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Lili Winderlich: „Für mich ist Theater etwas Liebendes“

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Lili Winderlich

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Dass es in Österreich enorm schnell bergauf ging, war Zufall. Die Berlinerin Lili Winderlich schaffte die herausfordernde Aufnahmsprüfung ans Reinhardt-Seminar, ohne je in Wien gewesen zu sein, und wurde an die Burg engagiert. Stefan Bachmann hat, Routine bei Direktionswechseln, den Vertrag nicht verlängert. Aber jetzt wird es erst spannend

Wien, sagt die in Berlin geborene Schauspielerin Lili Winderlich, sei ihr die zweite Heimat geworden. „Ich bin gebunden an die Stadt, weil ich die Stadt so liebe. Wenn ich nach Wien reinfahre, ist schon der Geruch etwas Besonderes.“ So sprechen Zugewanderte sonst über Städte, in denen sie alt geworden sind oder alt werden möchten. Aber Lili Winderlich ist 24. Und selbst die kurzfristigen Perspektiven haben sich ins Unprognostizierbare verschoben, seit der damals designierte Burg­theaterdirektor Bachmann das auffallend erfolgreiche Ensemblemitglied vom bevorstehenden Ende des Vertrags in Kenntnis gesetzt hat (ein Routinevorgang bei Direktionswechseln).

Eineinhalb Jahre ist das her. Bachmann hat das Haus im September übernommen, und jetzt wird es ernst mit dem Hinausgleiten aus den Gewissheiten: Die letzten Übernahmen aus der Vorgängerdirektion werden wohl bis Sommer abgespielt sein. Man kann Lili Winderlich noch im „Sommernachtstraum“ sehen, in der Brillanzgroteske „Der einsame Westen“ und in der pretiosenhaften Wiederentdeckung „Die Eingeborenen von Maria Blut“, für die sie eine Nestroy-Nominierung abfing. Dazu kamen schöne Aufgaben im ORF. Jetzt rotieren die Verhältnisse. Die neue Agentur in Berlin hat hoffnungsvolle Vorsprechen für deutsche Filmprojekte vereinbart. Und die 144 Plätze im feministischen Kosmostheater schaffen eine andere Art Nähe als die 1.175 Plätze in der Burg. Lili Winderlich hat dort am 18. März Premiere, gezeigt wird eine Collage aus Texten der Nobelpreisträgerin Annie Ernaux.

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„Mir ist viel Glück begegnet“

Zum Gespräch im Café Museum kommt sie von Dreharbeiten in der Slowakei, für ein multimediales Film- und Theaterprojekt. Und gleich beglaubigt sich der Eindruck von der Bühne: Da ist eine Erscheinung, ein Auftreten. Jemand, von dem man noch viel hören wird. „Mir ist sehr viel Glück begegnet, seit ich auf der Welt bin“, weist sie die Frage nach Seelenverwerfungen im Gefolge des Rückschlags zurück. „Zack ans Seminar, zack ans Burgtheater. Dabei hatte ich nie gedacht, dass ich jemals in Österreich studieren werde.“

Das von Strache um die Reputation gebrachte Kürzel ist treffend eingesetzt. Die Eltern aus bestem Potsdamer Kulturgroßbürgertum – der Vater Architekt, die Mutter Professorin an der Berliner Universität der Künste – hatten das Kind mit liebevoller Beharrlichkeit auf den Weg geleitet. Minimum einmal die Woche saß man gemeinsam im experimentellen Puppentheater, mit neun verkörperte das Kind im Schultheater den Helden Siegfried, gründete im Gymna­sium eine Theatergruppe und wusste nach einem Workshop in Südfrankreich letztgültig, wohin es gehen sollte.

Eine österreichische Biografie

Klar, dass nach dem so titulierten „Abi“ anno 2018 die ergebnisoffene Tour durch die Aufnahmsprüfungen an den Schauspielschulen anstand. In Deutschland wird im Winter geprüft, am Reinhardt-­Seminar schon im Sommer. Also reiste sie an, ohne Wien je zuvor betreten zu haben. „Und zack: Eine Woche später musste ich mir hier eine Wohnung suchen.“

Burgtheaterdirektor Martin Kusej, selbst Professor am Seminar, setzte die jungen Leute gern in kleinen Rollen am Haus ein. Und so debütierte die Studentin Winderlich als Choristin der Jelinek-­Uraufführung „Schwarzwasser“, übernahm Markanteres am Kleinschauplatz Vestibül und gelangte schließlich ans Ende der Ausbildung „Man wusste, jetzt geht das Studium zu Ende, man wird sich an vielen Theatern bewerben und viele Leute werden einen sehen, man sucht einen Job.“ Da rief nachts um zehn Alexandra Althoff an, damals Kusejs Stellvertreterin an der Burg: Eine Stelle im Ensemble sei frei, die Sache ­pressiere. Die Schauspielerin Hanna Hilsdorf hatte ihr Engagement plötzlich beendet, die teutonische Maid Gretchen in George Taboris Geniewerk „Mein Kampf“ war zu übernehmen. Und zwar binnen fünf Tagen!

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Die große Enttäuschung

Als Bachmann die Hiobsbotschaft der Nichtverlängerung übermittelte, war die junge Dame ein Routinier an der Seite der Größten. „Ich spielte 13 Produktio­nen gleichzeitig, teilweise 17 Vorstellungen im Monat. Ich war nur am Arbeiten und hatte ein unglaublich tolles Umfeld, das mich unterstützt und mir Raum gegeben hat, mich weiterzuentwickeln und Freundschaften zu schließen. Mein erster Gedanke bei der Nichtverlängerung war, dass mir all das weggerissen wird und ich keine Kontrolle da­rüber habe. Diese Veränderungen zu verarbeiten, dauert, und da war eine große Enttäuschung. Aber das hat sich gelegt.“

Und zwar mit markantem Resultat. Ein Gedankenprozess habe eingesetzt, der zuerst mit großer Dankbarkeit für das Erlebte und dann mit der Frage nach dem Grundsätzlichen zu tun hatte. Zwei große deutsche Bühnen unterbreiteten konkrete Angebote. „Und ich habe mich nach langem Zögern dagegen entschieden, sofort in ein weiteres Haus zu hüpfen.“ Die älteren, noch in anderen Verhältnissen sozialisierten Kollegen wollten es nicht glauben: Reite das Pferd, solang es gesattelt ist!

Sie entschied anders. Der Film lockt, aber das Theater wird auch in der neuen Existenz als Freischaffende ein Lebensmittelpunkt bleiben. So wie auch Wien, zumindest bis auf Weiteres. Die letzten Burgtheatervorstellungen könnten emotional verlaufen. „Wenn Stücke aufhören, gespielt zu werden, ist das immer mit großem Schmerz verbunden, aber das ist ja auch das Magische am Theater, dass es nicht festzuhalten ist auf irgendeiner Streaming-Plattform.“ Ein Schlusswort? „Für mich ist Theater etwas Liebendes.“ Darauf kann man sich auch in unguten Zeiten verständigen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.09/2025 erschienen.

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