Die österreichische Schauspielerin Anna Werner Friedmann war eine der schärfsten Anklägerinnen gegen Paulus Manker. Jetzt wird sie wegen Körperverletzung und sexueller Belästigung belangt. Aber ihre Karriere darf deshalb nicht in Gefahr geraten
Gebrüllt hat der Manker beim Regieführen, sagt der eine unbekannte Schauspieler. Mit rotem Kopf, fügt der zweite unbekannte Schauspieler hinzu. Dazu hat er auch noch unanständige Wörter gebraucht, sagt der dritte unbekannte Schauspieler. Womit (Sie haben es erraten?) ein Klima der Angst erzeugt worden sei. Die Konklusio liegt bei der nicht ganz unbekannten, das Mittelmaß deutlich überragenden Schauspielerin Anna Werner Friedmann: „Es gibt nur Paulus Manker, der über allem thront, schwebt, herrscht und man macht, was er will.“
Schlimm, was zwei Damen von Radio Bremen da Anfang 2024 in der Fernsehdokumentation „Gegen das Schweigen – Missbrauch bei Theater und Film“ enthüllt haben. Aber eventuell auch nicht so schlimm: Denn erstens ist es im Theaterbetrieb nicht unüblich, dass man tut, was der Regisseur will. Und zweitens hätte es zur Erstellung des umfänglichen Manker-Kapitels nicht zweier Recherche-Jahre, sondern bloß der Beiziehung der Suchmaschine Google bedurft: Wer mit dem herausragenden, aber im Umgang gewöhnungsbedürftigen Theatermann nicht arbeiten will, darf jeden Verständnisses sicher sein. Wer aber den oft extremen Probenprozess auf sich nimmt, schreibt mit Glück ein Kapitel Aufführungsgeschichte mit. Die Stationendramen „Alma“ und „Die letzten Tage der Menschheit“ sind markante Beispiele.
Anlässlich der „Alma“-Wiederaufnahme Sommer 2023 im Südbahn-Hotel auf dem Semmering hat sich auch das Zerwürfnis entsponnen. Anna Werner Friedmann, eine der drei Alma-Darstellerinnen, warf mitten in einer Aufführung die Rolle hin, weil sie ihre Gage nicht erhalten habe. So eindeutig dürfte das allerdings nicht gewesen sein, denn Klage und Gegenklage (wegen übler Nachrede) wurden am 4. April 2024 nach einem Vergleich zurückgezogen. Aber als im vergangenen November Mankers Requisiten auf Betreiben des Hoteleigners zwangsversteigert wurden, schenkte Anna Werner Friedmann triumphierend Sekt an die Bieter aus.
Körperverletzung, Belästigung
Und jetzt das. Die Schauspielerin Anna Friedmann (den im Akt einsehbaren bürgerlichen Namen nenne ich auf ihr Ersuchen nicht) muss sich am 12. März 2025 um 10.30 Uhr vor dem Bezirksgericht Neunkirchen, Triester Straße 16, verantworten. Etwa wegen Brüllens mit rotem Kopf?
Nein, wegen Körperverletzung (§ 83 (1) StGB) und sexueller Belästigung (§ 218 (1a) StGB). Die Staatsanwaltschaft hat wegen zweier Offizialdelikte von sich aus Anklage erhoben. Wer sie auf die Spur gebracht und mit Material (auch Foto- und Videoaufnahmen) befüttert hat, kann man ahnen, aber nicht wissen.
Alles nur Theater?
Was ist geschehen? Anna Friedmann sei mit einem jungen Kollegen immer heftiger ins Hadern geraten, habe ihm während einer Vorstellung mit Verletzungsfolge eine brennende Fackel ins Gesicht gestoßen, ihn vor Publikum entblößt und öffentlich in den Allerwertesten gebissen, zudem per Chat übel beleidigt.
Der Streit sei entbrannt, weil der Kollege Friedmanns ständige obszöne Improvisationen und Textänderungen nicht habe dulden wollen. Ein lächerliches Stück heiteres Bezirksgericht, sagt Friedmann-Anwalt Manfred Ainedter auf Anfrage. Die Vorwürfe, ein Jahr nach der angeblichen Tat, würden entschieden bestritten. Alles Inkriminierte sei überdies als Teil eines künstlerischen Prozesses zu verstehen.
Nun ist zwar Improvisation, auch bis ans Extrem, ein legitimes Ausdrucksmittel. Aber ein Stationendrama von 50 Szenen, die mit der Präzision von Zahnrädern ineinandergreifen müssen, verträgt keine Verzögerungen in der Gestalt spontaner Eingebungen.
Und was nun? Geriete die (ich wiederhole:) sehr interessante Schauspielerin Anna Werner Friedmann an die Falschen meines Metiers, könnte man ihr mit ein paar Titelseiten die sich gerade aufbauende Karriere schwer beschädigen. Die gebürtige Wienerin, 33 Jahre alt, ist nach Erfolgen in Deutschland auf dem Weg zurück an heimische Bühnen zudem Protagonistin der Kinderserie „Siebenstein“ im ZDF. Mit den Anklagen – mögen sie auch haltlos sein – erscheint das schwer kompatibel. In anderen, prominenteren Fällen reichte schon ein gut platzierter Sudelartikel. Aber hier geht es um gerichtlich verfolgte Offizialdelikte.
Alle sollen daraus lernen
Kaum kann man noch rekonstruieren, wer aller zuletzt für Klicks niedergesudelt wurde: Maria Happel am Reinhardt-Seminar, der gleichfalls mit rotem Kopf gebrüllt haben sollende Josefstadt-Direktor Föttinger, Gottfried Helnwein, der Filmregisseur Ulrich Seidl ... Wobei es ein fataler Fehler wäre, sich darauf zu verlassen, als junge Frau unter Bobo-Schutz zu stehen: 30 anonyme grüne Kantonisten haben genügt, um ihre jetzt erfolgreich agierende Europa-Abgeordnete Lena Schilling in schwere Bedrängnis zu bringen.
Ursächlich im Gefolge der von Anna Friedmann befütterten Dokumentation fand dafür Manker im Karl-Kraus-Jahr keinen Aufführungsort für seine ingeniösen „Letzten Tage“. Und die Schlussfolgerung? Gott bewahre, dass man an der Schauspielerin Friedmann jetzt triumphierend ein Exempel statuiert. Gar keine Exempel sollen mehr statuiert werden, höchste Zeit, dass man Kunstwerk und Urheber wieder trennt. Aber gelernt sollen sie daraus etwas haben, Anna Werner Friedmann genau so wie Gleichgesinnte: Es kann schneller gehen, als man glaubt.
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