Die Produktionsfirma ist im Konkurs, „Alma“ konnte heuer erstmals seit langer Zeit nicht gezeigt werden, und im Karl-Kraus-Jahr erwies sich auch Paulus Mankers theaterhistorische Realisierung der „Letzten Tage der Menschheit“ als unvermittelbar. In dieser unfreundlichen Zeit bringt er zur Kraus’schen Weltkriegsapokalypse einen monumentalen Bildband, der Maßstäbe setzt.
Wenn Paulus Manker reagiert, so geschieht das mit einer für manche furchterregenden Vehemenz. Zum Beispiel konnte im Karl-Kraus-Jahr 2024 Mankers theaterhistorische Realisierung der „Letzten Tage der Menschheit“ nicht gezeigt werden, weil sich kein Aufführungsort gefunden hatte. Auch Mankers ikonische „Alma“ verstummte im 25. Jahr ihres Bestehens. Im Sommer zuvor waren noch beide im Südbahnhotel auf dem Semmering gezeigt worden. Die Kooperation endete allerdings im Zerwürfnis um die Verteilung der Kartenerlöse, auf dessen Höhepunkt die Personenschützer beider Parteien gegeneinander handgreiflich wurden. Im August 2024 gab dann das Gericht dem Konkursantrag des Hoteleigners gegen Mankers Produktionsgesellschaft statt. Eine deutsche Fernsehdokumentation, die den Theatermann barbarischer Regiemethoden beschuldigte, tat das Ihre: Die Zeiten für den rüden Theatergenius verkomplizierten sich.
Ein gewaltiges Buch
Mankers Reaktion sucht ihresgleichen: Während der Recherchen zu Kraus’ Weltkriegsapokalypse hatte er sich in die Dokumentation verbissen. Historische Abbildungen sollten helfen, das sterbende Habsburgerreich mit Gesichtern und Körpern auszustatten. Die Recherchen führten fünf Jahre lang durch Europa und bis ins Kriegsarchiv nach Washington. Und nun ist, schwer genug für einen Totschläger, ein Monumentalwerk von 795 Seiten erschienen, das jede der 220 Szenen mit Zitaten und historischen Fotografien beglaubigt, unter ihnen erstaunlich viele in Farbe.
Das drei Buchseiten umfassende Vorwort schrieb Mankers bewunderte Lebensfreundin Elfriede Jelinek (das Nachwort der Kraus-Versessene, dessen Einlassungen Sie gerade in Händen halten). Atemberaubend ist das, den Schindern und Hetzern in vielhundertfacher Ausfertigung von Angesicht zu begegnen. Ein Werk für die Ewigkeit, um das kein Kraus-Forscher mehr herumk0mmen wird.
Manker im Konkurs
Aber gleich flammt wieder das reale Kampfgeschehen auf. Manker musste das Werk mit 40.000 Euro Aufwand im Selbstverlag produzieren. Der Verleger, mit dem alles vereinbart war, zog sich zurück: Er sei vertraulich von Bund und Stadt gewarnt worden, die Kooperation könne ihn seine gesamte Förderung kosten. „Ich glaub, der war einfach nur feig“, sagt Manker. „Rückgratlos.“ Die Absage war jedenfalls erkennbar ein Kollateralschaden der fatalen Fernsehdokumentation.
Um die diskrete Campari-Bar in der Wiener Innenstadt frischt schon der Wind auf. Und auch über dem mephistophelischen Antlitz des prominenten Gastes zieht sich ein Sturmtief zusammen. Bis auf eine Ausnahme habe keine in der Dokumentation zu Wort kommenden Personen je mit ihm gearbeitet! Langjährige Weggefährten, teils aus der hohen Liga, hätten auf Anfrage nur das Beste über ihn gesagt und seien ignoriert worden. Als Auskunftgeber geblieben seien die „AMS-Zombies“: „Da sind Leute dabei, die kommen, lassen sich anmelden, und zwei Tage später melden sie sich krank, erscheinen nie mehr wieder zur Arbeit und lassen sich teuer bezahlen.“ Das Ausmaß des Schadens, grob berechnet? „Nur die Leute, die keinen Charakter haben – die rücken dann plötzlich von dir ab.“
Zur Person Paulus Manker:
geboren am 25. Jänner 1958 als Sohn des Volkstheaterdirektors Gustav Manker und der Schauspielerin Hilde Sochor, studierte am Reinhardt-Seminar und spielte bald an ersten Bühnen bei Peter Zadek und Claus Peymann. 1999 entwarf er das Stationendrama „Alma“, das seither um die Welt reist. 2018 bezwang er in einer Halle in Wr. Neustadt „Die letzten Tage der Menschheit.“ Als Schauspieler und Regisseur drehte er zahlreiche Filme. Er ist mit der Journalistin Elisabeth Auer verheiratet und lebt in Wien.
Eine Lanze für Föttinger
Mit Vehemenz stellt er sich deshalb an die Seite des „Josefstadt“-Direktors Herbert Föttinger, der gerade anonym diktatorischer Amtsgebarung beschuldigt wird. „Ich kenne nur die Vorwürfe, die sicher ungerechtfertigt sind, weil jetzt die Ratten aus ihren Löchern gekrochen kommen, um ihre unmaßgebliche Meinung abzusondern. Irgendwelche Troglodyten, die glauben, sie müssen den Herrn Föttinger anpatzen, der dort seit 18 Jahren ein tadelloses Regime führt.
Manker zur Causa Föttinger
"Und dann kommen irgendwelche namenlosen Lemuren mit natürlich anonymen, widerwärtigen und widersinnigen Vorwürfen gegen ihn. Glücklicherweise hat sich jetzt das Ensemble hinter ihn gestellt!“
Aber er, Manker, selbst? Wie konnte er denn als Konkursfall die 40.000 Euro für das Buch aufbringen? Und sind nun „Alma“ und „Die letzten Tage“ verloren, nachdem der Hoteleigentümer Christian Zeller Tausende auf dem Areal gelagerte Requisiten zur Zwangsversteigerung einbehalten ließ?
Das Gesicht leuchtet in heller Schadenfreude auf. Solange ihm noch Zutritt zum Hotel gewährt worden sei, deutet Manker an, habe er „einige wichtige Dinge“ retten können, „Lautsprecher, Scheinwerfer, Kostüme, Catering-Equipment“. Kundige meinen gar, der Beschlagnahmer sitze auf Zentnern von Ramsch, der überdies nicht einmal Mankers illiquider GmbH, sondern einem Requisitenverleih gehöre.
Und im Konkurs, sagt Manker, sei nicht er, sondern seine Produktionsgesellschaft, für die er bloß beschränkt hafte. „Es besteht kein Grund zur Besorgnis, es kann alles weitergespielt werden.“ Für „Alma“ interessiere man sich derzeit qualifiziert aus Hamburg.
Den Konkursantrag hat die Kulturgesellschaft gestellt, die das in Renovierung befindliche Baujuwel auf dem Semmering in Zellers Auftrag mit einem Kulturprogramm befüllen soll. Sie war Koproduzent des Gastspiels vom Sommer 2023 und fordert von Manker nun 200.000 Euro von den Erlösen (wir haben unter Befragung beider Parteien umfänglich berichtet).
Manker wiederum verweist auf 84.000 Euro, die er schon überwiesen habe, und hat seinerseits Anzeige gegen die Kulturgesellschaft wegen „Förderbetrugs“ erstattet: „Sie haben sich die gesamte Subvention vom Land Niederösterreich in Höhe von 100.000 Euro eingesackelt und nicht einen Groschen an uns weitergegeben, obwohl die Förderung für uns zweckgebunden war. Das ist Subventionsbetrug! Leider reagiert das Land Niederösterreich einfach nicht. Typisch ÖVP! Die werden sich aber was anschauen!“
Invektiven im Halbdutzend
Die Prozesse um Geld liegen wegen des Konkursverfahrens automatisch still, viel wird für Zeller nun nicht mehr zu holen sein. Aber die Flut an Privatklagen Zeller vs. Manker und retour bricht sich ungebahnt ihren Weg. Von Zeller inkriminiert werden Invektiven, die Manker via „ZiB 1“ vorbrachte – allesamt Verfahrensgegenstand und daher ohne Konsequenzen zitierbar, holt er glücklich aus: „Dort habe ich gesagt, dass er ,ein Psychopath ist‘, dass er uns ,boykottiert, geschadet und behindert hat, wo er nur konnte‘, ,dass er ein Scharlatan ist‘, weil er seit Jahren ankündigt, er wird das Südbahnhotel 2025 als Luxushotel wiedereröffnen, was er natürlich nicht wird. ,Dass er mit einem Schlägertrupp meine Mitarbeiter bedrängt, belästigt und bedroht hat‘, ,dass er eine geldgierige Kanaille ist‘, ,dass er ein seltsamer Charakter ist, der paranoid ist‘, und ,dass er einen psychischen Schaden hat‘. Das können wir alles belegen! Und das wird ein Gericht bewerten.“ Er werde zur Erbringung des Wahrheitsbeweises gegebenenfalls auch Antrag auf Psychiatrierung des Prozessgegners stellen. Zeller sah die Verhältnisse im News-Interview naturgemäß anders: Manker habe tatsächlich anfangs „Locküberweisungen“ getätigt, um Vertrauen zu schaffen, dann aber das Eintrittsgeld unter Vertragsbruch auf Privatkonten verbracht.
Nächste Woche Exitus
Die mehr als bloß höfliche Nachfrage nach dem Befinden des öfter kränkelnden Theatermannes zieht eine publikationsfähige Doppelconférence nach sich.
„Was euch Journalisten das angeht, möchte ich wissen?“
„Die Leute wollen es wissen. Die hoffen, dass es dir schlecht geht.“
Manker langt zu
„Auf die Leute wird ganz kräftig geschissen! Die wollen doch nur wissen, wen der Brad Pitt pudert oder wie es seiner Ehe geht. Die Leute, das sieht man ja bei der Föttinger-Geschichte, sind nur geil auf das Unglück anderer. Die wollen ja nicht wissen, ob es mir gut geht, sondern nur, ob ich im Sterben liege.“
„Richtig. Und liegst du im Sterben?“
„Danach sehnen sich viele Leute. Ich weiß. Seit Jahren schon.“
„Und wie lange dürfen wir noch mit dir rechnen?“
„Nächste Woche wird’s wahrscheinlich vorbei sein.“
Der bewegliche Nachlass von 2.861 Gramm Nettogewicht ist soeben in den Handel gelangt und mit 60 Euro nicht überbezahlt.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 38/2024 erschienen.