Im oberösterreichischen Grieskirchen hat Elisabeth Grabmer mit ihrem Sohn Clemens Grabmer in der Waldschänke einen Michelin-Stern erkocht. Den ersten verdiente sie vor zig Jahren solo, nachdem sie sich das Handwerk mit Büchern und Hingabe selbst beigebracht hatte. „Am meisten freue ich mich für die Mama“, sagt Sohn Clemens
Es ist ein seltener Moment der Ruhe in der Küche. Zwei Wochen nachdem Elisabeth Grabmer zum zweiten Mal nach den 2000er-Jahren ein Michelin-Stern verliehen wurde, zerlegt sie einen Hirsch, den der Jäger gebracht hat. Es ist Ruhetag im Restaurant Waldschänke in Grieskirchen im oberösterreichischen Hausruckviertel.
„Der Hirsch ist ein bisschen groß gewesen, da brauche ich Platz in der Küche“, sagt sie und lacht herzhaft, als sie die Arbeit für das Gespräch unterbricht. Wenn sie erzählt, liegen tiefe Emotionen in ihrer Stimme, die die Liebe zum Beruf spürbar machen. Ein intensives Lachen ist oft dabei. Sprachlos war sie nur kurz in jenem Moment, als bei der Verleihung der Sterne des Guide Michelin ihr Name und der ihres jüngsten Sohns, Clemens Grabmer durch den Hangar 7 schallte. Gemeinsam sind die beiden, die seit acht Jahren zusammen in der Waldschänke kochen, der Einladung nach Salzburg gefolgt „in der Hoffnung, dass wir einen Bib Gourmand bekommen“.
Als die Preise verliehen und auch die Grünen Sterne vergeben waren, ohne, dass ihr Name gefallen war, dachten beide sie seien umsonst nach Salzburg gekommen. „Hat halt nicht geklappt, haben wir geglaubt. Dann war es eine Berg- und Talfahrt der Gefühle“, erinnert sich die 61-Jährige. Auf der Bühne und bei der Familie im Publikum liefen Tränen als Grabmer sich freute: „Wir haben den Stern wieder heimgeholt!“
Bib Gourmand Bedeutung:
Bib Gourmand ist eine Auszeichnung unterhalb des Sternespektrums für gehobene Küche mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein Grüner Stern weist Restaurants mit nachhaltigem Konzept aus. Ein Stern bedeutet „Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert!“
Ein Wasser für die Michelin-Tester
Beim ersten Besuch der Michelin-Tester in der Waldschänke war Sohn Clemens gerade zehn Jahre alt. Die zwei Herren hatten sich dem überraschten Ehepaar Grabmer damals vorgestellt und mitgeteilt, dass ihre Küche gerade getestet worden war. Das Ehepaar war so perplex, dass ihnen die Worte fehlten. Heinz Grabmer, der leidenschaftliche Sommelier mit mehr als 1.000 Positionen im Weinkeller, konnte ihnen gerade noch Wasser für die Heimfahrt anbieten. Spricht man den Sohn Clemens Grabmer, der am 14. Februar 29 Jahre alt wird, auf den heimgeholten Stern an, sagt er: „Am meisten freue ich mich ei- gentlich für die Mama.“
Autodidakt zur Sterneköchin
Als feminin, „die herzhafte, deftige Küche leichter gemacht“, beschreibt Elisabeth Grabmer ihre Küche. Was sie kann, hat sie sich in den vergangenen 35 Jahren selbst angeeignet. Vom Aufwachsen auf einem Bauernhof, auf dem ihre Familie als Selbstversorger lebte, kam das Grundverständnis. „Den Rest habe ich mir angelesen“, erzählt sie. Kochbücher von Alfons Schuhbeck und Eckart Witzigmann waren ihre Begleiter, als sie in der Jausenstation der Familie ihres Mannes vom Service in die Küche wechselte. Damals war sie mit ihrer Tochter Johanna schwanger und das Kochen mit Babybauch naheliegender als Servieren. Es wurde zur Leidenschaft. Aus der Jausenstation wuchs das Sternerestaurant. „Wir sind oft essen gegangen und ich hab’ immer ein Notizbücherl mitgehabt“, erzählt sie. „Auf der Toilette habe ich alles über die Gerichte aufgeschrieben, damit ich nichts vergesse.“
Es war in der Zeit vor Handyfotos und vor dem freundlichen Austausch, den Österreichs Köche heute untereinander pflegen. „Sie sagen: Wie machst du das? Das hat es früher nicht gegeben, dass mir jemand etwas geraten hätte. Da gab es noch Geheimniskrämerei. Wir Alten waren ein bisserl dumm. Es hat ja niemand gesagt, dass wir Einzelkämpfer sein sollen. Die Jungen sind viel gescheiter“, stellt sie fest.
Grosse Gefühle bei der Michelin-Gala:
Lernen vom Sohn zulassen
Den Charakter der Waldschänkenküche prägt heute die Handschrift ihres jüngsten Sohns Clemens Grabmer, sagt die Ausnahmeköchin. Als mutiger, experimentierfreudiger bezeichnet sie seinen Zugang zum Kochen. Das siebengängige Menü „Hoamatgaung“ mit Charaktergängen aus der Region bietet etwa Bauernspargel mit Mühlviertler Leinöl und Orangen-Chutney, Zander mit roten Linsen, Ingwer und grünen Bohnen oder geschmortes Schweinsbackerl mit Karfiol, Salz-Zitrone und Petersilie.
Vieles habe sie vom Sohn gelernt, sagt Elisabeth Grabmer. „Es ist ein Riesenglück, wenn du mit deinem Sohn so einen Erfolg haben darfst. Dafür musst du ihn aber auch lassen, Dinge zulassen und einander auf Augenhöhe begegnen“. Zu sagen, das haben wir aber immer schon so gemacht, würde das Scheitern programmieren, sagt Grabmer und schwärmt von Clemens’ Faible für Gemüse, für das er sich lebhaft mit Produzenten aus der Region austauscht. „Er macht tolle Gemüsevorspeisen, Gemüse- Zwischengänge, teilweise baut er es beim Dessert ein. Ich war immer gewohnt, dass man zu einem Braten eine Sättigungsbeilage gibt. Das braucht heute bei sieben Gängen kein Mensch, da habe ich von Clemens gelernt.“


Sterneköche am Werk: Clemens Grabmer und Elisabeth Grabmer
© Foto: Oberösterreich Tourismus/Urlaubsregion Vitalwelt/Tom SonEin wirklich guter Draht zueinander
Der Jungkoch kehrte nach zwei Jahren Lehrzeit bei Andreas Döllerer in Golling nach Hause zurück. Er wollte sich dort weiterentwickeln, wo er schon gekocht hat, bevor er lesen und schreiben gelernt hat. Zur Hochblüte von Jamie Oliver – da war Clemens Grabmer drei Jahre alt – waren die Kochsendung des Briten sein liebstes Programm.
„Danach ist er in die Küche gekommen und hat gesagt: Mama, ich möchte Ravioli machen. Dann hat er aus dem Gedächtnis den Teig und die Fülle nachgemacht“, erzählt Elisabeth Grabmer. „Er kocht heute noch aus dem Gedächtnis. Ich bin diejenige, die danach ein Rezept daraus macht.“ Viel würden die beiden darüber reden, was zu verbessern wäre, sagt Grabmer. Gestritten hätten sie noch nie: „Es klingt fast kitschig, aber wir haben einen wirklich guten Draht zueinander.“
Viel Liebe auf dem Teller
Was die Michelin-Tester überzeugt hat, sei vermutlich die Mischung aus dem Verständnis für die regionalen hoch- wertigen Produkte und die kreative Essenz eines soliden Handwerks. „Mein Antrieb ist die Liebe zum Kochen. Wir arbeiten mit regionalen Lebensmitteln, hinter denen Menschen stehen, die auf ihre Tiere schauen und ihre Felder mit Hingabe bestellen und dieser Kreislauf soll sich am Teller vom Gast mit ehrlichen, liebevoll zubereiteten Gerichten schließen. Ich hasse nichts mehr als lieblos zubereitetes Essen.“ Ihre Leidenschaft gibt Elisabeth Grabmer zahlreichen Lehrlingen weiter, die der Betrieb über die Jahre ausgebildet hat. So war sie die erste Chefin des mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Philip Rachinger vom Restaurant „Ois“ im Mühltalhof.
Am Tag nach der Michelin-Gala waren Schüler der Tourismusschule in Bad Leonfelden in der Waldschänke auf Exkursion. „Seid mutig!“, habe sie vor allem den Mädchen mitgegeben, erzählt Grab- mer. Warum Frauen in der Spitzengastronomie noch rar sind und viele „in der Patisserie versteckt“ seien, kann sie sich nicht erklären. „Traut euch ins Abenteuer Gastronomie, werdet Köchinnen“, sagte sie ihnen. „Irgendwann könnt ihr Sterneköchinnen sein. Gastronomie ist voller Emotionen. Wir haben so einen schönen Beruf, in dem wir Gäste glücklich machen können“, wiederholt Grabmer ihre Motivationsrede. „Ich habe fast nicht aufhören können zu reden. Da geht das Temperament mit mir durch!“
In der Grieskirchener Sterneküche lässt sie die Arbeit am Hirsch dann ruhen. Der Rest soll am nächsten Tag als Lehrstück dienen. Die Teile werden vakuumiert und warten im Kühlraum auf die Weiterverarbeitung durch das Team. „Nicht, dass sie glauben, ich arbeite da im stillen Kämmerlein und lasse meine Mitarbeiter nichts lernen.“
Restaurant Waldschänke
Seit 1948 betreibt Familie Grabmer die Waldschänke, seit 1990 führen Elisabeth und Heinz Grabmer das Restaurant, seit 2016 kochen Sohn Clemens und Elisabeth Grabmer. Aktuell wurde die Waldschänke mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Im Kochbuch "Knödelreich" von Elisabeth Grabmer, Katharina Seiser, Magdalena Wieser finden sich Rezeptschätze der österreichischen Knödelkultur.
Geboten werden Klassiker der österreichischen Küche in modernem Gewand mit besten regionalen Zutaten im 7-Gang-Menü (€ 110,–), 6-Gang-Menü (€ 99,–) oder à la carte (hier darf das Wiener Schnitzel nicht fehlen) sowie ein legendär bestückter Weinkeller.
Wo? Waldschänke Kickendorf 15
4710 Grieskirchen
Tel.: +43 7248 623 08 restaurant@waldschaenke.at
Wann? Di bis Sa