Vor ihrem ersten gemeinsamen Album „Alles Liebe“ sammelten sie solo Gold- und Platinplatten, zogen zwei Kinder groß, trennten sich und wurden wieder ein Paar. Joy Denalane und Max Herre sind keine Alchemisten in Sachen Liebe, aber ihre Idee von Liebe als transformative gesellschaftspolitische Kraft hat lebensverändernde Größe.
Der Raum, den Joy Denalane und Max Herre einander im gemeinsamen Gespräch geben, ist weit. Gleichzeitig wirken die beiden großen Künstlerpersönlichkeiten einig in ihrer Harmonie. Leichtfüßig changieren sie zwischen Ich-Sein und Wir-Sein, wie nur zwei das können, die es neben den hellen Tagen auch mit dunklen Zeiten aufgenommen haben.
Joy Denalane war 26, als sie den gleichaltrigen Max Herre traf und das Duett der beiden, „Mit Dir“, zum Sommerhit wurde. Das war vor 26 Jahren. Seit damals haben die beiden zwei Söhne zusammen großgezogen, geheiratet, sich scheiden lassen und zwei Jahre später wiedergefunden. Auch das ist schon länger – über 16 Jahre – her.
Ein Abstand, der reicht, um auf dem ersten gemeinsamen Album „Alles Liebe“ schamfrei, erwachsen und tief bewegend der Frage nachzugehen: „Was ist Liebe?“ Streit und Versöhnung, Kindergroßziehen und Älterwerden werden zum bewegenden Funk-Pop-Drama. Die Musik verbindet Soul, Hip-Hop und Gospel, schafft intime Momente und große Gesten.
Fragt man Joy Denalane, eine der besten deutschsprachigen Soul- und R’n’B-Stimmen, und Max Herre, den Meister des Geschichtenerzählens, welchen Stellenwert Freiräume in der Liebe haben, antwortet Herre, Balance sei wichtig: „Wir haben beide in den letzten 25 Jahren sowohl privat als auch in unserer Musik viele Freiräume gelebt, gleichzeitig arbeiten wir unglaublich gerne zusammen.“ Die Wichtigkeit, dem anderen Raum zu geben, habe das Paar früh in ihre Beziehung integriert, bestätigt Denalane. Der Job machte es nötig: Während einer der beiden auf Tour zwischen Applaus und Bühnen-Adrenalin lebte, managte der oder die andere die Kinder und den Haushalt, dieses Prinzip lebten die beiden im Wechsel.


Es gibt tausende Formen von Liebe. Unsere ist eine davon und die ist für andere vielleicht falsch.
Zwei Künstler, eine Leidenschaft
Joy Denalane wuchs in Berlin auf, ihre musikalische Sozialisation fand zwischen Soul, R’n’B und den politischen Bewegungen der 1980er- und 90er-Jahre statt. Mit ihrer charakteristischen Stimme eroberte sie die deutsche Musikszene, wurde mit ihrem Debütalbum „Mamani“ zur Wegbereiterin des deutschsprachigen Soul und anlässlich ihres Albums „Let Yourself Be Loved“ auf Mowtown Records für die Wiederbelebung des legendären Labels gepriesen.
Max Herre, geboren in Stuttgart, prägte mit seiner Band Freundeskreis den deutschsprachigen Hip-Hop. Sein Schaffen zwischen Conscious Rap, Soul und Jazz ebnete dem Genre den Weg aus der Nische in den Mainstream.
Während sie eigene Karrieren verfolgten, arbeiteten beide immer wieder zusammen: Herre produzierte Denalanes Debütalbum, sie veröffentlichten Musik über ihr gemeinsames Label „Nesola“ und unterstützten einander gegenseitig auf ihren Soloalben.
Der Kennenlern-Hit
„Mit Dir“ hieß der Hit, bei dem sich Max&Joy vor 26 Jahren kennenlernten. Vor wenigen Wochen haben sie „Mit Dir (Live at Hamburger Bahnhof)“ aufgenommen. Auch beim Konzert in Wien am 20. Juli 2025 wird der Song dabei sein.
Der Grenztanz der Liebe
Mit „Alles Liebe“, das sie spektakulär auch auf die Bühne bringen, lässt sich das Paar erstmals privat in die Karten schauen. „Was braucht man als Paar, was braucht der Einzelne? Wie kann man sich unterstützen und helfen? An welcher Stelle steht man sich im Weg und muss sich zurücknehmen? Es ist auch ein Grenztanz, ein stetiges Sich-Befassen und das ist in jeder neuen Lebenssituation neu“, sagt Max Herre auf die Frage nach der einen großen Erkenntnis über die Liebe nach 26 gemeinsamen Jahren.
Liebe brauche viel Kommunikation und sei Arbeit, sagt er. „Aber man wird mit der Zeit resilienter, weil man aus dem Überwinden schwieriger Zeiten die Zuversicht gewinnt, dass man es hinbekommt.“ Beiden ist wichtig, nicht als die Alchemisten gesehen zu werden, die die Wahrheit über die Liebe erkannt haben. „Es gibt tausende Formen von Liebe. Unsere ist eine davon und die ist für andere vielleicht falsch. Es gibt Menschen, die man trifft, bei denen es sich lohnt, Dinge auszufechten und zu arbeiten. Und es gibt andere, mit denen lohnt es sich vielleicht nicht“, sagt Herre.
Während sich diese Entsolidarisierung fort dreht, wollen wir zeigen, dass es ein Gegenkonzept gibt.
Liebe nicht nur romantisch denken
Über die Balance zwischen Individualität und Gemeinschaft in der Paarbeziehung hinaus beziehen sich Max&Joy – wie die beiden ihre Zusammenarbeit betiteln – stark auf Liebe als gesellschaftspolitische Dimension. Große Inspiration, Liebe nicht nur als romantisches Gefühl zu betrachten, sondern als eine universelle Kraft, die Empathie und gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern kann, fanden sie in Şeyda Kurts Buch „Radikale Zärtlichkeit“.
„Seyda Kurt beschreibt das Konzept von Liebe als solidarische Praxis. Was heißt es, tolerant zu sein, das Gegenüber zu sehen, auch wenn Lebensrealitäten total unterschiedlich sind?“, fragt Herre. „Vor allem in Zeiten, in denen Menschen sich zurückziehen, Grabenkämpfe führen und sich auf Identitäten wie Nation und Volk und Klasse und beziehen, muss man den Menschen im Gegenüber sehen. Das erfordert Kraft und einen liebevollen Blick. Wir glauben beide fest, dass die Welt diesen versöhnlichen Blick auf den oder die andere braucht“, stellt er fest.
Joy Denalane führt weiter aus: „Ohne dabei so etwas wie Geschlecht und Klasse zu ignorieren. Die Erkenntnis darüber, dass es diese Unterschiede gibt, ist gegeben. Wir müssen uns fragen: Wie können wir trotzdem aufeinander zugehen?“


Das Buch
Die studierte Philosophin Seyda Kurt hinterfragt in ihrem autobiografischen Sachbuch „Radikale Zärtlichkeit“ scharfsinnig und witzig bürgerliche Liebesnormen, zeigt Liebe als Spiegel der Gesellschaft und sucht neue Narrative für ein gerechteres Miteinander (Harper Collins).
Gerade in einer Zeit, in der sich gesellschaftliche Spaltungen vertiefen, sei dies notwendig, betont Herre. „Ihr hattet gerade Wahlen in Österreich, ihr wisst, was es heißt, wenn sich diese Spirale des Hasses weiterdreht und in politischen Institutionen festfrisst. Während sich diese Entsolidarisierung fort dreht, wollen wir zeigen, dass es ein Gegenkonzept gibt. Es geht davon aus, dass man auch Menschen außerhalb der angestammten Räume von Freundschaft und Familie mit Liebe begegnet. Liebe wird politisch, wenn sie sich gegen diese Spaltung stellt.“
Liebe bloß romantisch zu begreifen, treffe nicht den Kern des Mensch-Seins, meint Herre. „In unserer Leistungsgesellschaft, im ständigen Wettkampf verlernen wir Liebe als Motiv. Es ist nicht Liebe, womit Menschen in unserer Gesellschaft als erstes ausgestattet werden, sondern Konkurrenzdenken, Materialismus und eine Idee von einem Glücksversprechen. Ich glaube dennoch, dass alle Menschen Verbindung und Akzeptanz suchen und Räume, in denen man sich solidarisch begegnen kann.“
Max & Joy live:
Kleiner Vorgeschmack auf das Wien-Konzert am 20. Juli 2025 in der Open Air Arena: Max&Joy live mit „Skyline“ aus ihrem aktuellen Album „Alles Liebe“.
Sie schaffen einen Raum für alle
Als solchen Raum begreift das Paar seine Konzerte, die sie nach einer ausverkauften Herbst-Tournee auf sommerlicher Open-Air-Tour nach Wien führen. Als sehr diskursiv interessiert beschreibt Joy Denalane das Publikum der beiden. Nach wie vor erlebe sie live eine große Offenheit.
Konzerte skizziert Herre als gemeinsames Erleben. „Es geht uns darum, Räume zu schaffen, in denen man ein kollektives Moment erzeugt. Ich sehe uns nicht als die, die von der Bühne senden und unten sind die Empfangenden. Ein Konzert ist ein Raum, in dem man für zwei Stunden miteinander in eine Bewegung geht. Das ist auch ein Raum, in dem Dinge verhandelt werden, die politisch sein dürfen.“ Natürlich werde dabei auch gefeiert, sagt Herre, sich bei einem Fest mit der Welt zu beschäftigen sei kein Widerspruch.
Von der Bühne kommt dabei der Grundgedanke für einen gelungenen Konzertabend: Liebe größer denken und als transformative Kraft für gesellschaftlichen Wandel ernst nehmen.
Das Wien-Konzert:
Max Herre & Joy Denalane
Zwei der prägendsten Stimmen der deutschen Musikszene kommen nach der ausverkauften Herbsttour nach Wien. Es ist eine Einladung sich berühren zu lassen: Die Bühne wird zum Wohnzimmer, zum Club, mal intim reduziert, mal pulsierend lebendig. Neben dem gemeinsamen Album „Alles Liebe“, erinnert Max Herre mit „Anna“ oder „Esperanto“ an Freundeskreis, Solosongs („Wolke 7“) und Joy an Solohits wie „Geh jetzt“ oder „Was auch immer“. Soul, Hip-Hop, R’n’B und positive Vibes. Wien, Open Air Arena, 20. Juli 2025