Erstmals seit 1998 hat Österreich dank Teamchef Ralf Rangnick 2025 die Chance, sich für eine Fußballweltmeisterschaft zu qualifizieren. Damit steht Rangnick vor der größten Herausforderung seiner Karriere. Er begegnet ihr mit dem Glauben an das Unmögliche. So erklärt er im Podcast „Leaders of Transformation“ den Blick auf seine Führungsrolle.
Mit den Erfolgen des österreichischen Nationalteams bei der EM in Deutschland hat die Fußballnation Träumen gelernt. Dank Teamchef Ralf Rangnick lebt die Hoffnung auf Österreichs Beteiligung an der Fußball-WM in Kanada, Mexiko und den USA 2026. Die Erwartungshaltung der Nation an ihn ist klar: 2025 muss sich Österreich als Gruppensieger qualifizieren. Der 66-Jährige begegnet ihr mit eindeutiger Ansage: „Wir wollen diese Gruppe gewinnen.“
Die Bezeichnung „Architekt des Erfolgs“ hat Rangnick über Jahre verdient: Er führte Hannover 96 und die TSG Hoffenheim in die höchste deutsche Liga. Mit Schalke 04 gewann er 2011 den DFB-Pokal und den DFL-Supercup. Mit RB Leipzig erreichte er 2016 den Aufstieg in die Bundesliga und qualifizierte sich 2019 für die UEFA Champions League. Im Podcast „Leaders of Transformtion“ von „Business Gladiators“ gibt Ralf Rangnick tiefen Einblick in seine Erfolgsstrategie.
Lesen Sie hier Auszüge aus dem Gespräch mit Alexander Zauner, die seine besondere Vision verdeutlichen.
Podcast "Leaders of Transformation"
Am Anfang die Ziele verdeutlichen
„In erster Linie ging es darum, den Spielern zu vermitteln, dass viel mehr möglich ist, als in der Vergangenheit vielleicht passiert ist. Ich hatte eine sehr klare Vorstellung davon, wie wir spielen wollen, und die Spieler wussten das natürlich auch. Dann ging es darum, den Spielern klar zu machen, dass wir mit jedem Gegner nicht nur mithalten, sondern dass wir solche Spiele auch dominieren können, auch vermeintlich stärkere Gegner.“
Eine gemeinsame Identität erschaffen
„Es ging auch um die Frage ‚Wofür wollen wir stehen?‘. Einer unserer Leitsätze bei der Euro war ‚Wir zeigen Gesicht‘. Das hat sich auch in individualisierten Trainingsanzüge widergespiegelt, hinten stand auf jedem ‚Wir zeigen Gesicht‘, vorne war von jedem Spieler mit feinen Konturen das Gesicht zu sehen. Das war in dreifachem Sinn gemeint. Zum einen sportlich: Wir wollen mit unserer Art Fußball zeigen, das ist ein bisschen anderer Fußball, als man normalerweise sieht. In den richtig guten Spielen haben wir gespielt, wie eine eingespielte Vereinsmannschaft. Zum Zweiten ging es auch darum, für welche Werte wir in der Gesellschaft stehen. Ich halte es gerade in der heutigen Zeit von Fake News für wichtig, gegen Ungerechtigkeit, Unwahrheit, Korruption, Werteverfall, Unterdrückung zu stehen und für Wahrheit, Freiheit, Gleichheit. Zum Dritten zählt bei uns, dass wir nicht nur darüber reden, sondern entsprechend handeln.“
Mehr sein wollen als die Summe von Einzelspielern
„Für mich gilt ein Leitspruch, ein Zitat von Theodore Roosevelt, der gesagt hat: ‚They don’t care how much you know, until they know how much you care.‘ Ich sehe mich als Dienstleister genauso mein Trainerstab, mit der Aufgabe, die Mannschaft besser zu machen. Wir wollen mehr sein als die Summe unserer Einzelspieler. Wenn wir das schaffen, haben wir eine große Chance, Spiele zu gewinnen. Wir wollen den Spielern die bestmöglichen Arbeitsbedingungen liefern. Das hat nichts mit Wohlfülloase zu tun. Es geht darum, den Spielern alle Facetten und alle Puzzleteile, die Leistungsentwicklung möglich macht, im Portfolio zu haben und anzubieten. Das ist der Anspruch, den ich als Teamchef habe. Ich möchte, dass sie sich wohlfühlen, dass sie das Gefühl haben, ich kann nächste Schritte machen.“
Der Stellenwert guter Kommunikation
„Ich habe schon als junger Student gelernt, als ich das Lehramt für Englisch und Sport studiert habe, dass Kommunikation immer authentisch und durchgängig sein sollte. Ich glaube, sowohl Schüler als auch Hochleistungssportler merken sofort, ob das, was du sagst, und das, was du tust, identisch sind. Deswegen ist es für mich wichtig, dass die Spieler merken, wir meinen es aufrichtig. Es muss eine Stringenz vorhanden sein in dem, was du sagst, und in dem, was du tust. Die Spieler wissen, dass es bestimmt Dinge gibt, die bei mir und beim Trainerstab nicht verhandelbar sind. Da geht es um Basics wie Pünktlichkeit, wie Fokus, wie Konzentration auf das, was wir machen.“
Der Feedback-Faktor
„Beim Thema Führung geht es immer auch um Wertschätzung und Respekt. Darum, dem Spieler zu zeigen: ‚Wir beschäftigen uns wirklich mit dir‘. Meine Erfahrung der letzten 40 Jahre zeigt, dass der motivierendste Faktor ist, dass die Spieler merken, du beschäftigst dich mit ihnen und du möchtest sie besser machen. Im Mannschaftssport wie Fußball geht das nur über die Entwicklung der Mannschaft. Wenn die Mannschaft nicht besser wird, gibt es nur Verlierer. Trotzdem geht es in erster Linie darum, dass die Spieler spüren: Da ist ein Teamchef, der interessiert sich wirklich für mich, der kümmert sich um mich.“
Vertrauen schaffen durch ehrliches Interesse
„Zur Frage einer guten Führungskraft: Das hat in erster Linie sehr viel mit Vertrauen zu tun. Wenn die Spieler spüren, man vertraut ihnen – das gilt übrigens auch für Mitarbeiter in der freien Wirtschaft –, und sie können einen wichtigen Teil beitragen, dann ist das motivierend und treibt die Spieler auch an.
Empathie spielt eine große Rolle. Ich will es an einem Beispiel aufzeigen: Wir begrüßen jeden Spieler mit einem persönlichen Handschlag. Und der Handschlag ist nicht nur ein Ritual, sondern man sieht einander in die Augen. Ich glaube, wenn man da ein bisschen Antennen hat, dann spürt man sofort: Ist alles okay? Oder gibt es mal einen Grund, nachzufragen? Eine gute Führungskraft interessiert sich dafür, wie es dem Einzelnen geht, und dafür musst du dir dann auch Zeit nehmen.“
Über Corporate Identity zum Corporate Behaviour
„Corporate Identity heißt nichts anderes als: Wofür wollen wir stehen? Wie wollen wir als Marke wahrgenommen werden? Im Fußball hat das natürlich viel mit der Art zu tun, wie wir spielen wollen. Das ist deswegen wichtig, weil es ohne Corporate Identity kein Corporate Behaviour gibt. Das gilt auch in der freien Wirtschaft. Ich habe in den letzten 30 Jahren zwei ambulante Reha-Zentren mit aufgebaut, und da galten dieselben Prinzipien: Ich muss wissen, wie ich wahrgenommen werden möchte, welche Art von ambulantem Reha-Zentrum wir sein wollen, wie wir bei unseren Kunden rüberkommen wollen.“
Drei Eigenschaften guter Führungskräfte
„Es gibt drei Dinge, die eine gute Führungskraft immer haben sollte. Du musst ein Stück weit visionär sein, von mir aus im positiven Sinne ein Träumer. Du musst dir vorstellen können, dass wir uns regelmäßig mit Österreich für große Turniere qualifizieren. Du musst dir vorstellen können, dass du Leipzig in der vierten Liga übernimmst, innerhalb von vier Jahren dreimal aufsteigst und regelmäßig in der Champions League spielst. Als ich das damals anderen Leuten erzählt habe, haben die wahrscheinlich gedacht: ‚Der hat ein bisschen zu viel Red Bull getrunken. Was ist los mit dem Deutschen?‘ Du brauchst die Vorstellungskraft, dass Dinge, die nicht sehr wahrscheinlich sind, tatsächlich passieren. Ich werde dafür bezahlt, Dinge zu erreichen, die andere nicht so ohne Weiteres erreichen. Das war immer mein Anspruch.
Wenn du die in kurzer Zeit erreichen willst, darfst du dich nie zufrieden zurücklehnen und die Füße hochlegen. Du darfst nie so richtig zufrieden sein. Natürlich kannst du einen Abend feiern, oder zwei, aber spätestens am dritten Tag geht es darum, welche neuen Herausforderungen warten.
Der dritte und entscheidende Punkt: Du musst für das brennen, was du machst. Du musst diese Leidenschaft in dir tragen. Solange ich spüre, dass ich es kaum erwarten kann, die Jungs zum nächsten Lehrgang zu sehen, ist das etwas, das eine Führungskraft auszeichnet. Die Spieler, die Mitarbeiter, die Schüler an einer Schule spüren genau, ob diejenigen, die vorne stehen, nur irgendetwas erzählen oder tatsächlich für das brennen, was sie tun.“
Österreichs Weg zur WM
Österreichs Fußballnationalteam startet am 7. Juni 2025 mit einem Heimspiel gegen Rumänien in die Qualifikation für die WM 2026 in Kanada, Mexiko und den USA (11. 6. bis 19. 7. 2026). In der Gruppe H trifft das Team von Ralf Rangnick 2025 zudem auf Bosnien-Herzegowina (9. 9. und 18. 11.), Zypern (6. 9. und 15. 11.) und San Marino (10. 6. und 9. 10.). Gegen Rumänien wird am 12. 10. das zweite Mal gespielt. Als Topf-eins-Team gilt Österreich als Favorit der Gruppe. Der Gruppensieg bedeutet direkte Qualifikation für die WM, während der Zweitplatzierte in die Play-offs im März 2026 einzieht. Rangnick zeigt sich zuversichtlich: „Wir wollen diese Gruppe gewinnen.“
Die letzte WM-Teilnahme Österreichs 1998 in Frankreich endete in der Gruppenphase. Insgesamt nahm Österreich an acht Weltmeisterschaften teil, die beste Platzierung war 1954 in der Schweiz Platz drei. Für die WM 2018 in Russland und die WM 2022 in Katar konnte sich Österreich nicht qualifizieren. Vor der WM-Qualifikation steht im März 2025 das Nations-League-Play-off gegen Serbien an. Insgesamt bestreitet das ÖFB-Team 2025 zehn Pflichtspiele.
Der Podcast "Leaders of Transformation"
Jeden Donnerstag spricht Univ.-Prof. Dr. Alexander Zauner in Leaders of Transformation mit herausragenden Leadern über die Transformation ihrer Unternehmen. Hören Sie das Gespräch mit Ralf Rangnick auf Apple Podcasts und auf Spotify.