Österreichs erster Drei-Sterne-Koch, Juan Amador, ist seit Jahren unter dem Namen Rodama auch als Künstler aktiv. Mit seiner ersten offiziellen Ausstellung in der Nitsch Foundation tritt er aus dem Status eines Geheimtipps ins Licht der Kunstwelt. Sein Blick auf zwei Fulltime-Jobs in Kunst und Küche ist von Ehrgeiz und Leidenschaft geprägt,
Es riecht nach Lack und Farben. Die Luft im Atelier ist warm, fast stickig. Die waagrecht aufgelegten Bilder, von denen Juan Amador immer mehrere gleichzeitig bearbeitet, trocknen so rascher. Wenn es Mitternacht wird und in seiner Drei-Sterne-Küche in Grinzing Ruhe einkehrt, fährt der Chef ins Industriegebiet am Stadtrand von Wien.
Zweite kreative Heimat
Hier taucht er hinter einer unscheinbaren Fabriksfassade in seine zweite kreative Heimat, das Atelier, ein und bringt die hochkarätige Musikanlage auf Touren. Musik ist Stimmungsverstärker und Gefühlskatalysator für den Deutschen aus Baden-Württemberg mit leidenschaftlich gepflegten spanischen Wurzeln. 2008 erkochte er in Frankfurt erstmals eine Drei-Sterne-Wertung, 2016 eröffnete er sein Restaurant in Döbling und war ab 2019 lange Österreichs einziger Drei-Sterne-Koch. Seit Jänner teilt sich der 56-Jährige die höchste Auszeichnung des Guide Michelin mit dem Steirereck im Stadtpark.
„Ich freue mich sehr, dass das Steirereck jetzt endlich auch drei Sterne hat. Wir waren die Ersten. Das war nicht immer einfach“, streift Amador die Erinnerung an eine Zeit, in der er sich in der neuen Heimat als „Persona non grata“ gefühlt hat. „Wir haben etwas Einzigartiges geschaffen, aber der Einzige zu bleiben, war ja nicht meine Vision. Mehr Sterne sind gut für die Stadt, gut für alle anderen Restau- rants und für die nächste Generation, damit die sieht: Es lohnt sich“, sagt er.
Das Wort Freizeit gibt es für mich nicht. Jede Zeit muss sinnvoll genutzt werden. Ich habe zwei Vollzeitjobs


Das Pippi-Langstrumpf-Prinzip
Gedanken über Kritiker macht er sich ohnehin selten. „Mein Lebensprinzip ist Pippi Langstrumpf. Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Punkt. In allen Bereichen“, sagt Amador. Das gelte in der Küche wie nun in der Malerei. Unter dem Künstlernamen Rodama erschafft er seit ein paar Jahren abstrakte, großflächige Werke, geprägt von Experimentierfreude, Dynamik und Präzision.
Dem Konzept der Unschärfe folgt er dabei bewusst, um Interpretationsspielraum zu lassen. Monochrom beschränkt er sich stets auf drei Farben, die ein Bild bestimmen. Acrylfarben, Sprays und Spachteln zählten anfangs zu seinen Werkzeugen. Nun lässt er Schütttechniken in drei bis vier Schichten für sich arbeiten und fertigt bis zu fünf Bilder jede Woche. „Es ist wie in der Küche, ich möchte Emotionen erzeugen und Menschen glücklich machen. Ganz einfach“, sagt er über seine Kunst.
Als Vorbilder nennt er Caravaggios Spiel mit Licht und Schatten, Gerhard Richter und Mark Rothko. Zu detailliert über seine Technik zu sprechen, findet er unromantisch: „Das ist ähnlich wie in der Küche. Wie ein Gericht zustande kommt, ist nicht wichtig, sondern was das Gericht zum Gast sagt, was er oder sie empfindet. Wenn ich Musik höre, interessiert mich ja auch die Emotion und nicht die Noten.“ Wenn er sich hin und wieder im Atelier ans Schlagzeug setzt, tut er dies auch ohne Noten. Natürlich.


Bilder mit klingenden Namen
Welche Musik ihn beim Malen begleitete, ist oft an Amadors Bildern abzulesen. Sie tragen Titel wie „In the Air Tonight“, „Highway To Hell“ oder „Big In Japan“. Zuletzt füllten die Stimmen der kürzlich verstorbenen Sängerinnen Roberta Flack und Angie Stone öfter das Atelier, eine „Killing Me Softly“-Serie entstand.
Manche, die sich nachts ins Industriegebiet verirrten, baten Amador schon mal um Einlass ins Innere des Ateliers, weil sie es für einen Club hielten. Seine Playlist läuft schließlich bis drei oder vier Uhr morgens. Sechs Stunden Schlaf reichen ihm völlig, bevor er wieder in die Küche aufbricht. „Letztendlich tausche ich nur die Werkzeuge aus und das Trägermedium. Es ist dann kein Teller, sondern eine Leinwand. Keine Gewürze, sondern Farben.“
Vom Heimisch-Werden in der Kunst
Juan Amadors Faible für Kunst begann in seiner Zeit im Amesa in Mannheim, wo der Arzt und Kunstsammler Joachim Mühling in der ehemaligen Schildkröt-Fabrik auch eine hochkarätige Privatsammlung beherbergte. „Es gab regelmäßig Treffen mit Anselm Kiefer. Wir hatten Installationen von Richard Long, es gab viel von Joseph Beuys, ich war von Kunst umzingelt“, erinnert sich Amador. Dann kam Wien und viel später die Pandemie, in der die Untätigkeit sich dunkel auf die Kreativität des Spitzenkochs senkte.
„Ich habe damals viele Dokus gesehen, auch über Gerhard Richter. Er hat den prägenden Satz gesagt, dass der Zufall sein bester Freund ist und manchmal besser ist als er selbst“, erzählt er. Ein befreundeter Künstler riet ihm, einfach anzufangen, mit Acryl. Einem wie Amador muss man so etwas nicht zweimal sagen. Nie könne er einfach nur so Golf spielen gehen, sagt er. Er würde dann schon einen Pokal gewinnen wollen. „Wenn man etwas ohne Ehrgeiz macht, dann macht man es auch ohne Leidenschaft und dann wird es nichts“, beschreibt er seine Einstellung.Er attestiert sich diesbezüglich eine fast preußische Prägung, „Obwohl ich Spanier bin“.


Volles Risiko voraus
Heute spricht er von zwei Fulltimejobs, die er betreibe, als Koch und als Künstler. „Das Wort Freizeit gibt es für mich nicht. Jede Zeit muss sinnvoll genutzt werden. Die Zeit zwischen der Arbeit schläft man oder trifft Freunde und trinkt zu viel Alkohol. Letzteres fällt jetzt weg. Durch die Malerei bin ich gesünder geworden, ausgeglichener, es geht mir besser. Andere haben teure Hobbys, ich kaufe mir Arbeit, die mich glücklich macht.“
Das Wort Therapiezentrum fällt, als es ums Atelier geht, begleitet von einem Lächeln. Geht hier die Tür zu, sagt Amador, herrsche eine andere Freiheit als in der Küche, wo er ein 25-köpfiges Team dirigiert und in der Küche arbeitet. Kochen sei keine Kunst, sondern ein Hochleistungssport, meint er. „Alles, was hier entsteht, kommt unmittelbar von mir. Hier kann ich 100 Prozent ins Risiko gehen, das geht in der Küche nicht“, beschreibt er eine weitere Faszination.
Anonyme Feuertaufe
Zwei Wochen vor seiner ersten Ausstellung spürt Juan Amador einen Anflug von Lampenfieber, auch wenn bereits über 100 seiner Bilder in viele Länder Europas verkauft wurden – und es streng genommen nicht seine erste Ausstellung ist. Damals, im Salon Bucherer in Wien, hatten die Vernissagegäste allerdings keine Ahnung, wer sich hinter dem Künstlernamen Rodama verbirgt. „Es war damals meine Bedingung, dass niemand erfährt, dass es meine Bilder sind. Ich wollte nicht, dass sie gekauft werden, weil man mich als Koch kennt. Die Menschen sollten die Bilder kaufen, weil sie sie schön finden“, erzählt er.
Nach einer Idee von Rita Nitsch werden seine Bilder nun erstmals in der Nitsch Foundation gezeigt. Mit Hermann Nitsch war Amador freundschaftlich verbunden und schätzt ihn als hochintelligentes Universalgenie. „Die Freundschaft ist bei mir im Restaurant entstanden. Er war nicht sehr mobil, also bin ich zu ihm an den Tisch gegangen. Und weil die ganze Tischdecke bekleckert war, habe ich gesagt: „Herr Nitsch, darf ich das ausschneiden und rahmen lassen?“ Nitsch bestellte daraufhin Schüttwein und verfeinerte das Werk auf der Tischdecke mit Rotwein, samt Signatur „für meinen neuen Freund“.
Der Tischtuch-Nitsch ziert nun Amadors Zuhause, während Amadors Bilder über die Nitsch Foundation eine neue Heimat finden.


DIE AUSSTELLUNG
Die Nitsch Foundation
in der Wiener Innenstadt bewahrt nicht nur das Vermächtnis von Hermann Nitsch, sondern fördert auch künstlerische Positionen, die seinem Werk verbunden sind.
Ab dem 24. März präsentiert Juan Amador unter seinem Künstlernamen Rodama eine Auswahl von rund zwanzig Arbeiten. Nitsch Foundation Hegelgasse 5, 1010 Wien
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 12/25 erschienen.