Eigentlich wäre es logisch gewesen, wenn auch Kristen Stewart an ihrer totalen Bekanntheit zerbrochen wäre - so wie Prinzessin Diana, die sie nun im Blockbuster "Spencer" verkörpert. Doch nun darf der einstige Teeniestar sogar auf einen Oscar hoffen. Denn da war eine Freundin, die Stewart aus dem Skandalsumpf zog.
Steckbrief
Name: Kristen Jaymes Stewart
Geboren am: 9. April 1990 in Los Angeles, USA
Wohnort: Los Angeles
Sternzeichen: Widder
Ausbildung: High School; schon als Kind ein Star
Beruf: Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin
Familienstand: verlobt mit Drehbuchautorin Dylan Meyer
Hollywood produziert im Wesentlichen drei Typen von Kinderstars: Typ eins poppt kurz auf und versinkt nach ein paar Jährchen wieder in der Normalität. Oder wissen Sie noch, dass der Randy Taylor aus der Sitcom "Hör mal, wer da hämmert" eigentlich Jonathan Taylor Weiss heißt?
Typ zwei schlägt zwar groß im Kino auf, kippt aber spätestens in der Pubertät in den Alkohol. Oder ins Kokain. Und dann in die Betty-Ford-Klinik. Der Bekanntheit tut das freilich keinen Abbruch, im Gegenteil, Paparazzi leben für und von Typ zwei. Lindsay Lohan wäre hier zu nennen, der dann auch noch die vermeintliche Schönheitschirurgie das Gesicht verzerrte, oder Macauley Culkin, Kevin forever und schon seit den Neunzigern allein zu Haus vor dem Pillenschrank.
Typ drei schließlich ist die absolute Ausnahme, die den Sprung vom Wunderkind zur ernstzunehmenden Schauspielerin schafft - und deren Protoyp wiederum heißt Kristen Stewart, heute 31 und fast unversehrt. Schon mit neun spielte die Kalifornierin erste kleinere Filmrollen, mit 17 Jahren wurde sie dank der "Twilight"-Saga zum geliebten, gehypten, gejagten Weltstar, zu einer der öffentlichsten jungen Frauen ihrer Zeit. Schon beinahe so wie knapp drei Jahrzehnte vor ihr Lady Diana, der Kristen Stewart nun in dem von der Kritik hochgejubelten und vom Publikum gestürmten Pablo-Larraín-Film "Spencer" (derzeit in unseren Kinos) Gestalt, Stimme und vor allem Gefühl verleiht.
Durch Mitleid wissend
"Ich will hier nicht wie eine Idiotin klingen und diese monumentale Ikone mit mir vergleichen", sagt Kristen Stewart zwar in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und dennoch: Bis zu einem gewissen Grad wisse sie ganz bestimmt, wie es sich anfühle, dauernd von Fotografen verfolgt zu werden oder über die merkwürdigsten Mutmaßungen zu ihrem Privatleben in den Medien zu lesen. "Die seltsamste falsche Geschichte über mich? Ich habe keine Ahnung, googeln Sie es doch."
Diana Spencer, die "Rose von England", die "Prinzessin der Herzen", ging noch vor Google an genau diesem totalen Fame zugrunde. Kristen Stewart hingegen, im Filmbiz derzeit die Di vom Dienst, wuchs an ihm, arrangierte sich mit ihm und lebt heute zufrieden - und wird für ihre Darbietung als Windsor-Prinzessin nun sogar als heißeste Anwärterin für den Oscar in der Kategorie weibliche Hauptrolle gehandelt, quasi die ultimative Reifeprüfung für einen Kinderstar.
Aber wie macht sie das, wie macht das ausgerechnet so jemand wie sie, so berühmt, so berüchtigt, dass sie sogar vom Weißen Haus verfolgt wurde? "Sei schlau, Robert, verlasse sie!", twitterte Donald Trump, als Stewarts Beziehung zu Robert Pattinson einmal wieder auf der Kippe stand. Er das unschuldige Opfer, sie das schamlose Luder, der erste Mann im Staate hatte sein Narrativ längst schon gefunden. Und mit ihm die Promi-Presse. Hurra, ein neuer Skandalstar!
Pitt und Jolie für Teenager
On, off, on, off - Stewart war mit ihren 17 Jahren noch minderjährig, als sie sich, in Beziehungsdingen gänzlich unroutiniert, in eine Affäre mit dem um vier Jahre älteren Pattinson stürzte. Er spielte in der "Twilight"-Serie den liebesdurstigen Vampir, den zwielichtigen jungen Mann mit Biss - sie spielte das, was sie damals immer noch war: den verträumten, schmachtenden Teenager. Schon bei den ersten Proben, erinnert sich Regisseurin Catherine Hardwicke genüsslich, seien die beiden küssend von der Couch gekippt. "Oh my god, hatten die eine Chemie!"
Oh my god, die beiden waren so was wie Pitt und Jolie für die späten Millennials, ein unversiegbarer Quell des Gossip. Bald liebten sie, bald stritten sie, bald betrogen sie und fanden wieder zueinander, das Ganze über fast ein halbes Jahrzehnt hinweg, so lange, bis das fünfteilige Blutsauger-Epos endlich abgedreht war und auch die glamouröse Beziehung endgültig scheiterte - ganz im Gegensatz zur Kristen Stewart selbst. "Ich war eben jung und dumm", sagt sie heute rückblickend, mehr nicht. Und es wirkt so, als habe sie dieses Boulevardstück hinter dem Film emotional nicht im Mindesten mitgenommen.
Eine Mentorin wie eine Mutter
Dafür ist zu einem Gutteil eine mütterliche Mentorin verantwortlich, die Kristen Stewart unter extremen Umständen kennenlernte: Gemeinsam waren sie, das zwölfjährige Mädchen und die um knapp drei Jahrzehnte ältere Frau, über mehrere Monate hinweg Tag für Tag in einem lückenlos abgedunkelten, hermetisch abgeriegelten Raum eingesperrt: "Panic Room" hieß der Thriller, der Kristen Stewart mit einer gewissen Jodie Foster zusammenführte - die eine spielte die Tochter, die andere die Mutter, die aus ihrem Gefängnis heraus gemeinsam gegen das Böse ankämpften. So leidenschaftlich, dass sie einander auch noch nach der letzten Klappe eng verbunden blieben.
Jodie Foster war nach ihrer Rolle in Martin Scorseses "Taxi Driver", wo sie mit 13 eine Prostituierte spielte, einmal selbst ein Kinderstar gewesen. Und was für einer! Ein entrückter Fan schoss sogar auf den damaligen Präsidenten Ronald Reagan, um so ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
Jodie Foster war es auch, die Stewart einbläute, nur ja nicht "zu ihrer eigenen Realityshow" zu werden - auch wenn die Versuchung noch so groß sei, den Wert der eigenen Marke und alleine durch steigende Bekanntheit zu pushen. Rollen, so Mama Jodies Credo, dürften nie nur nach der Gage ausgesucht werden, sondern mindestens im selben Maße nach deren künstlerischer Qualität. Und so ist Kristen Stewart heute die einzige Amerikanerin, die - für ihre Rolle an der Seite von Juliette Binoche in "Die Wolken von Sils Maria" - den französischen Filmpreis César erhielt: Diesen wohldosierten Mix aus Kommerzkino und Arthouse hat Jodie Foster angerührt. Dafür hielt Stewart auch die Laudatio, als Foster vor fünf Jahren ihren Stern auf dem Walk of Fame bekam.
Ein echtes Goldstück
Heute ist Kristen Stewart, die sich so ganz beiläufig als bisexuell outete, mit der 34-jährigen Drehbuchautorin Dylan Meyer verlobt. Sobald es die Pandemie endlich zulasse, wolle man in großem Stil heiraten, um die entwöhnte Welt zumindest ein bisschen am gemeinsamen Glück teilhaben zu lassen. Zumal es bereits im Februar ein ziemlich ansehnlicher Mann perfekt machen soll: Er funkelt und glänzt mindestens so hell wie Robert Pattinson, heißt Oscar und ist im Gegensatz zu ihm trotzdem aus Gold - und, da von Hollywoods einflussreicher Academy of Motion Picture Arts and Sciences verliehen, auch ein Garant für immerwährende künstlerische Unabhängigkeit. Nie mehr "Twilight", so viel steht fest. Und auch mit diesem Mannsbild, das sie vor ein paar Jahren noch auf Twitter disste, hat Kristen Stewart ihren Frieden gemacht: "Ich glaube, Donald Trump hasste mich gar nicht. Ich glaube, er war einfach nur in meinen Freund verliebt."
In einer Szene von "Spencer" lugt Diana verschreckt hinter seidenen Gardinen hervor. Können sie die Paparazzi, die sich da draußen im Unterholz verbergen, nicht zumindest zu Weihnachten in Ruhe lassen? Dianas starrer Blick verrät Angst. Doch eine Kirsten Stewart würde den Vorhang der Seele gar nicht erst so weit lüften. Sie würde, wie so oft, rausgehen, um den Fotografen den Mittelfinger entgegenzustrecken. Sie darf das, denn sie ist nicht wirklich die Prinzessin der Herzen, nur die neue Königin Hollywoods.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2022 erschienen.