeiten hatte sich, Gott weiß wie, der junge Österreicher gesichert!
Die Kunstwelt hatte ihr Thema, die Appelle wurden lauter: Jetzt ist die Zeit für Wien gekommen, oder noch besser gleich für Berlin! Aber der unglaublich junge Mann blieb und sagte „Wenn schon, dann gleich Paris“ und errichtete im Herzen der Stadt eine Filiale, in der er heute die Kunstwelt in verfeinerbarem Französisch willkommen heißt.
AUSSTELLUNGEN
Derzeit bei Ropac in Salzburg: In der Villa Kast auf dem Mirabellplatz zeigt Anselm Kiefer den Zyklus „Mein Rhein“. Ebendort: „Joseph Beuys/John Cage“ (beide bis 28. September). In der Salzburg-Halle sind Skulpturen von Hans Josephsohn zu sehen (Vilniusstraße 13, bis 31. August).
Der Kalender für den Sommer weist 45 Ausstellungen in Europa, den USA und Asien mit den größten Namen der Gegenwartskunst aus.
Zunächst, wie spricht man Sie an? Ropac oder Ropak?
Beides ist korrekt, die Brand ist Ropak, das andere wäre in Paris nie durchsetzbar, in Amerika schon gar nicht. Aber in Österreich nach wie vor Ropac.
Dann mitten ins Gespräch, Herr Ropac. Ihr Künstler Erwin Wurm, der gerade 70 wurde, belegt auf Artfacts den 16. Platz, vor Miró und Hockney. Kann das sein?
Für die Erstellung dieser Listen werden einzelne Parameter bestimmt, die man als ausschlaggebend definiert – wie zum Beispiel die Anzahl und Prominenz der Ausstellungen – und danach richtet sich dann der Rang. Das führt aber zu einer grob vereinfachenden Darstellung, denn die Faktoren sind vielfältig. Einige Künstler produzieren schlichtweg mehr Kunst und können dementsprechend mehr Ausstellungen machen als andere. Gerhard Richter beispielsweise hat sein Werk abgeschlossen und produziert nicht mehr. Was soll das über den Rang eines Werks aussagen? Aus diesem Grund halte ich wenig von diesen Rankings. Wir freuen uns aber, wenn ein Künstler wie Erwin Wurm diese Beachtung findet.
Ist es nicht eine Katastrophe, dort abzusteigen, so als ob Rapid plötzlich aus der Bundesliga verschwindet? Werden Sie nicht von Künstlern angefleht, ihnen den Platz zu erhalten?
Rankings werden amüsiert weggewunken. Zumindest in der Kunstszene ist das so.
Dass der Künstler in großen Ausstellungen platziert wird, dafür sind aber doch Sie zuständig.
Es ist das Werk des Künstlers, das so etwas ermöglicht. Aber wir unterstützen natürlich so gut wir können. Wir versuchen beispielsweise, die Kunst in wichtigen Sammlungen zu platzieren, also an Sammler zu verkaufen die ihre Werke dann großen Institutionen zur Verfügung stellen. Die Institutionen sind die Hauptakteure. Über Jahrzehnte waren die wichtigsten Player die großen Museen in Nordamerika und Europa, dann ist Asien dazugekommen. In Amerika waren das zum Beispiel das MoMA und das Guggenheim – das zieht sich über Washington, Chicago, San Francisco bis Los Angeles, in der nächsten Liga Houston und Philadelphia. In Europa das Centre Pompidou in Paris, die Tate in London und dann die großen Museen in Madrid, Wien, Zürich oder Berlin. Wir als Galerien sind nur Vermittler und versuchen, auf verschiedenen Ebenen behilflich zu sein. Aber die Entscheidungen treffen die Institutionen.
Wie baut man einen Künstler auf? Gesetzt den Fall, Sie haben ein Genie, das nicht vom Fleck kommt.
Die Internationalität ist enorm wichtig. Da können wir uns aufgrund unserer vielen Standorte gut einbringen. New York, London, Paris – wobei sich in Asien jetzt Seoul als stärkstes zweites Bein erweist. Vor rund 20 Jahren erweiterte sich der Fokus, der bis dahin ausschließlich auf Amerika und Europa lag – und man begann, endlich auch nach Asien zu blicken. Es gibt in Asien Museen auf dem höchsten Niveau, vor allem in Südkorea und Japan ist die Situation erstklassig, weil da in demokratischen Systemen eine reiche Kunstszene entstehen konnte.
China spielt keine Rolle?
Da wird vieles abgewürgt, und deshalb kann auch keine offene Szene entstehen. Es geht nicht um die höchsten Preise und die Sensation. Kunst muss reichhaltig sein, breit aufgestellt und zum Experimentieren bereit sein. In China geht alles durch die Zensur, es werden Werke ohne Kommentar gestrichen. Bei Baselitz reicht schon die Darstellung einer nackten Frau.
Aber dort auszustellen, wie jetzt Erwin Wurm, ist legitim? Bekommen Sie da keine Probleme wegen der Kooperation mit Diktaturen?
Man kann doch nicht die Künstler und die Kunstszene für das System bestrafen! Ich habe da keine Scheu.
Und Russland? Die gewaltigen Museen, eine Kulturgeschichte ohnegleichen?
Russland ist problematischer, da haben wir uns völlig zurückgezogen. Wir waren früher in Russland sehr aktiv, mit der Eremitage in St. Petersburg war eine ganze Serie von Ausstellungen geplant. Das ist alles abgesagt.
Warum?
Weil es Sanktionen gibt, an die wir uns halten. Die Kunstszene kann sich ja den Sanktionen nicht entziehen, und Russland ist eine andere Art Aggressor als China.
Und Israel?
Da ist es auch schwer geworden, aber wir sind mit Israel nach wie vor gut im Kontakt, obwohl wir gerade kein Ausstellungsprojekt haben. Die große Wurm-Ausstellung im Tel Aviv Museum of Art ist erst vor wenigen Monaten zu Ende gegangen.
Zurück zum Beginn also. Wie wurde denn zum Beispiel Erwin Wurm das, was er heute ist?
Er hat die Definition von Skulptur völlig erweitert. Es geht immer darum, dass Künstler Regeln durchbrechen und neue Ideen aufstellen. Und seine vielleicht wichtigsten Skulpturen waren die One Minute Sculptures, etwas völlig Neues in der Kunstgeschichte. Außerdem sind seine Ausstellungen wahre Environments, die nicht nur für die Elite gedacht sind. In den 40 Jahren, die ich jetzt im Kunstbetrieb arbeite, hat mich überhaupt eines am meisten fasziniert: Wie die Kunst aus dem Elfenbeinturm in die Mitte des Lebens gerückt ist. Da herrschte früher eine intellektuelle Exklusivität, die eine unglaubliche Schwellenangst erzeugt hat. Von der Exklusivität zur Inklusivität. Als ich in Kärnten aufgewachsen bin, existierte zeitgenössische Kunst an den Schulen nicht, Kokoschka war das Zeitgenössischste, das es gab. Wenn Sie heute mit Teenagern sprechen, die erleben die Kunst als zeitgenössisch. In meiner Galerie in Paris Pantin, ganz in der Nähe problematischer Viertel, kommen Besucher mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Es ist unfassbar viel passiert in dieser Hinsicht. Jeder kann Teil dieser Szene sein.
Kommen wir zu anderen Ihrer österreichischen Premiumklienten. Arnulf Rainer hatte schon erheblichere Aufmerksamkeit, nicht?
Er ist am Markt fraglos unterschätzt, aber historisch ist sein Platz ganz oben. Das Centre Pompidou hat eine große Sammlung seiner Werke, die Tate in London, das MoMA in New York, das Guggenheim. Rainer ist im Kanon der Kunstgeschichte, da mache ich mir keine Sorgen.
Valie Export?
Valie Export hat in den letzten Jahren eine unglaubliche Anerkennung als Künstlerin erfahren und große Erfolge gefeiert. Letztes Jahr die große Retrospektive, die in der Albertina und im Fotomuseum Winterthur zu sehen war. Es ist wichtig, dass Künstlerinnen nun stärker in den Fokus rücken, das wurde lange übersehen. Beispielsweise bei Martha Jungwirth. Mit über achtzig wird ihr aktuell eine Retrospektive im Guggenheim Museum Bilbao gewidmet. Sie ist ein Beispiel, wo das Werk einer Künstlerin wirklich jahrzehntelang übersehen wurde. Albert Oehlen, also selbst ein großer Künstler, hat sie entdeckt.
Hat dieser Aufstieg nicht, wie auch bei Valie Export, mit ihrem Rang als kunstausübende Frau, also den neuen Diversitätsbestrebungen zu tun?
Bestimmt, und das ist gut so, wie auch mit den endlich gewürdigten schwarzen Künstlerinnen und Künstlern. Da gab es unglaubliche Versäumnisse in viele Richtungen. Lateinamerika wurde zum Beispiel auch links liegen gelassen, heute sehen wir, was für großartige Künstler es in Brasilien und in Mexiko gibt. Auch Asien war völlig fremd.
Wenn aber amerikanische Museen aus Korrektheitsgründen bedeutende Werke aus dem Kanon verkaufen, damit sie genügend schwarze Künstler haben?
Kunst kann man doch nicht nach Quoten einteilen. Ich halte es grundsätzlich für problematisch, wenn Museen verkaufen. Mir wurde von einem der wichtigsten Museen in den USA ein Hauptwerk von Robert Rauschenberg angeboten, ich konnte es direkt vom Museum aus erwerben. Das ist sehr problematisch, so sehr es mich freut, das Werk jetzt zu besitzen. Das wäre in Europa undenkbar, und ich bin ein Verteidiger dieser europäischen Regeln. Kunst zu verkaufen, ist einfach – aber wenn man 20 Jahre später merkt, das war ein Fehler, ist das nicht wieder gutzumachen.
Wie halten Sie es überhaupt mit dem Canceln in der Kunst? Es gibt schon Leute, die Gauguin zur Rechenschaft ziehen wollen, weil er 1903 nicht nach #Metoo vor Gericht gestellt wurde. Oder Otto Mühl!
Künstler müssen natürlich zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es um Vergehen geht. Das war schon bei Caravaggio der Fall und ebenso bei Mühl. Jedes Vergehen, das gegen Gesetze verstößt, muss geahndet werden. Ich bin aber ebenso ein großer Kritiker der sogenannten Cancel Culture.
Otto Mühl (auch: Muehl). Geboren 1925, war einer der Mitbegründer des kunsthistorisch bedeutsamen Wiener Aktionismus. Im Burgenland errichtete er eine Kommune, in der die vollkommene Freiheit, auch die sexuelle, gelebt werden sollte, die sich aber in ein despotisches System mit schweren Missbrauchshandlungen pervertierte. 1991 wurde er deshalb zu sieben Jahren Kerker verurteilt, die er zur Gänze absaß. Er verbrachte die Jahre bis zu seinem Tod anno 2013 in einer Kommune an der Algarve. Sein Rang als Künstler ist unbestritten.
Kommen wir am Schluss zu den sich aufbäumenden Entwicklungen wie Krypto und KI. Sie stehen Sie denn dazu?
Das muss man trennen. „Krypto“ ist keine Kunst per se, sondern eine Möglichkeit, die Echtheit eines Kunstwerks digital zu zertifizieren. Daran haben wir im Moment kein Interesse, behalten es aber im Blick, denn es wird viel gefälscht. KI ist etwas, das uns wesentlich mehr interessiert.
Haben Sie schon jemanden, in dessen Werk es einfließt?
Ja, der amerikanische Künstler David Salle. Er benutzt KI als Basis für seine Werke, arbeitet quasi mit seinem Alter Ego aus der KI-Welt, nachdem er die Informationen selbst eingespeist hat. Er produziert Kunst und er malt dann sozusagen in das eigene, künstlich erzeugte Werk hinein. Dann fällt mir noch Tom Sachs in New York ein. Wir unterstützen unsere Künstler in allem, was für sie interessant ist. Wenn unsere Künstler sich für etwas interessieren, sind wir dabei. Das ist unser Prinzip.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 32/2024 erschienen.