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Spitzentöne: Blaue Kunstfeinde

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©Ian Ehm/News
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Es ist geschafft: Eine explizit kunstfeindliche Partei ist an der Macht. Dem ORF, dessen Gremien leider nicht entpolitisiert wurden, droht jetzt Böses. Und dem „Steuerzahler“, diesem Phantom, soll die Kulturhoheit ausgeliefert werden.

Sollten Sie sich auf den vergangenen 79 Seiten über das nationale Unglück schon ausreichend informiert fühlen, so blättern Sie bitte unverzüglich anderswohin. Ich kann es Ihnen nicht verdenken, will auch mit dem, was Sie womöglich ohnehin wissen, Ihre Zeit nicht ungebührlich in Anspruch nehmen. Sogar das Alleinstellungsmerkmal „Versuchsstation des Weltuntergangs“ müssen wir Karl Kraus kleinlaut zurückgeben: Wir sind europäische Halbdutzendware, und sollte das, was sich jetzt formiert, ein paar Jahre Bestand haben, wird man vor unserer EU-Ratspräsidentschaft so abducken wie anno 2024 wir vor Orbán.

Aber Van der Bellen und Nehammer darf ich meiner Achtung versichern? Verdienstvoll war es, Kickl den Regierungsauftrag nicht zu erteilen: Die anderen Parteien hatten sich der FPÖ geschlossen verweigert, wozu also Zeit damit vergeuden, ihn scheitern zu lassen? Andererseits ahnte der alte Fuchs in der Hofburg, dass Herrschaften wie Knill, Pierer oder Mahrer eventuell umgarnbar sein könnten. Gegen die hätte sich Nehammer mit Hilfe der christlich-sozialen Restpopulation mit viel Glück noch behaupten können. Leider war er – ein Kunststück – auf noch Schwächere angewiesen. Babler war der Aufgabe, zwei Wirtschaftsparteien eine belastbare linke Position entgegenzusetzen, professionell nicht gewachsen. Wie auch, wo er sich selbst ohne Not ins Autoritätsprekariat befördert hatte?

Die NEOS sind politisch unreif

Gelungen ist ihm das mit der Einführung der Mitgliederbefragung, gegen die sich die Wiener SPÖ vergebens verwahrt hatte und die es jetzt einem Horrorclown wie Fußi ermöglicht, den Vorsitzenden in Narrenadjustierung durch die Manege zu treiben. Auch die NEOS hatten sich diesem Unfug ausgeliefert. Das Resultat haben wir gesehen: Die zwischen der bedrängten Meinl-Reisinger, dem fidelen Personenbeherberger Schellhorn und Jung-Erlaucht Hoyos zersplitterte Kleinpartei kann von ein paar Kantonisten mühelos in die Paktunfähigkeit manövriert werden.

Notabene: Politiker sollen entscheiden und für die Folgen bei der nächsten Wahl geradestehen. Oder ihre Mandate an ein Meinungsforschungsinstitut abgeben. Die NEOS haben sich jedenfalls als politisch unreife Selbstverwirklicher präsentiert (wir kennen das seit Strolz, der seine Wähler nach errungenem Mandat davon in Kenntnis setzte, dass er doch lieber Bäume zu umarmen gedenke).

Die für mich schlimmste Erkenntnis betrifft allerdings das Ende der Sozialpartnerschaft: Wer sich mit Pierer verpartnert, kann leicht als haftungsbeteiligter Insolvenzfall aufwachen.

So sicher ich noch nie einem Staatskünstler begegnet bin, so sicher sind die Dreschflegel gegen ihn schon ausgeteilt

Heinz SichrovskyKulturjournalist und Moderator

Blaue Kunstfeinde

Schon wieder zu viel politisiert, dabei wollte ich mich doch auf die hochrechenbar bedrohliche Situation des Kultur- und Medienstandorts konzentrieren. Die FPÖ, das spricht aus jeder Zeile ihres Programms, ist eine zuinnerst kulturfeindliche Bewegung. Sie ist es nicht einmal aus Überzeugung, dafür müsste man sich wenigstens in die Grundbegriffe vertieft haben. Es gibt nur fast nichts, womit man den sich ständig erbrechenden „Steuerzahler“ (wer das ist, weiß ich nicht, und ich zahle reichlich Steuern) wohlfeiler ins Bierzelt verpflichten könnte. Vor allem hat die FPÖ ganze Kläranlagen an Groll und Demütigung abzulassen. Nicht einmal dem konservativsten, verschrobensten Künstler, der den Namen verdient, wäre es je eingefallen, sich mit der FPÖ zu verbrüdern. Jetzt sind die Schwarzen Listen Beobachtungsbedürftiger schon im Umlauf. Und so sicher ich noch nie einem Staatskünstler begegnet bin (oder kennen Sie einen?), so sicher sind die Dreschflegel gegen ihn schon ausgeteilt. Und wäre auch sogar die Kompletteinsparung des Kulturbudgets nicht einmal im Promillebereich messbar, und ginge damit auch ein Vielfaches an Umwegrentabilität zum Teufel: Die Ovationen in Analphabetenforen wären es wert.

Dass ich bei der ÖVP niemanden entdecke, der hier dagegenhielte, ist vielleicht das Schlimmste. Nicht, dass es dort keine kundigen Kulturpolitiker gegeben hätte. Franz Morak, Staatssekretär im Kabinett Schüssel, war einer, Hanns Koren in der Steiermark, der Wiener Kulturstadtrat Peter Marboe, nicht zu reden vom Visionär Erwin Pröll.

Schallenberg wäre richtig gewesen

Auch Alexander Schallenberg hat als Mitglied der Übergangsregierung das Ressort mit Leidenschaft und Sachverstand neben dem Außenministerium geführt. Gern hätte man ihn jetzt in beiden Verantwortungen gesehen. Aber erwartbarerweise steht er Kickl nicht zur Verfügung. Dabei wäre er auch als Außenminister unentbehrlich, um die Anmutung einer Bananenrepublik zu mildern. Da nun die Kunst beim Postenverteilen bekanntlich das Letzte an Verschubmasse ist, wäre ich nicht erstaunt, feixte uns nächstens – aus Bösartigkeit, nicht aus Ambition – ein blauer Fachminister entgegen.

Womit ich bei den Medien bin. Die scheidende Regierung hat versäumt, die ORF-Gremien zu entpolitisieren. Jetzt ist er in den Händen seiner Zerstörer. Und schon geht es los: Das Radiosymphonieorchester RSO, einer der Spitzenklangkörper der Republik, und der Kultursender ORF III, der anno Corona mit der Initiative „Wir spielen für Österreich“ die Branche vor der Verzweiflung bewahrt hat, stehen zur Debatte.

Als es zuletzt gegen das Orchester ging, hat der Einspruch vieler Kulturmenschen Schlimmes verhindert. Heute wäre eventuell sogar der gegenteilige Effekt zu befürchten.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.01+02/2025 erschienen.

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